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Trends und technische Lösungen für die Sicherheit auf See wurden auf der Fachtagung »Security on Ships« in Hamburg diskutiert. Im Mittelpunkt stand einmal mehr die – waffenlose – Piratenabwehr.

Der Ton ist laut und schrill, er bleibt selbst aus einiger Entfernung noch unange­nehm, sogar dann, wenn man den[ds_preview] Raum der Versuchsanordnung verlässt. Mit professionellen Ohrschützern allerdings kann man sich dem Gerät nähern: Der Ton ist dann zwar gedämpft, aber immer noch unangenehm und führt mit der Zeit zu Schwindel­gefühlen. Wer im Wirkungsbereich des Horns steht kann sich nicht mehr mit anderen verständigen, die eigene Konzentration lässt nach. Das sind schlechte Voraussetzungen, um ein Schiff zu kapern.

Benannt wurde das Lärm erzeugende Gerät nach seinem Erfinder Prof. Joachim Herbertz, einem deutschen Akustiker. Es funktioniert wie eine Pfeife und benötigt Druck­luft, um zu wirken. Damit ein Schiff von allen Seiten gegen Piraterieangriffe geschützt werden kann, müssen mehrere solcher Geräte an der Reling entlang rund um das Schiff installiert werden. Der Ton mit der Frequenz von 1,5 kHz wird mit mehr als 160 dB abgestrahlt – das ist nach Angaben des Herstellers, der Sonic Defense Systems in Kassel, 130-mal lauter als eine Feuersirene.

Vorgestellt wurde das Gerät während der ersten Fachtagung »Security on Ships« Mitte September, die der Hamburger Bezirksverein des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) in Zusammenarbeit mit dem Germanischen Lloyd und der Werft Blohm + Voss auf deren Gelände auf dem Steinwerder ausrichtete. Das Ziel der Veranstaltung, an der mehr als 90 Vertreter aus Reedereien, von Behörden, Schiffbau-Zulieferern und mehreren Werften teilnahmen, war es, das Fachwissen all jener Unternehmen darzustellen, die sich mit dem Schutz von Yachten und Frachtschiffen beschäftigen.

Michael Voß, Vizepräsident des Bereiches Engineering bei Blohm + Voss, verdeutlichte, wie wichtig es ist, schon in der Bauphase an die Sicherheit zu denken, da jeder spätere Einbau wesentlich aufwendiger sei. Bei der Planung müsse man bereits heute daran denken, welche Sicherheitsmaßnahmen möglicherweise fünf Jahre nach der Ablieferung notwendig und wünschenswert sein könnten.

Warnungen in mehreren Sprachen

Während der Tagung stellten Unternehmen Geräte zum waffenlosen Schutz von Schiffen vor. Dazu gehört das Long Range Acoustic Device (LRAD), das lange fälschlich als Schallkanone bezeichnet wurde. Dabei handelt es sich um einen überdimensionalen Lautsprecher, mit dessen Hilfe Boote über mehrere hundert Meter Entfernung angesprochen und aufgefordert werden können, ihren Kurs zu ändern und Abstand zu halten. Das funktioniert auch über Sprachbarrieren hinweg. Denn an der Rückseite des Gerätes gibt es einen Schlitz für Speicherkarten, auf denen derartige Aufforderungen in mehreren Sprachen gespeichert sind. Nähert sich jemand trotz aller Aufforderungen abzudrehen, sendet das LRAD einen 150 dB lauten pulsierenden Ton, der Schmerzen in den Ohren verur­sacht und so ein Entern des angegriffenen Schiffes verhindern soll. Ein LRAD vertrieb nach Angaben der Reederei im November 2005 Piraten, die das Kreuzfahrtschiff »Seabourn Spirit« angriffen.

Andere Konzepte setzen darauf, Annäherungen möglichst frühzeitig zu erkennen. Je früher angreifende Piraten erkannt werden, desto mehr Zeit verbleibt, um Gegenmaßnahmen zu treffen. Nach den Erfahrungen einiger Tagungsteilnehmer reicht es oft schon aus, den eigenen Kurs zu ändern und vor dem Piratenboot zu flüchten. Zwar seien deren Boote schneller, aber der Angriffsweg würde sich damit verlängern. Manche Boote ließen dann vom Angriff ab, wurde beobachtet. Wahrscheinlich hatten sie nicht ausreichend Treibstoff an Bord, um eine lange Verfolgungsfahrt mit hoher Geschwindigkeit durchzuhalten und im Falle eines Misserfolgs wieder zu ihrem Mutterschiff zurückzukehren.

