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In einigen Bereichen kann die Offshore-Windbranche von der Öl- und Gasindustrie

lernen – in anderen wird sie ihre eigenen Erfahrungen machen müssen, so lautet das Fazit auf der Husumer OBMC.

Learning from the oil and gas sectors« lautete das Leitthema der »OBMC 2011« (Offshore Business Meetings and Conference), zu der[ds_preview] die Netzwerkagentur Windcomm Schleswig-Holstein für den 7. und 8. November nach Husum eingeladen hatte. Rund 300 Besucher bescherten der dritten Auflage der Veranstaltung nach 2009 und 2010 eine Rekordbeteiligung und stellten damit unter Beweis, dass der Ausbau der Offshore-Windenergie weiter an Fahrt gewinnt.

»Aus dem Öl- und Gasbereich kann man insofern lernen, als man einmal gemachte Fehler nicht ein zweites Mal machen muss«, stellte Jörgen Thiele, Vorstand der Stiftung Offshore-Windenergie, ganz allgemein fest. Im Verlauf des ersten Konferenztages wurde deutlich, dass es Überschneidungen unter anderem in der Materialforschung sowie beim Korrosions- und Kolkschutz gibt. Während man bei der Produktion von Umspannwerken durchaus auf Erfahrungen aus dem Bau von Öl- und Gasplattformen zurückgreifen könne, sei dies hingegen bei den Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) selbst nicht so ohne Weiteres möglich, betonte Prof. Dr. Torsten Faber vom Institut für Windenergietechnik der Fachhochschule Flensburg. Die Spannungen in der Tragstruktur entstünden sowohl bei Offshore-Umspannwerken als auch bei Öl- und Gasplattformen zu 80 bis 90 % aus vertikaler Belastung durch das Eigengewicht und nur zu 10 bis 20 % aus horizontaler Belastung, zum Beispiel durch Wind und Wellen.

»Bei den Offshore-Windenergieanlagen ist das Verhältnis genau umgekehrt«, so Faber, »darum kann man das nicht einfach übernehmen.« Zu den »Knackpunkten« bei der Berechnung von OWEA-Gründungen gehörten neben den Lasten auf hoher See und der zu erwartenden Kolk- und Korrosionsbildung auch die so genannten Grouted Connections, die die Gründungsstrukturen und die Übergangsstücke zu den Türmen miteinander verbinden. Hier habe es in der Vergangenheit schon diverse Probleme gegeben, an denen derzeit geforscht werde. Mit Blick auf die Kosten müsse einkalkuliert werden, dass die Lebensdauer von OWEA auf zwanzig Jahre angelegt und damit kürzer als die von Öl- und Gasplattformen sei: Investitionen müssten sich daher schneller amortisieren, erläuterte der Professor.

»Mache nie etwas offshore, was du auch onshore erledigen kannst«: Diese auf eigenen Erfahrungen basierende Philosophie präsentierte Alan MacAskill, lange Jahre im Ölgeschäft unterwegs und mittlerweile unabhängiger Offshore-Berater, dem interessierten Publikum. Sowohl unter ökonomischen als auch unter sicherheitstechnischen Gesichtspunkten sei es sinnvoll, so viele Vorarbeiten wie möglich an Land zu erledigen. Eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre werde es sein, die Kosten zu senken. »Es müssen Technologien entwickelt werden, mit deren Hilfe 300 Tage im Jahr in den Windparks gearbeitet werden kann«, forderte der Brite. Derzeit sei dies wegen der schwierigen Wetterbedingungen auf hoher See nur an rund 150 Tagen möglich. Bei der Frage, welche Schiffstypen sich in der Offshore-Windenergie durchsetzen werden, plädierte Mac­Askill für eine Kombination aus Spezialschiffen und multifunktionalen Schiffen. In der Öl- und Gasindustrie habe sich gezeigt, dass nicht immer alles nach Plan laufe – man benötige daher Systeme, die flexibel nutzbar sind. Schon jetzt sei allerdings die Nachfrage größer als die Produktion. »Meine Hauptmessage an alle lautet darum: Es müssen schnell Entscheidungen getroffen werden, damit die Schiffe auch wirklich da sind, wenn sie gebraucht werden.«

Engpässe gebe es nicht nur bei den Schiffen, sondern auch bei erfahrenem Personal, betonte Erik Pietsch von Vattenfall Europe Windkraft und sprach damit das zweite Schwerpunktthema der Veranstaltung an: den sich abzeichnenden Fachkräftemangel in der Branche. »Daran müssen wir dringend arbeiten«, so Pietsch – unter anderem durch Kooperationen mit Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. Solange es keine festgeschriebenen Qualitätsstandards gebe, achte sein Unternehmen sehr genau darauf, wie die Vertragspartner in Sachen Ausbildung aufgestellt seien. Aus dem Publikum wurde er gefragt, wie hoch das Potenzial an Mitarbeitern aus den konventionellen Energien sei, die künftig in den erneuerbaren zum Einsatz kommen könnten – immerhin sei kaum damit zu rechnen, dass sich mit den aktuellen Ausbildungsmöglichkeiten kurzfristig alle geplanten Projekte abdecken ließen. Das bestätigte Pietsch und verwies darauf, dass Vattenfall tatsächlich auch im eigenen Haus Mitarbeiter für die Windkraft rekrutiere. Selbst könne man das alles jedoch nicht schaffen: Vielmehr müssten weitere Angebote wie zum Beispiel das neu entwickelte Offshore-Windstudium (siehe Meldung in Seite 45) geschaffen werden.

Jörgen Thiele von der Stiftung Offshore-Windenergie erläuterte, dass gerade im Service- und Wartungsbereich qualifiziertes Personal eine wichtige Rolle spielen werde. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines Windparks sei letztlich die Verfügbarkeit seiner Anlagen: Aus diesem Grund müsse man die Ausfallzeiten verringern, wofür gute Service- und Wartungskonzepte notwendig seien. Hier könne vieles aus dem Bereich der Onshore-Windenergie übernommen werden.

Grundsätzlich gilt das auch für Arbeitskräfte – allerdings wurde im Verlauf der Konferenz deutlich, dass die Onshore-Windbranche ebenfalls schon kaum noch geeignete Mitarbeiter findet. »Das Problem ist: Deutschland gehen die Techniker aus«, beklagte Gerard McGovern vom Bildungszentrum für Erneuerbare Energien (BZEE). »Es ist niemand auf der Straße, der einen Job sucht.« Erschwerend hinzu komme, dass man international noch keine Einigkeit über die Anforderungen erzielt habe, die an Qualifikationsmaßnahmen zu stellen seien. Hier bedürfe es eines neuen systematischen Ansatzes, der auch die Bereiche Gesundheit und Sicherheit umfassen müsse.

Das Servicekonzept für den geplanten Windpark »Amrumbank West«, dessen Basisstation Helgoland werden soll, stellte Dr. Thomas Michel von Eon Climate & Renewables Central Europe vor. Sein Unternehmen sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine permanente Unterbringung von Mitarbeitern auf hoher See nicht benötigt werde, berichtete der Projektmanager. Man habe sich daher für eine »küstenbasierte Shuttle-Lösung« entschieden, die schnelle Transportschiffe in Katamaran-Bauweise und Hubschrauber miteinander kombiniere, wobei letztere unabhängig von der Wellenhöhe auch bei schlechtem Wetter einsetzbar seien. Der Plan sehe vor, die Jahreswartungen im vergleichsweise ruhigen Sommer durchzuführen – entscheidend sei allerdings, die rauen Wintermonate in den Griff zu bekommen, »wenn der Wind am stärksten und der Ertrag am höchsten ist«. Dies sei nur mithilfe von Helikoptern möglich.

Alles in allem zeigte sich Michel optimistisch, dass die Ausbauziele der Bundesregierung bis 2020 erreicht werden können, wenngleich er bei manchen Projekten noch die eine oder andere Überraschung bei den Kosten erwarte. »Sicherlich gibt es einige Herausforderungen wie zum Beispiel die Fachkräftefrage: Grundsätzliche Hindernisse kann ich aber nicht erkennen.«

Am zweiten Tag der Veranstaltung präsentierten internationale Firmen im Foyer des Nordsee-Congress-Centrums ihre Produkte, während parallel dazu zwei Workshops zu den Themen Hafenlogistik und Ausbildung angeboten wurden. Erstmals fand darüber hinaus im Rahmen des Kongresses auch eine Jobmesse statt. Im Hafenworkshop erläuterte Frank Schnabel, Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports und Sprecher der »Hafenkooperation Offshore-Häfen SH«, die Zusammenarbeit der neun kooperierenden schleswig-holsteinischen Hafenstandorte. Ziel sei es, den Betreibern ein allumfassendes maritimes Angebot zur Installation und Versorgung ihrer Offshore-Windparks anzubieten, so Schnabel. »Jeder Hafenstandort erfüllt dabei eine bestimmte Funktion, sodass sowohl die Kunden als auch die Häfen davon profitieren.« Aktuell arbeite man an der physischen Vernetzung der Standorte mittels eines Shuttle-Konzeptes: Ergebnisse hierzu würden Anfang des kommenden Jahres vorgestellt.

Norbert Giese, Direktor des Geschäftsfeldes Offshore bei Repower Systems, wertete die Zusammenarbeit als beispielgebend für eine weitergehende Hafenkooperation und regte eine deutschland- oder gar europaweite Ko­operation der Offshore-Häfen im Nordsee-Bereich an, die Vorteile für alle Beteiligten mit sich bringen könne.

Insgesamt ging aus den Ausführungen der Referenten an beiden Tagen deutlich hervor, dass sich in der Offshore-Windenergie bislang noch so gut wie überhaupt keine Standards entwickelt haben – weder bei der Entscheidung für bestimmte Fundament- oder Schiffstypen noch in den Bereichen Ausbildung, Service, Wartung und Logistik. »Das ist eine der Kernaussagen dieser Veranstaltung: Jedes Projekt hat seine Spezifika, nichts kann verallgemeinert werden«, fasste der Moderator Martin Schmidt, Projektmanager der Windcomm Schleswig-Holstein, am Ende der OBMC zusammen. Eine Änderung der Lage sei derzeit auch nicht in Sicht, was zunächst einmal neutral festzustellen sei. »Wenn aber jedes Mal das Rad neu erfunden werden muss, wird das auf die Dauer teuer.« Die Branche müsse jetzt ihre Erfahrungen machen und daraus lernen – denn, so Schmidt: »Offshore kommt, das ist jetzt keine Zukunftsmusik mehr.«


Anne-Katrin Wehrmann