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Die sechs Schiffe lösen die vor 30 Jahren gebauten sogenannten Norwegerboote ab. Betrieb und Unterhaltung obliegen dem Lotsbetriebsverein, Außenstelle Kiel.

Am 10. August 2011 wurden in Kiel-Holtenau die ersten vier der sechs in Schweden gebauten Lotsenversetzboote getauft und feierlich[ds_preview] in Dienst gestellt. Ihre Namen lauten »Schilksee«, »Holtenau«, »Laboe« und »Travemünde«. Als Taufpatinnen fungierten Dr. Cordelia Andreßen, Cathy Kietzer, Gabriele Schopenhauer und Karin Nickenig. Die Fahrzeuge werden von der Lotsenbrüderschaft NOKII / Kiel / Lübeck / Flensburg für den Lotsenversetzbetrieb in der Kieler Förde und in der Lübecker Bucht eingesetzt. Betrieben und unterhalten werden sie vom Lotsbetriebs­verein, Außenstelle Kiel, der diese Aufgabe von der Bundeslotsenkammer übertragen bekommen hat.

Der Auftrag für die sechs neuen Lotsenversetzschiffe wurde nach Durchführung des EU-weiten »Offenen Verfahrens« am 15. Januar 2010 durch die Fachstelle Maschinenwesen Nord (FMN Rendsburg) an die Werft Dockstavarvet AB im schwedischen Docksta erteilt. Die FMN Rendsburg ist als technische Fachdienststelle im Zuständigkeitsbereich der Wasser- und Schifffahrtdirektionen Nord und Nordwest mit besonderen Ingenieuraufgaben, wie der Planung, Entwurf und Abwicklung von Schiffsneubauten – insbesondere von Spezial- oder Behördenschiffen –, beauftragt.

Konzeption, Entwurf und Bauausführung

Die Aufgabe des Lotsenversetzdienstes im Bereich der Kieler Förde und Lübecker Bucht begründete die besonderen Anforderungen an die Neubauten bezüglich Geschwindigkeit, Robustheit, Durchkenterbarkeit und die Seegangseigenschaften in den entsprechenden Fahrtgebieten der Ostsee. In der Fahrzeugkonzeption wurden daher die Anforderungen des Lotsversetzbetriebes ebenso berücksichtigt wie die Zielsetzung eines sehr guten Seegangs- und Manövrierverhaltens bei einem wirtschaftlichen Betrieb der Fahrzeuge. Die Boote sind komplett aus seewasserbeständigem Aluminium gefertigt, sie bieten Platz für bis zu sieben Lotsen und erreichen eine Geschwindigkeit von 20 kn. Für den Entwurf des Schiffskörpers waren die vorgegebene hohe Einsatzgeschwindigkeit, die hohe Versetzgeschwindigkeit und das Vermögen der Boote zur Selbstaufrichtung aus jeder Lage maßgebend. Mit einer Schiffslänge von 16,80 m, einer Schiffsbreite von 5,90 m und ei­nem maximalen Tiefgang von 1,55 m wurden die wesentlichen Parameter festgelegt. Die Fahrzeuge sind entsprechend nach Vorschrift und unter Aufsicht des Germanischen Lloyd mit dem Klassenzeichen GL • 100 A5 (III) und für die Maschinenanlage GL • MC Y AUT gebaut worden.

Die Fahrzeuge besitzen ein durchlaufendes Hauptdeck. Diese sind mit vier Transportaugen versehen, die es ermöglichen, die Schiffe mittels Mobilkran aus dem Wasser zu nehmen. Beidseitig sind verschieb- und beheizbare Lotspodeste vorhanden, die ein bequemes Übersetzen der Lotsen bei einer signifikanten Wellenhöhe von 2,50 m und bis zu einer Geschwindigkeit von 14 kn – auch bei unterschiedlichen Übersteighöhen von Seite Deck bis zu 2 m über Wasserlinie – gewährleisten. Zur Umsetzung der besonderen Sicherheitsanforderungen wurden die Boote »selbstaufrichtend« konstruiert und gebaut, ein entsprechender Kenterversuch wurde im Dezember 2010 erfolgreich auf der Werft durchgeführt.

