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Beim Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland setzen die Norddeutschen Seekabelwerke Maßstäbe: Fünf Großaufträge haben sie unlängst verbucht – ein Ende der Auftragswelle ist nicht in Sicht.

Bei den jüngsten Vertragsabschlüssen zur Produktion und Installation von Kabeln für deutsche Offshore-Windparks haben die Norddeutschen Seekabelwerke (NSW) aus[ds_preview] Nordenham die Nase zumeist vor ihrer inländischen Konkurrenz. Das beweisen sie mit den anstehenden Innerparkverkabelungen von »Borkum West II«, »Global Tech I« und »Meerwind« in der Nordsee, und ferner den Netzanbindungen von »Baltic 2« (Ostsee) sowie »MEG 1« (Nordsee). Die beiden letztgenannten Auf­träge markieren den Einstieg in die Produktion von Hochspannungs­see­kabeln.

Mit »Alpha Ventus« und »Rødsand II« (Dänemark) sind darüber hinaus bereits zwei Projekte abgeschlossen, für »BARD Offshore 1« sind derzeit noch Restarbeiten zu erledigen. So überrascht es nicht, dass dieser Geschäftsbereich mittlerweile einen Anteil von rund 30 % am Gesamtumsatz von NSW ausmacht – Tendenz steigend. Allerdings verfolge man eine »Taktik der Verteilung«, wie Rudolf Stahl, Vorsitzender der Geschäftsführung, betont: »Wir sind ein projektgetriebenes Unternehmen und damit starken Schwankungen unterworfen. Unser Versuch ist darum ganz klar, eine breite Verteilung auf mehrere Schultern und mehrere Produktgruppen zu haben, um den Umsatz möglichst stabil zu halten.«

Vom Krisentief ins Auftragshoch

Noch im vergangenen Jahr war der Pro­du­zent von Telekommunikations-, Energiesee-, Offshore- und Luftkabeln sowie Kunststoffprodukten von der Wirtschaftskrise getroffen worden: Der Umsatz war innerhalb von zwölf Monaten um rund 20 % eingebrochen. Jetzt geht es wieder aufwärts, und das nicht zuletzt wegen des Fahrt aufnehmenden Ausbaus der Offshore-Windenergie. In den NSW-Auftragsbüchern machen sich die in diesem Geschäftsfeld abgeschlossenen Verträge bis 2014 mit einem Gesamtvolumen von mehr als 300 Mio. € deutlich bemerkbar.

In der 112-jährigen Firmengeschichte habe es bisher erst einmal einen ähnlich hohen Auftragsbestand gegeben, erläutert Stahl. »Das gibt uns natürlich eine gewisse Planungssicherheit und auch die Mittel, weitere Maßnahmen einzuleiten, um ein guter Player in diesem Business zu sein.« Potenzielle Auftraggeber sehe man grundsätzlich weltweit, wenngleich man bemüht sei, zunächst den deutschen Markt zu bedienen. »Mit unserer Lage am Ausgang der Weser haben wir dafür eine Toplocation«, meint der Geschäftsführer, »und das wollen wir gerne ausnutzen.«

Neben einer modernen Produktionshalle für Energieseekabel, in der laut Stahl die weltweit größte Kabelverseilmaschine ihrer Art steht, hat NSW mit einer eigenen Pier ein weiteres Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt der deutschen Kabelhersteller. »Wir können die Kabel schnell ein- und ausladen und sind dadurch in der Lage, flexibel auf Wetterlagen zu reagieren: Das hat einen wesentlichen Anteil am Erfolg, den wir im Moment haben.« Mit der »Nostag 10« verfügt das Unternehmen, das zusätzlich zur reinen Fertigung auch die Lieferung und die Installation zu seinem Produktportfolio zählt, zudem seit gut zwei Jahren über eine eigene Kabellege-Barge. Und diese Barge, an der neben NSW auch zwei Partnerunternehmen aus der Region beteiligt sind, hat einiges zu tragen: Während die Mittelspannungskabel, die bei der Innerparkverkabelung zum Einsatz kommen, rund 20 kg pro Meter wiegen, bringen die zum Netzanschluss benötigten Hochspannungskabel das Sechsfache auf die Waage. Bei einer Kabellänge von bis zu 20 km am Stück wiegt eine einzige Kabelrolle so bis zu 2.400 t. »Damit ist das Handling dieser Produkte extrem aufwendig«, macht Stahl deutlich. »Da sind große unterstützende Maßnahmen nötig – händisch können Sie bei diesen Kabeln nichts mehr auswirken, das geht dann in die Logistik.« Für die Hochspannungskabel müsse die Produktionsstätte mit großen Turntabels, also Drehscheiben, ausgestattet sein, um sie überhaupt bewegen zu können.

Der Produktionsablauf selbst verläuft in mehreren Schritten. Zunächst werden die drei Einzelleiter extrudiert, das heißt mit Kunststoff isoliert, bevor der äußere Schutz angebracht wird. Während ein Leiter für ein Mittelspannungskabel im Querschnitt mit 1,2 cm2 etwa so dick wie ein Daumen ist, hat einer für ein Hochspannungskabel bereits eine Fläche von 12 cm2. Anschließend werden die Einzelleiter für den Strom zusammen mit einem Glasfaserkabel für die spätere Fernsteuerung sowie mehreren Kunststoffsträngen, die die Hohlräume ausfüllen, in der 50 m langen Verseilmaschine zusammengeführt. Dieser am Ende mehrere Kilometer lange Strang wird draußen vor der Produktionshalle auf einen ersten Turntable aufgewickelt und durchläuft von dort die Armierungsmaschine, wo er zum Schutz vor äußeren Beschädigungen mit Stahldraht umwickelt wird. In einem letzten Arbeitsschritt wird das Kabel mit schwarzem Kunststoffgarn ummantelt und zur Zwischenlagerung beziehungsweise späteren Verschiffung auf einen zweiten Turntable aufgewickelt. Das Besondere an der Verseilmaschine ist neben ihrer Größe die Tatsache, dass sie multifunktional ist, das heißt Kabel mit vielen Elementen verseilen kann. »Damit ist sie in der Lage, auch Anforderungen aus dem Öl- und Gasbereich nach einer höheren Anzahl von Adern zu bewältigen«, erläutert Stahl mit Blick auf ein weiteres Geschäftsfeld, in dem NSW künftig noch intensiver als bisher aktiv werden möchte.

Ziel ist es, Öl- und Gasplattformen beziehungsweise Anlagen auf dem Meeresgrund in Zukunft mit Hilfe einer entsprechenden Verkabelung ferngesteuert und damit unbemannt betreiben zu können. Schon jetzt ist aus Sicht des Geschäftsführers die strategische Neuausrichtung »von einer reinen Telekommunikationsfirma zu einer Mischfirma mit Schwerpunkt Power« auf einem guten Weg. Lediglich eine Neuerung in der Produktpalette peilt das Unternehmen derzeit noch an: Werden bisher im Bereich der Energieseekabel ausschließlich Wechselstromkabel gefertigt, sollen perspektivisch auch die bei längeren Distanzen verwendeten Gleichstromkabel hinzukommen. Stahl: »Aufgrund der Menge an Windparks in Nordsee, Ostsee und Irischer See besteht ein unglaublich hoher Bedarf an Vernetzung untereinander.«


Anne-Katrin Wehrmann