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Die wirtschaftlichen Chancen und besonderen Herausforderungen der Branche standen im Mittelpunkt einer Konferenz mit dem Titel »Partner der Energiewende – Maritime Wirtschaft und Offshore-Windenergie«.

Gemeinsam mit der Stiftung Offshore-Windenergie hatten gleich drei Bundesministerien zu der Veranstaltung Ende September in Berlin eingeladen: das Wirtschaftsministerium[ds_preview], das Umweltministerium und das Verkehrsministerium. Hans-Joachim Otto, Maritimer Koordinator der Bundesregierung, machte zu Beginn der Konferenz deutlich, dass die Bereiche Schiffbau und Schiffindustrie einerseits sowie Offshore-Windenergie anderseits künftig noch stärker miteinander vernetzt werden müssten. Der geplante Ausbau auf 25.000 Megawatt (MW) installierte Leistung bis 2030 biete erhebliche Wachstums­chancen und Marktpotenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Hierbei habe die Bundesregierung ein Kernanliegen: »Wir erwarten, dass ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung in Deutschland bleibt.« Mit den Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und dem KfW-Sonderprogramm zur Finanzierung der ersten Windparks auf hoher See seien dafür gute Voraussetzungen geschaffen worden.

Klare Regelung für verspäteten Netzanschluss fehlt

Von den bisherigen Erfahrungen seines Unternehmens mit der Offshore-Windenergie berichtete anschließend Stefan Thiele, Sprecher der Geschäftsführung der EnBW Erneuerbare Energien GmbH. Beim Bau von »EnBW Baltic 1« habe man den im Vorfeld aufgestellten Terminplan im Großen und Ganzen gut einhalten können, so Thiele: »Nur beim Netzanschluss hatten wir etwas Pech.« Widrige Bedingungen hätten dazu geführt, dass man letztlich mit einem halben Jahr Verspätung fertig geworden sei, wodurch dem Unternehmen finanzieller Schaden entstanden sei. Zwar seien im Rahmen der EEG-Novelle Verbesserungen festgelegt worden, was Netzunterbrechungen während der Betriebsphase angehe: Die Neuerungen würden jedoch nicht für bestehende Windparks gelten. Für den Fall eines verspäteten Netzanschlusses gebe es noch immer keine klare Regelung. »Da müssen noch Anpassungen erfolgen«, forderte der Sprecher der Geschäftsführung. Zugleich wies er darauf hin, dass es bei den relevanten Kabelherstellern Engpässe geben werde. Hier müsse man Lösungen finden, die über eine Verlängerung der Netzanbindungsfrist hinausgingen. Lobend erwähnte Thiele die Zusammenarbeit mit den Behörden, die bei den bisher genehmigten EnBW-Windparks sehr konstruktiv verlaufen sei. Er sehe allerdings dringenden Handlungsbedarf bei den Genehmigungsverfahren und den damit verbundenen Auflagen, die vereinfacht beziehungsweise standardisiert werden müssten. »Außerdem werden die entsprechenden Behörden mehr Mitarbeiter benötigen.«

Europaweite Harmonisierung bei Offshore-Bestimmungen vonnöten

Mit Blick auf die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen sei eine europaweite Harmonisierung der Sicherheitsbestimmungen dringend notwendig, betonte Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister. Für die Häfen an der Küste sei die Offshore-Windenergie eine »gigantische Zukunfts­chance«: Um hier die Kapazitäten optimal auszuschöpfen und die erforderlichen Investitionen sowohl in die Infrastruktur als auch in die Suprastruktur der Häfen zu ermöglichen, werde derzeit gemeinsam mit der Wirtschaft eine koordinierte Strategie zur Entwicklung der Offshore-Windparks erarbeitet. Ferlemann ließ keinen Zweifel daran, dass allein die Länder für den Ausbau der Häfen zuständig seien: »Der Bund kann dafür keine finanzielle Hilfe zusagen.«

Als Nadelöhr beschrieb Johannes Kindler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, die aktuelle Situation bei den Übertragungsnetzen. Der Netzausbau verlaufe eindeutig zu langsam, was unter anderem an mangelnder Akzeptanz und zu langen Planungs- und Genehmigungsverfahren liege. Zusammen mit den Übertragungsnetzbetreibern werde derzeit ein Zehnjahres-Netzentwicklungsplan erarbeitet, der 2012 der Bundesregierung als Entwurf für den »Bundesbedarfsplan Übertragungsnetze« vorgelegt werden solle. Sobald dieser vom Gesetzgeber verabschiedet sei, »muss und wird losgelegt werden«, so Kindler.

Beschleunigter Netzausbau dringend erforderlich

Der Ausbau der Netze müsse mit größtmöglicher Beschleunigung erfolgen, um mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Realisierung des europäischen Binnenmarktes Schritt zu halten. Bei der Offshore-Windenergie betrachtet Kindler mit Sorge, dass die vorgesehene Netzanbindungsfrist von 30 Monaten ab Genehmigung nicht eingehalten werde: »Entgegen früherer Aussagen benötigen die Hersteller der Netzanbindungssysteme im Moment 36 bis 45 Monate.« Der Eintritt weiterer Anbieter in den Markt sei daher wünschenswert. Trotz der Schwierigkeiten gehe die Bundesnetzagentur davon aus, dass bei entsprechenden Anstrengungen aller Beteiligten die Ausbauziele der Windenergie in Nord- und Ostsee erreicht werden könnten.

Katherina Reiche, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesumweltminister, ergänzte, dass die Erschließung der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) mit Stromkabeln raumordnerisch geplant werde. Hierfür entwickle das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mit Unterstützung des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums einen Offshore-Netzplan. Die Arbeitsgruppe sei auch auf der Suche nach Lösungen für die geschilderte Netzanbindungsproblematik. In Zusammenarbeit der drei beteiligten Ministerien werde darüber hinaus der »Fortschrittsbericht Offshore-Windenergie« erarbeitet, der Bedarf, Chancen und Potenziale für Häfen und Schiffe zusammentrage. Der Bericht solle Hemmnisse für Werften und für den Ausbau der Häfen aufzeigen sowie Maßnahmen vorschlagen, damit geeignete Kapazitäten rechtzeitig verfügbar seien. Die Veröffentlichung sei für Mitte 2012 ge­plant.

Deutschlands neue Energiepolitik auf dem Prüfstand

Jörg Kuhbier als letzter Redner des Eingangsplenums machte schließlich deutlich, dass die Welt auf Deutschland und dessen neue Energiepolitik blicke. »Um ein Scheitern zu verhindern, ist ein gemeinsames Handeln aller notwendig«, betonte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Offshore-Windenergie. Er erinnerte daran, dass dies schon vor zwei Jahren bei der 6. Maritimen Konferenz in Rostock ein Thema gewesen sei: Damals sei die mangelnde Vernetzung der maritimen Wirtschaft mit der Offshore-Branche beklagt worden, woraufhin sich ein ständiger gemeinsamer Arbeitskreis mit den drei Fachgruppen »Häfen und Investoren«, »Internationale Vorschriften und Normung« sowie »Aus- und Weiterbildung« gegründet habe. Aus der bisherigen Arbeit der Fachgruppen hätten sich auch die Themen für die Workshops des Tages ergeben.

In den darauffolgenden vier Workshops ging es um das Angebot und den Bedarf an Hafenkapazitäten, um praxisgerechte Vorschriften und Normen für Bau und Betrieb von Spezialschiffen, um Werften und Reeder als Partner zur Umsetzung der Energiewende durch Offshore-Windenergie sowie um Wertschöpfung durch Produktion und Innovation.

Mehrfach kritisiert wurde im Hafenworkshop die Aussage Enak Ferlemanns, dass sich der Bund nicht an den Ausbaukosten beteiligen werde. Die Energiewende sei eine nationale Aufgabe, hieß es, und damit sei auch der Bund in der Verantwortung. Zwar seien die aktuellen Projekte noch zu stemmen, was die Kapazität der Häfen angehe: Um die gesetzten Ziele zu erreichen, müsse allerdings zwingend in die Infrastruktur sowohl von Basis- als auch von Service-, Wartungs- und Zulieferhäfen investiert werden. Dafür müsse die Bundesregierung ein Ausbauprogramm auflegen.

Neubaustandards für Offshore-Spezialschiffe benötigt

Im Workshop »Vorschriften und Normen« wurde hervorgehoben, dass Produktion, Wartung, Reparatur und Umbau von Offshore-Spezialschiffen zu einem wichtigen Standbein der deutschen Schiffbauindustrie werden können. Allerdings wurden noch deutliche Regelungslücken bei den neuen Schiffstypen identifiziert. Dies habe bereits zu Sicherheitslücken und Wettbewerbsverzerrungen geführt, berichteten die Podiumsteilnehmer. Es wurde Übereinstimmung mit dem Verkehrsministerium und dem BSH erzielt, dass man sich bei der Weltschifffahrtsorganisation IMO für die Schaffung eines Neubaustandards für Errichterschiffe und Servicefahrzeuge einsetzen wolle. Als Grundlage sollen die Ergebnisse dienen, die in der Fachgruppe »Internationale Vorschriften und Normung« erarbeitet worden sind. Demnach wird es Kernstück einer praxisgerechten Vorschriftenentwicklung sein, das zusätzliche und nicht seemännische Personal an Bord als »Spezialpersonal« auf Errichterschiffen beziehungsweise als »Offshore-Personal« an Bord von Servicefahrzeugen einzuordnen. Für laufende Projekte wird angestrebt, in Abstimmung mit den Anrainerstaaten einheitliche Übergangsbestimmungen zu entwickeln.

Kommunikationsproblem zwischen Betreibern und deutschen Werften?

Wie kann es gelingen, dass möglichst viele Aufträge für Werften und Reeder in Deutschland bleiben? Diese Frage stand im Mittelpunkt des dritten Workshops. Dabei wurde kritisiert, dass die Windparkbetreiber ihre Schiffe bislang im Ausland eingekauft hätten. Die Werften seien hierzulande eben spät in den Markt eingetreten und würden in der technischen Entwicklung noch hinterherhinken, hieß es von Betreiberseite. Damit zeigte sich der Maritime Koordinator nicht einverstanden: »Aus meiner Sicht zeichnet die deutschen Werften gerade ihre hohe Qualität und Innovationsfähigkeit aus«, betonte Hans-Joachim Otto bei der anschließenden Zusammenfassung der Ergebnisse im Plenum. Hier bestehe auf jeden Fall dringender Handlungsbedarf: Entweder gebe es tatsächlich Kompetenzprobleme bei den Werften, dann müssten diese schnellstens behoben werden. Oder es gebe diese Kompetenzprobleme nicht, wovon er überzeugt sei: »Dann haben wir ein Kommunikationsproblem, das auch dringend gelöst werden muss.«

Mehr Einigkeit bestand darin, dass die Schiffsfinanzierung derzeit ein großes Problem sei. Erneut wurde gefordert, dass die Bundesregierung ein Finanzierungsprogramm für Spezialschiffe und Plattformen in Analogie zum KfW-Sonderprogramm für die Windparks auflegen solle. Otto kündigte an, einen Runden Tisch zu diesem Thema veranstalten zu wollen.

Produktionsprozesse werden zunehmend industrialisiert

Der vierte Workshop zeigte schließlich den aktuellen Stand, die Potenziale und die Herausforderungen des Ausbaus der Offshore-Windenergie auf. Die Diskussion machte deutlich, dass eine Industrialisierung der Produktionsprozesse, insbesondere ein Übergang zur Serienproduktion, zunehmend Bedeutung bekommen werde – um die Effizienz zu steigern und um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Als weitere wichtige Herausforderungen wurden unter anderem der Fachkräftemangel, die Umweltverträglichkeit von Offshore-Windenergieanlagen sowie der Forschungs- und Entwicklungsbedarf benannt. Otto hielt zum Abschluss der Konferenz fest, dass Deutschland tatsächlich spät in den Markt eingestiegen sei – was deutlich mit der Tatsache kontrastiere, dass der Offshore-Windenergie eine herausragende Rolle bei der Energiewende zugewiesen worden sei. »Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es schneller gehen muss und dass Veranstaltungen wie diese dringend nötig sind.«


Anne-Katrin Wehrmann