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Stellungnahme des Deutschen Nautischen Vereins zu den Störungen der Schifffahrt auf dem Nord-Ostsee-Kanal und möglichen Folgen, wenn nicht bald gehandelt wird

Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) ist mit seinen 43.000 Schiffsbewegungen p. a. die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt und für[ds_preview] die Häfen an der gesamten deutschen Nord- und Ostseeküste die wichtigste schiffbare Hinterlandanbindung. Die deutsche Seehafenverkehrswirtschaft betont, dass der Zeitvorteil einer Passage durch den NOK verbunden mit einem Entfernungsvorteil entscheidende Faktoren für die Hafenwahl sind. Die Abkürzung durch den NOK ist ein wichtiger Bestandteil der seewärtigen Zufahrten für alle deutschen Nordseehäfen. Durch einen voll funktionsfähigen NOK wird die Konkurrenzfähigkeit der Seehäfen für die exportorientierte deutsche Industrie sichergestellt.

Etwa 100 Mio. t an Gütern werden jedes Jahr über diesen Seeweg transportiert. Damit trägt der NOK zu einer maßgeblichen Entlastung des Autobahn- und Fernstraßennetzes in Norddeutschland bei. »Langzeitprognosen gehen davon aus, dass das Güterverkehrsaufkommen in den deutschen Seehäfen bis 2025 auf das Zweieinhalbfache der gegenwärtigen Umschlagsmenge steigen wird. Das dadurch zu erwartende dynamische Wachstum der Seehafenhinterlandverkehre erfordert vor allem den zügigen Ausbau einer leistungsfähigen, bedarfsgerechten Verkehrsinfrastruktur«, heißt es im zweiten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland (13.04.2011, Deutscher Bundestag Drucksache 17/5572, S. 3). Eine solche Steigerung des Güterverkehrsaufkommens ist nur mit einem funktionstüchtigen NOK zu bewältigen.

Die von der Seeschifffahrt benutzten beiden großen Schleusen in Brunsbüttel laufen zurzeit in einem Notbetrieb. Der Betrieb der Schleusen in diesem Notmodus kann nur noch für eine begrenzte Zeit gewährleistet werden, schon jetzt kommt es zu erheblichen Ausfallzeiten: 2008 = 32 Tage, 2009 = 41 Tage, 2010 = 114 Tage, in den ersten acht Monaten 2011 = 51 Tage.

Beide großen Schleusen müssen jeweils einer zweijährigen Grundsanierung unterzogen werden. Als Voraussetzung, um den Schiffsverkehr auf dem NOK aufrechterhalten zu können, ist der Bau einer dritten großen Schleusenkammer geplant worden. Obwohl das Baurecht für diese Schleuse in Form eines gültigen Planfeststellungsbeschlusses vorliegt, sind zurzeit keine Gelder für den immer dringlicher werdenden Bau der dritten großen Schleusenkammer freigegeben.

Ganz Norddeutschland steht hinter diesem Verkehrsprojekt und fordert die Baumaßnahme, angefangen von den norddeutschen Bundesländern, über die Wirtschaft mit den Verbänden und den Kammern bis zu den betroffenen Landkreisen und nicht zuletzt der ansässigen Bevölkerung. Direkt und indirekt hängen mehr als 100.000 Arbeitsplätze von einem funktionsfähigen NOK ab, die bei einer Unterlassung dieser existentiellen Baumaßnahme stark gefährdet sind. Der Deutsche Nautische Verein (DNV) stellt fest, dass

• eine Grundsanierung der alten großen Schleusen, ohne Entlastungsneubau einer dritten großen Schleusenkammer, die Gefahr eines totalen Verkehrsinfarkts für den NOK einschließt; auf jeden Fall sind völlig unzumutbare Behinderungen und Wartezeiten für den Schiffsverkehr zu befürchten;

• Störungen des Seeverkehrsweges NOK Verlagerungen von Güterströmen »from sea to road« in das verstopfte Straßenverkehrssystem zur Folge haben werden;

• als Folge von Störungen und Totalausfällen der Schleusenanlagen Verkehre in andere Häfen wie Antwerpen, Rotterdam, Göteborg und Aarhus abwandern und dadurch zusätzliche Transitverkehre auf den Straßen durch Deutschland verursachen werden;

• einmal abgewanderte Verkehre für den NOK unwiederbringlich verloren sind, da Zuverlässigkeit und Zukunftsfähigkeit der Verkehrswege für die Logistikbranche unverzichtbare Entscheidungskriterien sind;

• sich durch die längeren Schiffsbetriebszeiten und Seestrecken (via Skagen) sowie die zusätzlichen Straßenverkehre die Emissionen (z.B. CO2, NOX und SO2) für den Gütertransport extrem erhöhen werden.

Vor diesem Hintergrund hält es der DNV für dringend geboten, dass

• die notwendigen Haushaltsmittel für den Bau einer dritten großen Schleusenkammer in Brunsbüttel in den Bundeshaushalt ab 2012 eingestellt werden;

• mit dem Bau der dritten großen Schleusenkammer in Brunsbüttel ohne weitere Verzögerung begonnen wird;

• mögliche EU-Fördermittel für diesen von der EU hochpriorisierten, wichtigen europäischen Transitverkehrsweg von der Bundesregierung konsequent erschlossen werden.

Zur Sicherung der verkehrlichen Leistungsfähigkeit und zur Verhinderung von tage- oder gar wochenlangen Totalausfällen des NOK ist die Ersatzinvestition in eine dritten große Schleusenkammer in Brunsbüttel als »Bypass« zwingend erforderlich!