Infrarotkameras beispielsweise erstellen selbst bei schlechter Sicht oder nachts gut auswertbare Bilder. Wärmebildkameras liefern sogar bei völliger Dunkelheit noch Informationen; besonders lebende Körper sind wegen der Temperatur, die sie abstrahlen, deutlich zu erkennen.

Kameras zur Früherkennung

Auf dem Markt werden mittlerweile Gehäuse angeboten, die mehrere Kameratypen miteinander kombinieren und sich so für alle Umgebungsbedingungen eignen. So gibt es Modelle, die automatisch Bewegungen in ihren Aufnahmebereichen wahrnehmen und bei Veränderung der Fahrtrichtung eines solchen Objektes Alarm auslösen. Solche Geräte reichen weiter, als das menschliche Auge selbst mit einem Fernglas erfassen kann. Außerdem ermüden sie nicht bei ständiger Beobachtung der immer gleichen, sich kaum verändernden Umgebung.

Ein besonders großes Feld deckt das Gerät Panomera der Firma Dallmeier ab. Es wurde entwickelt, um weitreichende Areale flächendeckend zu überwachen. Die maximale Auflösung der farbigen Bilder liegt bei 51 Megapixel. Aufgrund der Konstruktion können Objekte im vorderen Bildbereich ebenso deutlich dargestellt werden, wie weit entfernte Objekte. Für die Überwacher vor dem Bildschirm bedeutet dies, sie müssen nicht mehr wie bislang zwischen dem Nah- und dem Fernbereich hin- und herschalten, sondern können auf ein und derselben Darstellung auf einzelne Objekte zoomen und sie verfolgen.

Bei allen angebotenen Kamerasystemen können die Filme oder Bilder abgespeichert werden, um später vor Gericht verwertbare Unterlagen vorweise zu können. Sie können aber auch drahtlos übertragen werden, um der Reederei oder Einsatzkräften frühzeitig einen Eindruck von der Situation zu geben und Gegenmaßnahmen zu erleichtern.

Weiterentwicklung von Zitadellen

Eine ausführliche Diskussion gab es während der Tagung um die Einrichtung von Rückzugsräumen an Bord, die in den vergangenen Monaten zunehmend als Zitadellen oder Safe Rooms ins Gespräch gekommen sind. In solche Räume kann sich die Besatzung angegriffener Schiffe zurückziehen, damit sie nicht als Geisel genommen wird und militärische Einsatzkräfte die Piraten bekämpfen können, ohne die Besatzung zu gefährden.

Auch in diesem Fall ist es einfacher, einen solchen Sicherheitsraum bei einem Neubau von Beginn an einzuplanen, als später nachzurüsten. Wichtig ist für Reedereien dabei, diese Räume nicht auf allen ihren Schiffen an derselben Stelle einzubauen, denn das würde sie für die Angreifenden leichter auffindbar machen.

Technisch ist es heutzutage bereits möglich, aus einem solchen Raum weiterhin das gesamte Schiff zu steuern. Außerdem kann von dort aus das Geschehen an Bord über entsprechend verteilte Kameras überwacht werden. Auch diese Bilder lassen sich in die Reedereizentrale oder die Operationszentrale einer Marineeinheit übertragen. Darüber hinaus ist es möglich, eine Videokommunikation zu den Seeleuten in der Zitadelle aufzubauen, um mit ihnen Verhaltensweisen abzustimmen. Eine solche Kommunikation hat auf die Eingeschlossenen positive psychologische Auswirkungen.

Ein Thema war auch der Einsatz von Schusswaffen an Bord. Wie in der allgemeinen Diskussion der zurückliegenden Monate stand hier die Frage der rechtlichen Möglichkeiten und Vorschriften im Mittelpunkt. Die Frage, ob das Vorhandensein bewaffneter Teams an Bord nicht zu einer Eskalation von Gewalt beiträgt, wurde ebenso debattiert – ohne zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen.