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Ladungsunfälle aufgrund falsch deklarierter Containergewichte oder mangelhafter Stauung kosten Transportwirtschaft, Industrie und Versicherungen viel Geld. Die Linienreeder wollen den Austausch von Schadensdaten nun intensivieren.

Schon seit November letzten Jahres tauschen mehrere Containerlinien versuchsweise Schadensdaten aus. Das Cargo Incident Notification System (CINS), das Informationen zu[ds_preview] Unfällen und Beinahe­unfällen mit beladenen Containern an Bord von Schiffen bündelt, soll nun von der Pilotphase in den regulären Betrieb gehen und nach Möglichkeit auf den Großteil der Branche ausgeweitet werden. Das kündigten die beteiligten Reedereien (CMA CGM, Evergreen, Hapag-Lloyd, Maersk Line and Mediterranean Shipping Company) vor einigen Wochen an. Für den Betrieb und die Verwaltung des Systems ist die Container Owners Association (COA) in London zuständig.

Bei den Waren- und Schiffsversicherern, die in der Regel die Zeche für Schäden an Ladung und Schiff übernehmen, stößt der Vorstoß der Linienreeder auf Zuspruch. Die Initiative sei »grundsätzlich begrüßenswert«, sagte Sandra Eimanns, Pressereferentin der Zurich Gruppe Deutschland, die vor allem Warentransportrisiken deckt. »Wir sind gespannt, welche Ergebnisse sich daraus ergeben und ob sich auch aus Versicherersicht, im Rahmen des Risk Engineerings, Rückschlüsse zur Schadensprävention ableiten lassen.«

Nach Angaben des Bremer Assekuradeurs Lampe & Schwartze laufen auf der operativen Ebene bereits vielfältige Initiativen zur Verbesserung der Ladungssicherheit, die aber noch verstärkt werden müssten. So würden Reeder von den Verladern bei Steel-Coil-Transporten im Container bereits eine Art Entschädigungsgarantie (Letter of Indemnity) verlangen.

Risiken bei Stahl und Stammholz

Wegen der aufwendigen Maßnahmen zur Gewichtsverteilung gilt diese Art von Ladung und Verpackung als eher riskant. Wenn die Erklärung nicht unterzeichnet werde, bleibe die Ladung stehen. »Die Intention dahinter ist die bessere Sensibilisierung der Kunden für diese Problematik«, so der Teamleiter Transport-Schaden bei Lampe & Schwartze, Thomas Deerberg. Stammholz sei eine weitere Ware, die im Container erhöhten Stauungsaufwand erfordere, damit es nicht zu einer zu hohen Punktbelastung komme. »Jedoch sind die Einflussmöglichkeiten unserer Versicherungs-

nehmer als überseeische Einkäufer eher gering«, schränkt Deerberg ein. Denn bei den gängigen Lieferbedingungen (FOB) gehen Kosten und Gefahren der Ware erst bei Überschreiten der Schiffsreling auf den Käufer über. Dann wurde das Holz aber längst im Container gestaut.

Aufklärungsarbeit zum transportmäßigen Umgang mit der Ware gehörten bereits zum Alltag zwischen Transportversicherer und Verlader, so Deerberg. »Wie bisher gehen wir die Form von Verpackung und die Stauung mit dem Versicherungsnehmer durch und führen entsprechende Beratungsgespräche unter Zuhilfenahme von Spezialisten im Bereich von allgemeinen Gütern.« Gleichwohl verharre der Anteil der Schadensereignisse im Containertransport auf einem zu hohen Niveau. Die in den 80er Jahren geprägte Losung der Transportversicherer »70 % sind zu viel!« habe auch heute noch Gültigkeit, sagt Deer­berg. Bei vielen Versendern im Binnenland fehle nach wie vor das Verständnis für die Gefahren und Kräfte der See, moniert der Experte. Damit das CINS der Linienreeder zu echten Fortschritten in diesem Bereich führen kann, sollten entsprechende Daten und Erfahrungen mit allen Akteuren der Transportkette – vom Versender bis zum Stauer, Terminal etc. – geteilt werden.

Kaskoversicherer besorgt über Großschäden

Sven Gerhard, Chef-Underwriter Kasko bei der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) in Hamburg, beurteilt CINS auch aus Sicht der Schiffsversicherer, die Kasko- und Maschinenschäden decken, als »gut und unterstützenswert«. Er macht jedoch keinen Hehl daraus, dass er es für höchste Zeit erachtet, dass sich Linienreeder dem Thema verstärkt annehmen. Denn die Schäden an der Ladung in Folge mangelhafter Stauung oder falsch deklarierter Gewichte sind nur die eine Seite der Medaille. Diese werden durch die Warentransportversicherer und die P&I Clubs der Reeder bzw. Charterer ersetzt. In vielen Fällen führen Probleme mit einzelnen Containern bei Abfertigung oder Transport aber zu erheblich größeren Folgeschäden am Schiff – bis hin zum Totalverlust. Dann müssen die Kaskoversicherer in die Bresche springen. So geschehen 2002, als das nagelneue Containerschiff »Hanjin Pennsylvania« aufgrund falsch deklarierter Gefahrgutladung in Flammen aufging.

Derzeit beschäftigt wieder ein ähnlich gelagerter Fall die Versicherer: der Untergang des deutschen Container-Feederschiffs »Deneb« an der Pier des Maersk-Container-Terminals im südspanischen Algeciras Anfang Juni. Falsche Gewichtsangaben für zu verladende Container gelten als eine der möglichen Unfallursachen. »Wenn wir im Kaskobereich durch Fehldeklaration von Ladung betroffen sind, werden wir das Thema Regress künftig schärfer angehen als in der Vergangenheit«, kündigt Gerhard an. Das könnte bedeuten, dass der Schiffsversicherer Schadensersatz vom Befrachter/Linienreeder einfordert, der wiederum versuchen müsste, bei einzelnen Verladern in Regress zu gehen.
Michael Hollmann