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Nigeria und Benin organisieren Sicherheitsmaßnahmen, um die Kriminalität auf See einzudämmen. Denn die Region gewinnt an wirtschaftlicher Bedeutung für die Schifffahrt.

Die westafrikanische Küste im Bereich der Hoheitsgewässer vor Nigeria und Benin bereitet dem International Maritime Bureau (IMB) zunehmend Sorge. Es[ds_preview] scheint sich zu einem neuen Schwerpunkt der Piraterie vor den Küsten Afrikas zu entwickeln. Seit Beginn dieses Jahres wurden aus dem Gebiet mehr als 30 Überfälle gemeldet. Insider vermuten jedoch, es seien in Wirklichkeit wesentlich mehr, weil manche Reedereien die Angriffe aus Furcht vor höheren Versicherungsprämien nicht melden. Da die Piraten es in erster Linie auf Teile der Ladung abgesehen hatten, schienen die Schäden bislang überschaubar zu sein. Besonders begehrte Beute ist Treibstoff, der anschließend auf dem Schwarzmarkt verkauft wird.

Mitte September aber drohte sich die Situation zu ändern. Piraten griffen den spanischen Tanker »Mattheos I« an, der mit einer Ladung Dieseltreibstoff aus Rotterdam knapp 50 Meilen vor der Küste des Staates Benin lag und mit dem Tankinhalt ein norwegisches Schiff versorgte. Die Besatzung des Norwegers verschanzte sich im Maschinenraum, während die Piraten es schafften, die »Mattheos I« zu kapern und ihre 23 Mann starke Besatzung als Geiseln zu nehmen. Das spanische Außenministerium nahm umgehend mit verschiedenen afrikanischen Staaten Verbindung auf, woraufhin spanische, nigerianische und Schiffe der Marine von Benin nach dem verschollenen Tanker suchten. Auch die französische Fregatte »Germinal« mit 94 Mann Besatzung, die bei Togos Hauptstadt Lomé vor Anker lag, beteiligte sich. Aber weder wurde das Schiff gefunden, noch gab es irgendeinen Kontakt mit Piraten oder Geiseln. Erst knapp zwei Wochen später gab die spanische Reederei Consultores de Navegacion bekannt, die Piraten hätten das Schiff wieder verlassen. Bei dem Überfall sei ein Seemann bei einem Schlag mit einem Gewehrkolben verletzt worden, befinde sich aber nicht in Lebensgefahr. Ein Lösegeld sei nicht gezahlt worden, allerdings hätten die Piraten einen Teil des geladenen Dieseltreibstoffs abgepumpt und wahrscheinlich weiterverkauft.

Binnenlandversorgung in Gefahr

Londoner Versicherungsagenturen stufen die Küste von Benin bereits als Hochrisikozone für die Schifffahrt ein. Als besonders betroffen gilt der Handelskorridor zwischen Abidjan an der Elfenbeinküste und dem togolesischen Hafen von Lomé. Dabei ist das Gebiet für die Schifffahrt äußerst wichtig. Über diese Häfen werden zahlreiche afrikanische Binnenländer wie Niger, Tschad und Burkina Faso mit Gütern aller Art beliefert.

Der Präsident der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, James Victor Gbeho, ECOWAS, hat angesichts der zunehmenden Piraterie alle betroffenen Länder zum gemeinsamen Küstenschutz aufgerufen. »Die Piraterie wird zu einem immer größeren Problem, das für unsere Wirtschaft ernsthafte Konsequenzen haben könnte. Deshalb müssen wir gemeinsam dagegen vorgehen«, forderte er. Gbehos Appell verhallte nicht angehört. Nach Gesprächen mit Vertretern der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft einigten sich der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan und sein Amtskollege Thomas Yani Boni aus Benin auf eine gemeinsame Marinemission im Golf von Guinea. Dabei wird Nigeria sowohl finanziell wie personell den deutlich größeren Anteil übernehmen, da die Flotte von Benin klein und veraltet ist.

Nigeria hat mit solchen Anti-Piraterie­aktionen mit Nachbarstaaten bislang gute Erfahrungen gemacht. So hat das Land bereits vor zwei Jahren ein Übereinkommen mit dem östlichen Nachbarn Kamerun getroffen, um die Piraterie im Grenzgebiet beider Länder eindämmen zu können. Dazu wurde vereinbart, Boote mit Kriminellen bis in die Hoheitsgewässer des jeweiligen Nachbarstaates verfolgen zu können. Künftig sollen nun bewaffnete Patrouillenboote, die größtenteils aus Arsenalen der US-Küstenwache stammen, auch in Richtung Westen auf hoher See bewachen, damit sie für den Fall eines gemeldeten Überfalls schnell eingreifen können.

Europa und China wollen helfen

Unterstützung kommt auch aus Europa. Mehrere europäische Staaten verhandeln bereits seit Jahren mit westafrikanischen Ländern, weil sie vor deren Küsten mit Aus- und Fortbildungsprogrammen für die nationalen Marineeinheiten besseren Schutz für die Seefahrt gewährleisten wollen. Die von Frankreich initiierte MCA (Maritime Co-operation with Africa) soll zudem die Zusammenarbeit der regionalen Organisationen verbessern. Sogar China hat der Regierung Benins 34 Mio. $ zur Bekämpfung der Piraterie und für die Modernisierung seiner Marine in Aussicht gestellt.

Das internationale Interesse an einer sicheren Schifffahrt in dem Gebiet ist leicht zu erklären. Die Länder am Golf von Guinea fördern pro Tag mehr als 3 Mio. Barrel Rohöl, das entspricht 4 % der weltweiten Fördermenge. Nigeria als Mitglied der OPEC stellt mit 2,2 Mio. Barrel den Löwenanteil. Aber auch Ghana ist mittlerweile in das internationale Ölgeschäft eingestiegen. Außerdem lassen Exporte von Metallen, Kakao und Kaffee aus ökonomisch aufsteigenden Ländern Westafrikas zusätzlichen Schiffsverkehr auf den Haupttransportrouten vor den Küsten Westafrikas erwarten.

Die beginnende wirtschaftliche Stabilität könnte als Folge zunehmender Piratenaktivitäten ernsthaft in Gefahr geraten und schwerwiegende Folgen für die Menschen der Region nach sich ziehen.


Eigel Wiese