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Nach über 60 Jahren Einsatz wurde das dienstälteste Fischereiforschungsschiff der Bundesrepublik Deutschland durch einen hochmodernen Neubau von der Fassmer-Werft ersetzt.

Vor der feierlichen Indienststellung taufte Ilse Aigner, die zuständige Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), im September den Neubau[ds_preview] des Fischereiforschungsschiffes auf den Namen des Vorgängers: »Clupea«. Das Schiff wird – wie seine Vorgängerin – in den Küstengebieten von Ost- und Nordsee zu umfang­rei­chen Untersuchungen eingesetzt. Vorrangig werden Bestandsdaten von kommerziell genutzten Fischbeständen ermittelt, wie etwa Dichte, Alter und Reife der Schwärme. Im Unterschied zur alten »Clupea«, die eine veraltete und heute kaum mehr gebräuchliche Fangmethode anwendete, entspricht der Neubau in Größe und Ausstattung den heutigen, modernen nordeuropäischen Fahrzeugen der kommerziellen Fischerei.

Das Schiff entstand unter der Baunummer 4070 bei der Schiffswerft Fr. Fassmer in Motzen / Berne an der Weser. Konzipiert wurde der Neubau im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) beim Referat Schiffstechnik der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Hamburg gemeinsam mit dem künftigen Nutzer, dem Johann Heinrich von Thünen Institut (vTI) in Braunschweig.

Bundesministerin Aigner hob in ihre Taufrede hervor: »Die Fischereiforschung ist ein wichtiger Beitrag zum aktiven Meeresschutz. Wir können nicht mehr fischen, als die Meere hergeben. Weltweite Überfischung ist eine Bedrohung für unser Ökosystem. Die Bewirtschaftung der weltweiten Fischbestände muss deshalb konsequent am Prinzip der Nachhaltigkeit ausgerichtet sein. Gerade wenn wir wollen, dass es auch in Zukunft eine Fischerei geben soll.« Sie betonte weiter: »Nur durch eine aktive Fischereiforschung und den Einsatz moderner Forschungsschiffe kann das Prinzip der nachhaltigen Bewirtschaftung der Meeresressourcen umgesetzt werden. Deutschland hat bei der Fischereiforschung innerhalb der EU und international eine Vorreiterrolle und eine Vorbildfunktion. Um weiterhin führend sein zu können bei der Forschung, bringen wir unsere Flotte auf den neuesten Stand der Technik«.

»Clupea« ist der wissenschaftliche Name für den Hering. Mit dem rund 11 Mio. € teuren und 28,80 m langen Neubau wurde nach über 60-jährigem Einsatz das namensgleiche und dienstälteste Fischereiforschungsschiff Deutschlands (Lüa = 17,60 m; Büa = 5,12 m; 39 BRZ, 110 kW Leistung, vier Personen Besatzung) jetzt ersetzt. Der auszumusternde Forschungskutter wurde ursprünglich 1949 als Fischereifahrzeug »Erfurt«, Typ »Karlshagen 23«, in Dienst gestellt. 1982 wurde es von der Fischereiforschung der damaligen DDR übernommen und erhielt 1983 nach kleineren Umbauten den für seinen Einsatz kennzeichnenden Namen »Clupea«. Die Jagd auf den Hering war der vorwiegende Forschungseinsatz. In den Jahren 1986/87 folgte ein weiterer Umbau in den derzeitigen Zustand in Gager auf Rügen.

Mit der Einsatzbereitschaft der neuen »Clupea« fanden im Oktober zunächst Vergleichs- und Kalibrierungsfahrten mit beiden Schiffen statt, um die Kontinuität der Fangdaten sowie Forschungsergebnisse zu gewährleisten. Der Neubau ist deutlich größer als sein Vorgänger, er zeichnet sich aber trotzdem durch einen sehr geringen Tiefgang von maximal 2,30 m aus. Dieser ist unabdingbar, um auch in den flachen Boddengewässern operieren zu können. Neben seinem Einsatz vorwiegend in der Ostsee um die Insel Rügen herum wird das Schiff künftig auch in der Nordsee arbeiten.

Konstruktion der neuen »Clupea«

Der Rumpf mit langer Back erhebt sich über dem Doppelboden, Hauptdeck, Backdeck und dem Steuerhaus. Rumpf und Aufbauten bestehen aus Stahl, das Steuerhaus ist aus Aluminium. Das Unterwasserschiff ist durch Querschotte wasserdicht unterteilt und nimmt hauptsächlich die technischen Räume auf. Auf dem Hauptdeck befinden sich vorne unter der Back die Räume für die Wissenschaft und die Unterkünfte für insgesamt zehn Personen an Bord. Hinten ist das Arbeitsdeck mit drei Trawlwinden, zwei Netztrommeln, Hanger- sowie Führungswinde, unterschiedliches Fischfanggerät, Auffangbecken für lebende Fische, Labore, der Abgaspfosten sowie ein Rettungs- bzw. Arbeitsboot an Backbord angeordnet. Am Ende der Back befindet sich für den Fischfang steuerbords ein Ladegeschirr und backbords ein hydraulischer Kran von Palfinger, Typ PK 12000. Haltepunkte und Winden stehen auf dem Backdeck.

Die Einrichtung unter der Back auf dem Hauptdeck umfasst sechs Kabinen für die Besatzung und die Wissenschaftler. Ihnen stehen zwei Nasszellen mit Dusche und Toi­letten zur Verfügung. Außerdem ist ein voll ausgestatteter, kombinierter Messe- und Küchenbereich mit Proviantraum zur Versorgung der Personen an Bord vorhanden. Alle anfallenden Schmutz- und Abwasser werden in einer Aufbereitungsanlage gereinigt.

Angetrieben wird das Schiff von einer Hauptmaschine Guascor F240TAB-SP mit 478 kW Leistung bei 1.800 U/min, die über ein Getriebe auf einen vierflügeligen Verstellpropeller mit 1,40 m Durchmesser arbeitet. Im Propellerstrahl wirkt ein Aktivruder. Ein Bugstrahler mit 10 kN Schub assistiert beim Manövrieren in flachen Gewässern sowie beim An- und Ablegen.

Im nautischen Bereich ist eine umfangreiche Radaranlage mit redundantem elektronischen Seekartensystem, Navigationslot, Fischereilot für Echolotintegration, Windmessanlage, AIS Transponder System, DGPS-Empfänger, Satlog-Anlage, Dopplerlog sowie V-Sat-Anlage vorhanden. Die an Bord benötigte elektrische Energie wird durch zwei Dieselgeneratoren mit jes 139 kW Leistung bei 1.500 U/min erzeugt.