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Abfall- und Abwassermanagement-Systeme sind auf Kreuzfahrtschiffen heute Standard. Das ist auch ein Verdienst von Jochen Deerberg, der in anderen Bereichen der Schifffahrt ebenfalls einen Trend zu den umweltfreundlichen Verfahren sieht

Herr Deerberg, Sie sind jetzt seit mehr als 30 Jahren im Geschäft: Wie haben sich die maritimen Umweltvorschriften aus Ihrer[ds_preview] Sicht in dieser Zeit entwickelt und welche weiteren Trends sind zu erwarten?

Jochen Deerberg: In unserem Segment haben sich die internationalen Vorschriften im Wesentlichen nicht verändert. Sie sind nur graduell angepasst worden. Stark verschärft wurden im Gegensatz dazu einzelne lokale Vorschriften, wie z.B. für Alaska oder die Ostsee.

Was die Trends für die Zukunft angeht, denke ich, dass die Regularien der ECAs (Emission Control Areas) auch auf Emissionen wie etwa Abwasser oder Abgase von Verbrennungsöfen ausgeweitet werden. Es werden sicherlich auch mehr Spezialgebiete (Special Areas) eingerichtet werden, um gefährdete Gebiete besser zu schützen. Zudem müssen die Reeder sicherlich international mit schärferen Kontrollen in diesen Gebieten rechnen. Die Möglichkeit der kontinuierlichen Aufzeichnung gewisser Emissionsströme wird auch bei verschärften Kontrollen eine Rolle spielen. Diese Art des schiffsbezogenen Controllings wäre dann neu.

Gibt es auf dem Gebiet der Umweltvorschriften ein weltweites »level playing field« oder haben einige Regionen schärfere Vorschriften als andere?

Deerberg: Die IMO reguliert das weltweite »level playing field« und regelt im Groben auch lokale Vorschriften in den Spezialgebieten. Diese sind für alle Reeder heute Standard. Interessanter und auch schwerer einzuhalten sind hingegen die lokalen Vorschriften wie z. B. die Alaska-Abwasser-Vorschriften, wo es nach großen Protesten der Industrie mittlerweile Supplier-bezogene Ablaufwerte gibt, oder die zur Diskussion stehenden Abwasservorschriften in der Ostsee (HELCOM).

Ihr Kundenschwerpunkt liegt deutlich im Kreuzfahrtbereich, in dem naturgemäß besonders viel Abfall anfällt und der auch mit dem Clean-Ship-Begriff Imagepflege betreiben kann. Wieweit sind die fortschrittlichen Systeme aus dem Kreuzfahrersektor heute schon in anderen Sparten der Handelsschifffahrt Standard?

Deerberg: Deerberg-Systeme hat vor 30 Jahren mit dem Vertrieb von Einzelkomponenten wie Abwasseranlagen und Öl/Wasser-Separatoren für Handelsschiffe angefangen. Als dann die Kreuzfahrtindustrie gewachsen ist, war es natürlich eine spannende Herausforderung, innovative Konzepte für dieses Segment zu entwickeln. Oftmals gemeinsam mit den Reedern haben wir über die Jahre umwelttechnische Innovationen massiv vorangetrieben und eingeführt. Angefangen mit noch nicht verbundenen Subsystemen (Verbrennung, Speiseresteentsorgung, Recycling etc.) bis zu den heutigen komplett integrierten Deerberg Multi Purpose Waste Management Systemen (MPWMS®) war es ein langer Weg, der sich aus Umweltschutzgründen aber wirklich gelohnt hat. Die Kreuzfahrtindustrie war diesbezüglich schon immer Vorreiter in Umweltphilosophie und -technologie und hat sich von je her weit höhere Ziele auferlegt, als von Umweltrichtlinien gefordert.

Mittlerweile sehen wir vergleichbare Tendenzen im Marine-Bereich, besonders bei den großen Kriegsschiffen. Deerberg hat Aufträge für Flugzeug- und Hubschrauberträger, auf denen vergleichbar komplexe Systeme zum Einsatz kommen. Aber auch im Offshore-, Fähren- und Yacht-Bereich sehen wir starke Tendenzen zu immer umweltfreundlicheren Schiffen, auf denen ein fach- und umweltgerechtes Waste Management ein großes Thema ist.

Von grundsätzlichen Standards kann aber aus meiner Sicht noch nicht gesprochen werden. Es ist wirklich reeder- oder werftabhängig, welche Systeme eingesetzt werden.

