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Den Ersatzneubau der Niedernfelder und Müggenburger Brücken

Lage und Bedeutung

Das Veddeler Wasserstraßenkreuz nimmt im Hamburger Hafen eine zentrale Lage ein. Eine Vielzahl von Brücken[ds_preview] für den Straßen-, den Fernbahn-, den Hafenbahn- sowie den S-Bahn-Verkehr verlaufen hier auf engstem Raum. Sechs dieser Brückenbauwerke mussten altersbedingt bis Mitte 2011 erneuert werden. Hierbei handelt es sich um zwei Hafenbahn- und zwei Straßenbrücken über die Niedernfelder Durchfahrt sowie zwei Hafenbahnbrücken über die Müggenburger Durchfahrt.

Die Hafenbahnbrücken übernehmen den gesamten Eisenbahnverkehr zwischen dem Hafenbahnhof Hamburg Süd und den südlichen Richtungen mit einem jährlichen Verkehrsaufkommen von rund 15 % des gesamten Hafenbahnaufkommens. Dies entspricht etwa 45 Zügen täglich, bei steigender Tendenz. Die beiden Straßenbrücken über die Niedernfelder Durchfahrt verbinden den Veddeler Damm mit den westlichen Hafengebieten im Zuge der Haupthafenroute. Sie werden täglich von rund 25.000 Kfz überquert, wobei der Schwerlastanteil überdurchschnittlich hoch ist.

Bedarf

Aufgrund des hohen Brückenalters von 100 Jahren waren sowohl die Stahlüberbauten als auch die Gründungskonstruktionen so marode, dass die vorhandenen Brücken nur noch eingeschränkt befahrbar waren. Infolge des prognostizierten Hafenwachstums mit den stetig steigenden Umschlagzahlen würden die Brücken den zukünftigen Verkehrs- und Lastanforderungen nicht mehr genügen.

Im Rahmen der Entwurfsplanung wurden unterschiedliche Varianten untersucht. Dabei wurden neben dem Neubau auch eine Sanierung sowie ein vollständiger Ersatz der Brücken durch Dämme in Betracht gezogen. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile fiel die Entscheidung für einen Brückenneubau, bei dem die lichte Durchfahrtsbreite zwar verringert wird, die Nutzung der Durchfahrt für die Binnenschifffahrt aber uneingeschränkt erhalten bleibt.

Der Schienen- und Straßenverkehr musste über die gesamte Bauzeit hinweg aufrechterhalten werden. Die Umsetzung der Baumaßnahme erfolgte daher in zwei Phasen (siehe Abb. 1).

Parallel zu der geplanten Baumaßnahme wurde der Fußgängertunnel westlich der Niedernfelder Brücken saniert und der Hochwasserschutz südlich der Müggenburger Hafenbahnbrücken ertüchtigt.

Planung und Umsetzung

Die neuen Brückenbauwerke wurden als Einfeldbrücken mit Stützweiten von 48 m (Müggenburger Brücken) bzw. 60 m (Niedernfelder Brücken) ausgeführt und die Überbauten als Stabbogenbrücken mit außenliegenden Bögen sowie lotrecht angeordneten Hängern hergestellt. Die Fahrbahn wurde jeweils als orthotrope Platte ausgebildet. Die Entwurfsplanung wurde architektonisch begleitet (Abb. 2).

Rückbau

Eine besondere Herausforderung stellte zunächst der Abbruch der bestehenden Bauwerke dar, da das darunter befindliche Gewässer einem Tidehub von rund 3,50 m ausgesetzt ist und Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 2,0 m/s aufweist.

Insbesondere für den Aushub der beiden innenliegenden Niedernfelder Brücken waren zunächst detaillierte Vorüberlegungen anzustellen. Schwimmkrane können hier grundsätzlich nicht eingesetzt werden, da die Wassertiefe nicht ausreichend ist, und auch ein Aushub mit Hilfe von Mobilkranen war aufgrund des Brückengewichts von bis zu 1.000 t je Brücke nicht möglich.