Die Aufbauten sind schwing­elastisch aufgestellt, um Vibration und Lärm zu verringern. Das Ruderhaus ist neben dem Fahrstand mit dem notwendigen Zubehör für die Unterbringung von zwei Mann Besatzung und mit sicheren Sitzplätzen für bis zu sieben Lotsen eingerichtet. Während des gesamten Fahr- und Manövrierbetriebs sowie des An- und Ablegens an den jeweiligen Versetzeinrichtungen und lotsenannahmepflichtigen Schiffen sind vom Fahrstand sehr gute Sichtverhältnisse auf alle entscheidenden Positionen gegeben. Eine auf das Achterdeck gerichtete Kamera optimiert die Sicht für den Schiffsführer beim Manövrieren.

Die Brücke besitzt einen zentralen Fahrstand mit separater Radar- und Seekartendarstellung. Dort sind alle für die Schiffsführung notwendigen steuerungs- und alarmrelevanten Anlagen zusammengeführt. Ein weiterer Sitzplatz für den Matrosen ist auf Backbord-Seite untergebracht. Der Lotsenarbeitsplatz mit eigener Seekarte / Radar befindet sich auf der Steuerbord-Seite. Im tiefer liegenden Lotsenraum sind sechs gefederte Lotsenstühle und diverse Schrank­räume eingerichtet. Ein WC-Raum befindet sich ebenfalls auf dieser Ebene. Eine achtern, auf Höhe der Wasserlinie fest installierte Rettungsplattform ermöglicht es, im Notfall Personen aus dem Wasser zu bergen.

Antriebsanlage und Energieversorgung

Der Antrieb erfolgt über zwei Volvo-Motoren (Typ D16) mit einer abgestimmten Leistungsabgabe von je 368 kW bei 1.800 U/min, die jeweils über ein TwinDisc-Getriebe (Typ MGX 5145 Quick Shift) auf vierflügelige Festpropeller arbeiten. Die Motoren und Getriebe werden durch Seewasser gekühlt. Die hydraulische Ruderanlage ist zur Erreichung optimaler Manövriereigenschaften ausgelegt. Neben Klima-, Frischwasser- und Fäkalienanlage ist eine Warmwasser-Heizungsanlage zur Beheizung der Innenräume, der Lotsenpodeste und der Handläufe vorhanden. Zur weiteren Energieeinsparung wird die Abwärme der Motoren ebenfalls für Heizzwecke genutzt.

Der Betrieb des 24-Volt-Bord- und Starternetzes wird jeweils mit entsprechend an die Hauptmotoren angehängte Drehstromlichtmaschinen sichergestellt. Ein Hilfsdieselaggregat (Fisher Panda) mit einer elektrischen Leistung von 10 kVA deckt die großen Verbraucher (Klimaanlage und Heizscheiben) ab. Die nautischen Geräte werden über einen Wechselrichter mit 230 V versorgt. Als Alarmsystem wurde eine Anlage der Firma Böning (Typ AHD 880 TC) eingebaut, diese dient gleichzeitig als Schaltanlage für die LED-Positionslaternen. Die Boote verfügen über einen 500 Watt starken Xenon-Suchscheinwerfer, darüber hinaus sind jeweils in der vorderen Schanz vier weitere Scheinwerfer fest installiert.

Die letzten beiden der sechs abzuliefernden Lotsenversetzboote befinden sich noch in der Fertigung und zur Endausrüstung auf der Bauwerft Dockstavarvet. Die Ablieferung dieser beiden Boote ist, nach entsprechend erfolgreicher Erprobung und Abnahme, bis Ende des Jahres 2011 vorgesehen.

Autoren:

BDir Peter Bielke, Dipl.-Ing. (FH)

Michael Joecks, Fachstelle Maschinenwesen Nord, Rendsburg


Peter Bielke, Michael Joecks