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Die überwiegend familiengeführten Schifffahrtsbetriebe an der Ems gründen einen eigenen Reederverein, um ihre Belange besser vertreten zu können.

Viele gute Ideen werden am Stammtisch geboren, später umgesetzt und führen dann irgendwann zum Erfolg. Lange bevor sie sich dazu[ds_preview] entschlossen, einen eigenen Reederverein zu gründen, trafen sich die Leeraner Reeder regelmäßig am Stammtisch und diskutierten über die Situation der Schiffseigner an der Ems-Achse. Nach den Boomjahren 2006/07 haben viele Betriebe jetzt mit Finanzierungsengpässen, fallenden Charterraten und den seit Jahren bestehenden Piraterieproblemen, besonders am Horn von Afrika, zu kämpfen.

Um ihre Belange als überwiegend familiengeführte Unternehmen mit einer gemeinsamen Sprache besser publik zu machen und mehr Gehör in der Politik zu finden, gründeten die Schiffseigner im Februar 2011 den Reederverein Ems-Dollart. Die von Dieter Schröer geführte Geschäftsstelle sitzt im Maritimen Kompetenzzentrum (Mariko) in Leer, das Schröer ebenfalls als Geschäftsführer leitet. Vorsitzender des neuen Vereins ist Hartwig Buss von der gleichnamigen Reederei.

VDR-Vertretung reichte nicht

»Nach wie vor gehören wir auch dem Verband Deutscher Reeder an«, stellt Hartwig Buss klar. Allerdings seien die Interessen der Reeder von der Ems-Achse dort nicht ausreichend wahrgenommen worden. »Wir haben den Verein gegründet, da wir der Meinung sind, dass nicht jeder einzelne aus unserer Region mit seinen täglichen kleinen und großen Problemen zum VDR rennen kann.« Das solle aber nicht heißen, gegen den VDR zu arbeiten.

Vielmehr sei mit der Neugründung das Ziel verbunden, die Probleme als mittelständische Unternehmen dem VDR und der Politik gegenüber mit Nachdruck zum Ausdruck bringen: »Wir haben hier an der Ems ganz andere Sorgen als zum Beispiel die Reedereien Hapag-Lloyd oder Hamburg Süd«, so Buss. »Die Presse im Allgemeinen berichtet überwiegend von den großen Schifffahrtsbetrieben – aber wer weiß schon im Hinterland, dass hier an der Ems-Achse der zweitgrößte Reederstandort in Deutschland beheimatet ist?« Die Betriebe seien seit Generationen überwiegend Familienbetriebe und hätten genauso eine Existenzberechtigung wie die großen. Zudem dürfe nicht die »regionale Verpflichtung« vergessen werden, erläutert Vereinsvorsitzender Buss: »Eine große Anzahl von Landbetrieben lebt direkt und indirekt von unserer Reederschaft.«

Inzwischen läuft die Zusammenarbeit mit dem VDR offenbar gut, was Buss zufolge insbesondere dem geschäftsführenden Präsidiumsmitglied Ralf Nagel zu verdanken ist. Immerhin hat es der Verein schon geschafft, dass Schiffseigner von der Ems nicht mehr regelmäßig nach Hamburg zum VDR fahren müssen. »Wir treffen uns jetzt in bestimmten Zeitabständen auf halber Strecke in Bremen zur Regionalkonferenz und besprechen Themen, die uns allen unter den Nägeln brennen«, sagt Buss. Das gilt auch für den Verein Unterelbe. Dieter Schröer ergänzt: »Wir arbeiten beispielsweise schon lange mit der Interessengemeinschaft Harener Reeder zusammen. Allein die Namensgebung des Reedervereins Ems-Dollart signalisiert schon, dass wir nach allen Seiten offen sind.« Sollten sich die Reederschaften eines Tages dazu entschließen zu fusionieren, würde das begrüßt werden, so Schröer: »Eines Tages sollten alle Reeder an der Ems-Achse vereint sein.«

Piraterie macht zu schaffen

Ein brennendes Thema für den Verein ist aktuell die Piraterie. Als Chef seines Familienbetriebes und Kapitän weiß Hartwig Buss, wovon er redet: »Einige unserer Mitglieder waren schon zum wiederholten Male von Übergriffen durch Piraten betroffen. Und fast alle sind bereits irgendwie mit Piraten in Kontakt gekommen.« Es fehle allgemein das Verständnis der Politiker in Berlin für die Schifffahrt und ihre Probleme: Hierzu gehöre auch der Vorschlag, das gefährliche Gebiet im Indischen Ozean weiträumig zu umfahren. Auch die Regelungen in Bezug auf bewaffnete Sicherheitskräfte seien unausgegoren. Buss: »Andere Nationen sind da wesentlich weiter.«

Ein Dauerthema bei den Reedern ist die Flaggung. Von den rund 3.700 in Deutschland bereederten Schiffen fahren weniger als 500 unter schwarz-rot-goldnem Banner. Probleme bereite dabei zunehmend der Fachkräftemangel: »Wir können unsere Schiffe nicht mehr richtig besetzen, weil uns das geeignete Personal fehlt«, stellt Buss fest. »Das betrifft jeden von uns. Wir arbeiten an Programmen, um diesem Missstand entgegen zuwirken.« Dabei helfe der Standort Leer mit seiner Seefahrtschule, die seit einigen Jahren mit einer hohen Anzahl von Studienanfängern gut besucht werde. »Aber wir benötigen unverändert Nachwuchs, auch weil das Bordpersonal immer älter wird.« Zudem sei der Anteil an Seeleuten unverändert hoch, mahnt Buss, die oft nach kurzer Fahrzeit in attraktive Stellen an Land wechseln.
Peter Pospiech