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Laut einer aktuellen Freight-Forwarding-Studie baut Asien seinen Vorsprung im Frachtenmarkt aus. Unterdessen senken die Speditionskonzerne ihre Marktprognose für 2011. Das Wachstum wird geringer ausfallen.

Die erneuten Turbulenzen an den Anleihe- und Aktienmärkten haben das Vertrauen in die konjunkturelle Aufwärts­entwicklung erschüttert. Große börsennotierte Speditionen[ds_preview] rechnen auch im Transportmarkt mit einer Abkühlung im weiteren Jahresverlauf. Bestimmte Trends sind allerdings kaum aufzuhalten: So wird sich der Marktschwerpunkt im See- und Luftfrachtgeschäft in den kommenden Jahren rasant in die östliche Hemisphäre verlagern. Einerseits wächst der Verkehr im asiatisch-pazifischen Raum deutlich dynamischer, andererseits nimmt die Bedeutung des Spediteurs im Beziehungsgeflecht zwischen Ladungsseite und Carrier in der Region laufend zu.

Zu diesem Ergebnis kommt die britische Beratungsfirma Transport Intelligence in ihrer neuen Studie zum globalen See- und Luftfrachtmarkt (Global Freight Forwarding 2011). Den Autoren zufolge hat der von Spediteuren kontrollierte Frachtenmarkt – See- und Luftfrachtladung zusammengenommen –im asiatisch-pazifischen Raum 2010 erstmals die Dimension des europäischen Markts übertroffen. Mit insgesamt 39,8 Mrd. € kam Asien laut der Studie auf einen Vorsprung von mehr als 2 Mrd. € gegenüber Europa (37,6 Mrd. €). »Die verringerten Exporte in die westliche Welt wurden mehr als wettgemacht durch den verstärkten innerasiatischen Handel, wobei Chinas boomende Wirtschaft als alternativer Exportmarkt diente«, konstatiert Transport Intelligence.

Europas Vorsprung in der Seefracht schmilzt

Die asiatische Dominanz ist in den einzelnen Segmenten aber nicht gleich weit gediehen. Während in der Seefracht Europa im Augenblick noch die Nase vorn hat, spielt die Musik im Luftfrachtgeschäft schon seit Jahren in Asien. 2010 wurden dort nach Schätzung von Transport Intelligence speditionsseitig 23 Mrd. € mit Luftfracht umgesetzt gegenüber 16,9 Mrd. € in Europa und 16,6 Mrd. € in Nordamerika. Die Schere wird sich der Prognose zufolge bis 2014 drastisch weiter öffnen. Dann rechnen die Experten mit Luftfrachtumsätzen von 37,7 Mrd. € in den asiatisch-pazifischen Staaten, aber nur 20,7 Mrd. € in Europa.

In der Seefracht fuhren die Speditionen in der alten Welt mit geschätzten 20,8 Mrd. € im vergangenen Jahr noch die höchsten Umsätze ein. In Asien habe das Volumen erst bei 16,8 Mrd. € gelegen. Bis 2014 wird sich der Schwerpunkt jedoch eindeutig verlagert haben, sollten die Annahmen von Transport Intelligence eintreffen. Die Briten sagen für Asien ein durchschnittliches Umsatzwachstum in der Seefrachtspedition von 14,3 % pro Jahr voraus, während Europa mit plus 5,1 % die geringste Dynamik unter allen Regionen zeigen werde. Das ergibt für 2014 ein für Spediteure verfügbares Marktvolumen von 28,6 Mrd. € im asiatisch-pazifischen Raum und von 25,4 Mrd. € im zweitplatzierten Europa – und das nur im Bereich Seefracht, wohlgemerkt.

Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass die Entwicklung innerhalb der Regionen durchaus divergieren werde. Gegen den allgemeinen Trend dürfte das exportstarke und speditionell gut erschlossene Deutschland weiterhin solide Wachstumsaussichten bieten. Innerhalb Asiens werde neben China der indische Markt stärker in den Mittelpunkt rücken, während das katastrophengeschüttelte Japan auf Jahre weiter zurückfallen könnte.

