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Nach dem tiefen Fall der Zeitcharterraten für Panamax-Containerschiffe kommen auch die anderen Größenklassen verstärkt unter Druck. Etwas bessere Aussichten werden Frachtern mit Ladegeschirr eingeräumt.

In der Containerschiffs-Befrachtung werden Ängste vor einem Einsturz der Tages­raten wie im Jahr 2009 wach, nachdem einige Panamax[ds_preview]-Trampschiffe nur zu Tiefst­sätzen von rund 8.000 US$ an kurzfristige Beschäftigung gekommen sind. Der Ratenverfall wurde Ende September evident, als die Mediterran Shipping Company (MSC) – zweitgrößter Linienreeder nach Maersk – in kurzer Folge die Charterverträge für zwei 5.000-TEU-Schiffe (»Charlotte C. Rickmers« und »Jennifer Rickmers«) angeblich zu nur 8.700 US$ pro Tag verlängerte und noch ein drittes Schiff (»RHL Fiducia«) zu einem etwas niedrigeren Satz aus dem Markt nahm. Derselbe Carrier nahm kurz darauf auch die in Europa auf Spot-Position liegenden »HS Livingstone» (4.992 TEU) und »HS Beethoven» (4.389 TEU) für Einjahresperioden zu 8.000 US$ unter Vertrag, wie Makler berichteten. Das 4.800-TEU-Schiff »HLL Baltic« soll von Maersk anschließend nur noch 7.700 US$ pro Tag für zwei bis drei Monate erhalten haben. Der Einbruch folgt auf eine monatelange Pause von Tramp-Abschlüssen im Panamax-Segment, in der die Zahl der verfügbaren Charterschiffe schleichend weiter anstieg. Allein in der Größenklasse um 4.250 TEU zählten Marktinsider Mitte Oktober noch ein gutes Dutzend Charterschiffe, deren Verträge in den kommenden drei Monaten auslaufen und für die noch keine Anschlussbeschäftigung gesichert war. Seit Juni waren fast nur noch Relets (Wei­tervermietungen) von Panamax-Typen durch die Linienreeder gemeldet worden, während die Tramp-Befrachtung in dem Segment weitgehend zum Erliegen kam. Grund dafür war die zunehmende Rationa­lisierung von Ost-West-Diensten, die sich aufgrund der extrem niedrigen Frachtraten mit vergleichsweise kleinen Schiffen nicht mehr wirtschaftlich betreiben ließen. Zudem drücken immer mehr ultragroße Neubauten in den Markt und verdrängen kleinere Schiffe auf den bestehenden Routen.

Kaskadeneffekt nimmt zu

Die Folge ist ein »Cascading«, bei dem alle Schiffstypen in ihren jeweiligen Marktsegmenten durch die nächst größere Klasse ersetzt werden: Ultragroße Typen ersetzen Postpanamax-Typen, Postpanamaxe verdrängen Panamaxe usw. So kommt es vor, dass einstige Mainliner mit Behälterkapazitäten von 4.500 bis 5.000 TEU sich auf einmal in Feeder-Relationen in Fernost oder der Ostsee wiederfinden – was bislang allerdings noch die Ausnahme ist. Derzeit herrscht das Problem, dass dieser Kaskaden­effekt in der Mitte abreißt und gerade Panamax-Schiffe nicht schnell genug alternative Beschäftigung in den kleineren Trades finden. Das kann mit Tiefgangsbeschränkungen in den jeweiligen Häfen, fehlendem Ladegeschirr oder einem zu geringen Ladungsaufkommen zusammenhängen. Die Folge ist ein temporäres Überangebot an Panamax-Schiffen und ein überproportionaler Rückgang der erzielbaren Tagesraten. Der Markt ist so aus den Fugen geraten, dass selbst mittelgroße Typen von rund 1.700 TEU Kapazität in aktuellen Abschlüssen höhere Erträge einfahren als knapp dreimal so große Frachter. Allerdings zieht die Ratenbaisse ausgehend vom Panamax-Segment immer größere Kreise. Zuletzt gerieten vor allem Einheiten mit Behälterkapazitäten von 3.000 bis 3.500 TEU, die nicht über Ladegeschirr verfügen, in den Abwärtsstrudel. So soll Hapag-Lloyd die 1998 gebaute »E.R. Melbourne« (3.359 TEU) im Mittelmeer zu 7.900 US$ pro Tag für drei bis vier Monate eingechartert haben, während sich Maersk in Nordasien die »Northern Diplomat« (3.534 TEU) zu angeblich nur 7.500 US$ für zwei bis drei Monate sichern konnte. Inwieweit solche Dumping-Raten, die meist nur für kurze Perioden gewährt wurden, tatsächlich repräsentativ für den Markt sind, wird in Maklerkreisen kontrovers diskutiert. Die am ConTex-Marktbarometer teilnehmenden Befrachtungshäuser setzen die Marktraten für längerfristige Perioden immer noch einige tausend Dollar höher an. Dabei wird offenbar die Erwartung auf eine Markterholung im kommenden Frühjahr mit eingepreist. Kritiker aus dem britischen Raum halten dagegen, dass die ConTex-Raten an der Realität vorbeigehen, weil die dort angesetzten Ein- und Zweijahresperioden derzeit gar nicht geschlossen werden.

Ausblick macht wenig Hoffnung

In den Größensegmenten zwischen 2.000 und 3.000 TEU befindet sich der Markt ebenfalls im Rückwärtsgang, vor allem für Schiffe mit einer Kapazität von 2.700 bis 2.800 TEU ohne Ladegeschirr. In Asien sind die Raten in mehreren Abschlüssen unter die 10.000-Dollar-Marke gerasselt, während die 2.500-TEU-Typen mit eigenen Kränen bis 11.500 US$ pro Tag durchsetzen konnten. Ladegeschirr gilt in der aktuellen Lage umso mehr als ein gewichtiges Differenzierungsmerkmal, als dass der Kaskadeneffekt vor allem durch Großtonnage ohne Kräne getrieben wird.

Die Vorgaben vom Frachtenmarkt verheißen für die kommenden Monate nichts Gutes. Zwar wächst das Ladungsaufkommen immer noch – anders als im Rezessionsjahr 2009 –, doch ist das Tempo deutlich gebremst. Clarksons rechnet dieses Jahr mit einem Plus von 8,7 % im globalen Containerverkehr. Auf den großen Ost-West-Routen, die das Hauptgeschäft der Carrier ausmachen, wird der Zuwachs der Prognose zufolge bei nur 5,7 % liegen. Die größte Seefrachtspedition Kühne + Nagel geht für die ersten neun Monate 2011 von einem Marktwachstum im Containerverkehr von nur 5 % aus.
Michael Hollmann