Der Aushub wurde daher unter Ausnutzung des Tidehubs durchgeführt. Hierzu wurden auf einem ausreichend tragfähigen Ponton mehrere Standardcontainer als Lastböcke aufmontiert. Anschließend wurde der Ponton unter die abzubrechende Brücke bugsiert, und mit auflaufendem Hochwasser wurde der Überbau dann angehoben (Abb. 3).

In einem nächsten Schritt mussten die beiden Endstücke unter erheblichem Zeitdruck abgebrannt und entfernt werden, damit mit dem einsetzenden Tideniedrigwasser und dem dadurch verbundenen Absenken des Restbauwerks keine Verkantungen mit dem Widerlager und damit unbeherrschbare Zustände auftreten konnten. Das danach auf dem Ponton verbleibende Mittelstück konnte anschließend ungehindert dem Tidehub folgen und wurde innerhalb einer Woche zerlegt und abtransportiert.

Aufgrund der sehr eng zusammenliegenden Brücken musste bei der Platzierung der Container auf dem Ponton äußerst sorgfältig darauf geachtet werden, dass der Überstand über den Brückenrand hinaus so gering war, dass die Beschädigung einer der benachbarten Brücken beim Aushubvorgang ausgeschlossen war. Aus dem gleichen Grund war eine zentimetergenaue Ausrichtung des Pontons unter dem anzuhebenden Brückenüberbau trotz stark schwankender Strömungsverhältnisse und Wasserstände zwingend erforderlich.

Bei den außenliegenden Niedernfelder und bei den Müggenburger Brücken wurde analog vorgegangen, jedoch mit der einfacheren Situation, dass der Ponton nach Anheben des Brückenbauwerks zur Seite verholt werden konnte, so dass das zeitkritische Entfernen der Endstücke hier nicht erforderlich war. Bei der leichteren der beiden Müggenburger Brücken (260 t Brückengewicht) war es zudem möglich, diese mit Hilfe von zwei Autokränen anzuheben und sie im Ganzen ohne Zuhilfenahme des Tidehubs auf einem Demontageponton zu platzieren (Abb. 4).

Neubau

Für den Neubau der Niedernfelder Brücken wurde ein Sondervorschlag der Bietergemeinschaft Bilfinger Berger Ingenieurbau / Eiffel Deutschland Stahltechnologie umgesetzt (Abb. 5), bei dem Großrohrpfähle wasserseitig vor dem bestehenden Widerlager eingebracht wurden. Landseitig trägt eine kombinierte Spundwand die Lasten in den Baugrund ab. Durch diese Lösung wurde der Abbruch auf ein Mindestmaß reduziert. Eine tiefe Baugrube war somit nicht erforderlich. Die Rückverankerung erfolgte mit Pfählen des Typs Ischebeck-Titan 103/51.

Während der Durchführung der Tiefgründungsarbeiten und der Herstellung der Widerlager erfolgte die Vorfertigung der neuen Stahlüberbauten im Werk. Die neuen Brücken wurden in bis zu 22 vorgefertigten Teilen auf dem Straßenweg zur Baustelle geliefert und dort auf dem Vormontageplatz verschweißt (Abb. 6). Im Endzustand liegen die Überbauten der Niedernfelder Straßenbrücken auf jeder Seite aufgrund ihrer Breite und der Schiefwinkligkeit auf drei Kalottenlagern auf.

Die Endmontage erfolgte wiederum unter Zuhilfenahme eines Lastpontons und unter Ausnutzung des Tidehubs. Die Überbauten wurden hierzu zunächst mit Hilfe von vier Plattformwagen angehoben und bis zur Verschubstation direkt an die Kammerwand verfahren (Abb. 7). Mit einer Auskragungslänge von 15 m bis 20 m wurde das vordere Ende des Überbaus auf der Verschubstation abgesetzt, so dass die vorderen beiden Plattformwagen entlastet wurden und entfernt werden konnten.