Neue Gelegenheiten böten sich vermehrt im Mittleren Osten rund um den Persischen Golf und in Afrika. Diese beiden Regionen belegen im Wachstumsranking von Transport Intelligence für Sea und Air zusammen die Plätze zwei und drei. Das jährliche Umsatzwachstum wird bis 2014 auf 12,2 % bzw. 10,4 % taxiert. Relativ gesehen bleiben beide Regionen aber auf absehbare Zeit wohl weit hinter den Hauptmärkten Asien, Eu­ropa und Nordamerika. Als Wachstumstreiber in Mittelost sehen die Autoren in den nächsten Jahren weiterhin Investi­tionen in die energiebezogene Infrastruktur, während für Afrika der China-Handel immer stärker in den Vordergrund trete.

Abflauen der Konjunktur belastet Spediteure

Kurzfristig sind mit den Verwerfungen an den Kapitalmärkten allerdings beträchtliche Unsicherheiten für die Fracht- und Logistikbranche entstanden. Auch die Aktien der Transportunternehmen wurden mit in den Abwärtsstrudel gerissen. Investoren gehen zunehmend davon aus, dass die Staatsschuldenkrisen in den USA und den Euro-Peripheriestaaten gepaart mit einer Wachstumsverlangsamung in China die Weltwirtschaft belasten werden.

Noch bevor Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten herabstufte und die Märkte in Aufruhr versetzte, gaben mehrere große Speditions- und Logis­tikkonzerne Warnschüsse ab. So haben Kuehne + Nagel und Panalpina ihre Progno­sen für den Seefrachtmarkt zur Jahresmitte deutlich reduziert. Kuehne + Nagel rechnet noch mit einer Steigerung der eigenen Containerbuchungen um 10–12 %, nachdem zu Beginn des zweiten Quartals noch von einem Zuwachs um 15 % ausgegangen worden war. Beim globalen Containerverkehr rechnen die Schweizer jetzt mit höchstens 6 % Wachstum statt zuvor bis zu 7 %, wobei auch der jüngste Wert mit einem dicken Fragezeichen versehen werden muss. Vorstandschef Karl Gernandt mahnte Investoren, dass die Schulden- und Währungs­krisen und die erhöhte wirtschaftliche Volatilität keine zuverlässige Vorhersage über den weiteren Verlauf zuließen. Er betonte aber auch, dass der Konzern weiterhin offensiv nach Investitionsgelegenheiten in den Schwellenländern suche.

Unterdessen hat Panalpina seine Wachstumsprognose für die internationalen Containerverkehre für 2011 von 6–7 % auf nunmehr 5 % abgesenkt. Aufgrund der Verlangsamung des Verkehrswachstums geht das Unternehmen davon aus, dass die Hochsaison in den interkontinentalen Verkehren im Spätsommer / Herbst kaum zu Buche schlagen werde. Aufgrund des Überangebots an Stellplätzen durch die Reedereien bestehe nur eingeschränkt Spielraum für Frachtratenverbesserungen. »In einem sich verlangsamenden Markt wird es 2011 schwierig sein, das Marktwachstum zu egalisieren oder sogar zu übertreffen«, warnte Vorstandschefin Monika Ribar. Im ersten Halbjahr ist das TEU-Aufkommen für Panalpina lediglich um 2 % gestiegen.

Die Rohgewinnmargen (Nettoumsatz minus Frachtausgaben) pro TEU haben sich bei den Speditionen durch den rapiden Verfall der Frachtraten verbessert. Für gewöhnlich geben die Dienstleister die besseren Einkaufspreise erst mit Verzögerung an die Endkunden / Verlader weiter. Bei den Schweizer Branchenriesen Kuehne + Nagel und Panalpina wurde dieser Effekt allerdings durch die starke Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar, der Haupthandelswährung, zunichte gemacht. Rein auf Dollarbasis betrachtet habe der Rohertrag pro TEU bei Panalpina um 6 % zugelegt, nach Umrechnung der Erlöse in Franken kehrte sich das Plus aber in ein Minus von 7 % um. Bei Kuehne + Nagel sackte der Gross Profit pro TEU um 5,5 % auf 396 Franken ab.


Michael Hollmann