Was sind die wesentlichen Treiber für die weitere Verbreitung solcher Systeme?

Deerberg: Über die gesamte maritime Industrie gesehen ist sicherlich die Ausweitung von ECAs und Sondergebieten von Bedeutung. Gerade international operierende Schiffe müssen dadurch umso höhere Standards erfüllen. Aber auch das allgemein gestiegene Umweltbewusstsein spielt bei immer mehr Reedern und Betreibern eine wesentliche Rolle. Dazu kommen sicherlich stärkere Kontrollen, ob Umweltstandards auch tatsächlich eingehalten werden.

Inwieweit kann Abfall an Bord – ob fest, in Schlammform oder flüssig – heute sinnvoll energetisch genutzt werden?

Deerberg: Wir haben natürlich einige Systeme im Programm, um die Energieeffizienz des Schiffes zu verbessern. So gibt es zum Beispiel Energie-Rückgewinnungs-Systeme, die die Abwärme des Ofens in Dampf oder Energie umwandeln. Ein anderes System – der Deerberg Integrated Biowaste Dryer – nutzt die Abwärme des Ofens, um gezielt organische Abfälle für die Verbrennung an Bord zu trocknen. Die Einsparungen an Betriebskosten und CO2-Emissionen sind dabei schon erheblich. So kann z. B. ein Schiff mit 5.500 Personen, auf dem zwei 2.400-kW-Incineratoren eingesetzt werden, ca. 620 t Dieselöl und somit ca. 370.000 US$ Betriebskosten und rund 7.500 t CO2 pro Jahr einsparen.

Sind Verbrennungsverfahren die Zukunft oder sehen Sie auch realistische Chancen für biologische Abfallaufbereitung, z.B. anaerobe Verarbeitung von Speiseresten (Biogaserzeugung)?

Deerberg: In den nächsten zehn Jahren wird die Verbrennungstechnologie aus meiner Sicht noch Standard bleiben. Es muss dabei sicherlich nur mit mehr Einschränkungen, was den Betrieb angeht, gerechnet werden. Plasma oder Gasifizierung wurden schon getestet, haben sich aber insgesamt nicht durchsetzen können. Hinsichtlich der biologischen Verarbeitung von Speiseresten gibt es verschiedene Testinstallationen. Eine Biogaserzeugung an Bord sehe ich im Moment nicht.

Wie entwickelt sich der weltweite Wettbewerb für hochwertige Waste-Management-Systeme?

Deerberg: Es wird verschiedentlich an Einzellösungen für spezielle Teillösungen gearbeitet. Die Wettbewerbssituation ist noch überschaubar und spielt sich hauptsächlich in Europa ab.

Gibt es asiatische Anbieter vergleichbaren Standards?

Deerberg: Nein.

Erfahren Produkte mit dem Siegel »made in Germany« in Zeiten verstärkter Umweltregularien noch stärkeren Zulauf als früher?

Deerberg: Grundsätzlich sicherlich ja, aber die Zeiten, in denen sich das auch in den Verkaufspreisen niedergeschlagen hat, sind lange vorbei.

Hängt der Einsatz von Umwelttechniken auf Schiffen stark von der Zielgruppenorientierung oder der regionalen Ausrichtung ab?

Deerberg: Bei den Reedern, mit denen wir zusammenarbeiten, können wir das so nicht feststellen. Allgemein ist sicherlich das Fahrtgebiet maßgeblich: Je höher die Auflagen in den Gebieten, die angelaufen werden sollen, desto höher ist der allgemeine Umweltstandard auf dem Schiff.

Wie hat sich die Sensibilität der Kreuzfahrtgäste hinsichtlich des Themas Umweltschutz verändert – und inwieweit deren eigene Verhaltensweisen und Erwar­t­ungen an die Reedereien?

Deerberg: Ich denke, die Gäste sind in den vergangenen 30 Jahren erheblich sensibler geworden. Die Reeder wissen, wie wichtig den Passagieren heutzutage der Umweltschutz ist. Es gibt auf vielen Schiffen umfassende Informationen zu dem Thema und was das Schiff bzw. der Reeder aktiv dazu beiträgt. Nachhaltigkeitsberichte geben z.B. umfassend Auskunft darüber, wie ernst die Reederei das Thema nimmt. Aida übernimmt hier mit dem aktuellen Umweltbericht eine Vorreiterrolle.

Michael vom Baur, Nikos Späth