Anschließend wurde der entsprechend vorbereitete Lastponton unter der Auskragung platziert und konnte mit auflaufender Tide die Last des Überbaus übernehmen (Abb. 8). Gesteuert durch die hinteren Plattformwagen und durch entsprechendes Manövrieren des Pontons, wurde der Überbau anschließend über das Gewässer geschoben. Da für die letzten 15 m bis 20 m die Plattformwagen aus Platzgründen nicht mehr eingesetzt werden konnten, wurde für diesen Steckenabschnitt das hintere Ende des Überbaus auf der Verschubstation abgesetzt und der Verschub bis zum gegenüberliegenden Widerlager mit Hilfe von hydraulischen Pressen durchgeführt.

Bis zum Erreichen des gegenüberliegenden Ufers war in der Regel bereits eine komplette Tideperiode verstrichen, so dass hier zunächst abgewartet werden musste, bis Hochwasser so weit aufgelaufen war, dass der Überbau endgültig über das gegenüberliegende Widerlager geschoben werden und dann mit ablaufendem Wasser auf den vorbereiteten Stapeln abgesetzt werden konnte.

Für den Neubau der Müggenburger Brücken erhielt die Arbeitsgemeinschaft H. F. Wiebe / Heinrich Hecker / Niesky Stahlbau den Zuschlag. Hier wurde zunächst eine vorgesetzte neue Uferwand, bestehend aus Spundwänden und einem Betonholm, hergestellt. Im Schutze dieser konnte der Bestand bis auf ±0,00 m NN abgebrochen werden. Der Abbruch erfolgte unter Gewährleistung eines ständigen Tideausgleichs, um die Belastungen auf die noch nicht rückverankerte Uferwand zu minimieren. Ein Großteil der alten Holzpfähle konnte im Baugrund verbleiben. Anschließend wurde die Baugrube mit zerkleinertem Abbruchgut, Sand und Kies bis zur Bohr­ebene verfüllt. Dazu wurde die Uferwand mit Gewi Plus ø 75 mm Mikropfählen rückverankert. Danach erfolgte die Herstellung der Großbohrpfähle und der hierauf gegründeten Widerlager.

Die Montage der Brückenüberbauten musste in anderer Weise erfolgen als bei den Niedernfelder Brücken, da keine ausreichend große Montagefläche zur Verfügung gestellt werden konnte. Daher wurden die Überbauten weitestgehend in einer Werft vormontiert und auf dem Wasserweg zur Baustelle transportiert. Um die auf dieser Wegstrecke befindlichen Brücken unterfahren zu können, wurden die Bögen liegend transportiert.

Die Endmontage, bei der im Wesentlichen nur noch die Bögen und die Hänger montiert werden mussten, wurde dann komplett auf einem Ponton durchgeführt (Abb. 9). Insbesondere hinsichtlich der Bauwerksvermessung war hierbei besondere Sorgfalt geboten.

Nachdem der Überbau fertig montiert und beschichtet war, wurde dieser mit Hilfe einer auf dem Ponton befindlichen hydraulischen Hubvorrichtung angehoben und, nachdem der Ponton in die richtige Lage verholt worden war, weitgehend unabhängig vom Tidehub in der Endlage abgesetzt (Abb. 10).

Daten zur Bauausführung im Überblick

Alle sechs Brücken wurden innerhalb von 30 Monaten erneuert. Dabei musste während der gesamten Bauzeit der Straßen- und Bahnverkehr aufrechterhalten werden. Eine weitere Herausforderung waren die sehr beengten Platzverhältnisse und die Vielzahl der angetroffenen Hindernisse im Baugrund. Weiterhin fanden die Arbeiten unter ständigem Tideeinfluss statt, und der Hochwasserschutz musste stets gewährleistet sein. Die Gesamtbaukosten belaufen sich einschließlich Gleisbau- und Straßenbauarbeiten auf rund 38,5 Mio. €.

Die wesentlichen Abmessungen der neuen Brücken sind in Tabelle 1 zusammengefasst.


Dr.-Ing. Christoph Vater, Dipl.-Ing. Caroline Freitag