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Der Umweltschutz auf dem Wasser bringt Veränderungen bei den Kraftstoffen und zwingt zu deren effizienter Nutzung. Hans-Jürgen Reuß fasst die Ergebnisse der Fachtagungen im vergangenen Jahr zusammen

Lässt man die Programme der Fachtagungen und die Inhalte bestimmter Präsentationen Revue passieren, die sich in diesem Jahr mit Fragen[ds_preview] der Antriebstechnik von Schiffen, dem Umweltschutz und den daraus resultierenden Veränderungen bei den Kraftstoffen beschäftigten, dann ergibt sich folgendes Bild: Überall wurde über Gas als alternativen Kraftstoff gesprochen, ob das die Informationstagung des Instituts für Schiffsbetriebsforschung in Flensburg (ISF), der Kongress für Schiffstechnik des Vereins der Schiffs-Ingenieure zu Hamburg (VSIH) oder die Konferenz der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) in Hamburg zu Fragen des wirtschaftlichen Schiffsbetriebs waren. Insofern setzte sich in diesem Jahr die Tendenz von der SMM 2010 fort: Alle reden über Gas und so wird es bleiben, bis alle technischen und die recht­lichen Voraussetzungen geschaffen sind. Dabei bieten die technischen Rahmenbedingungen weitaus geringere Probleme als die rechtlichen.

Auch wenn einzelne Motorenhersteller, allen voran Wärtsilä, seit Jahren betonen, der Schiffskraftstoff der Zukunft sei Gas, dann fehlt immer noch eines: eine beschleunigte Verabschiedung eines entsprechenden Regelwerkes, auf dessen Grundlage Gas überhaupt erst als Kraftstoff in der Seeschifffahrt zugelassen werden könnte. Ein rascher Blick auf die Bemühungen der IMO zum Umweltschutz auf dem Wasser lässt die Realitäten erkennen. Das Marpol-Übereinkommen ist 1973 verabschiedet worden, 1978 ergänzt um ein Protokoll. Die Anlage VI dazu sollte zwar ab 1. Januar 2000 rechtsverbindlich werden, konnte jedoch aufgrund der schleppenden Ratifizierungsvorgänge in den UNO-Mitgliedsstaaten erst 2005 in Kraft treten. Sollten nun im kommenden Jahr die Emissionsgrenzwerte für die ECAs der Sache und dem Zeitpunkt nach für 2016 nicht bestätigt werden, dann wäre mit Gas als alternativem Kraftstoff jedenfalls zur Freude der Mineralölindustrie nicht zu rechnen. Die Schiffe würden auch in den ECAs mit Schweröl fahren und müssten die Emissionen mit Katalysatoren (SCR) und Wäschern (Exhaust Gas Cleaning Systems – EGCS) reduzieren. Allerdings fehlt bei diesen chemischen Anlagen noch ein breites Angebot zugelassener Geräte. Insofern besteht gegenwärtig keine Chance, für Neubauten, deren Kiellegung nach dem 1. Januar 2016 erfolgen soll, die Antriebsanlage in allen Einzelheiten zu spezifizieren.

Nachdem die Motorenindustrie in den vergangenen Jahren erfolgreich an der Entwicklung neuer bzw. der Weiterentwicklung bewährter Motoren für den Gasbetrieb gearbeitet hat (die HANSA hat hierzu regelmäßig berichtet), wächst der Druck auf die IMO und die Klassifikationsgesellschaften, die Voraussetzungen für die Verwendung von Erdgas als Kraftstoff auf Seeschiffen zu schaffen. Im Zweitaktmotorenbereich stehen inzwischen für Seeschiffe aller Größen – auch für Einwellenanlagen – Wechselmotoren mit Leistungen bis zu 87.220 kW von MAN Diesel & Turbo zur Verfügung. Bei Viertaktmotoren reicht das Angebot von Wechsel- und Ottomotoren von rund 450 bis 18.000 kW. Die Hersteller sind Hyundai, MAN Diesel & Turbo, Rolls-Royce und Wärtsilä. Da nicht nur die Motoren verfügbar sind, sondern auch die Infrastruktur an Bord der Schiffe für Bunkerung, Lagerung und Aufbereitung des Kraftstoffs Gas, geht es letztlich nur noch um die Schaffung der notwendigen Infrastruktur in den Häfen, um die Versorgung zu sichern. Aber auch dafür sind bereits Vorarbeiten geleistet, um rasch zu sicheren Lösungen zu kommen, die allen Anforderungen genügen.

Die Fragen nach der Verfügbarkeit und der Preisentwicklung von Schweröl oder Erdgas ziehen sich unverändert durch die Programme aller Veranstaltungen, ohne dass irgendwelche seriösen Aussagen gemacht werden können. Bei diesem Thema beteiligen sich leider viel zu viele Referenten mit Ansätzen, wie die Preisentwicklung unter Berücksichtigung eines steigenden Bedarfs ablaufen könnte. Die meisten Beiträge zu diesem Thema werfen nur zusätzliche Fragen auf, ohne konkrete Antworten geben zu können. Wenn Umweltschutzmaßnahmen letztlich über den verwendbaren Kraftstoff entscheiden, tritt die heute noch viel zu vordergründig geführte Diskussion über den Preis sofort in den Hintergrund. Insofern wäre auch hier, in Abwandlung einer klassischen Aussage, weniger mehr.

Was brachten nun die Fachtagungen 2011 an neuen Ideen oder schon in der Entwicklung befindlichen Lösungen zur Verbesserung des Umweltschutzes auf dem Wasser, sei es aufgrund von verbesserten Wirkungsgraden oder Techniken zur Schadstoffminimierung? Kurz gefasst lässt sich festhalten: Neue Konzepte sind nicht vorhanden und neben manchen interessanten Details gibt es leider zu viele Überschneidungen.

Interessant sind die unterschiedlichen Ausprägungen und Verläufe der Produktpolitik bei den beiden großen europäischen Motorenherstellern MAN Diesel & Turbo und Wärtsilä. Wärtsilä hat zwar als erstes Unternehmen hinsichtlich Gas als Kraftstoff Stellung bezogen, dann jedoch erst das Viertaktmotoren-Programm ausgebaut und relativ spät mit der Entwicklung von Zweitaktgasmotoren begonnen. Obwohl das Unternehmen Gas als künftigen Kraftstoff seit Jahren propagiert, stehen für den Einsatz von Zweitaktmotoren bei Wärtsilä zurzeit SCR-Anlagen und Wäscher im Vordergrund der Präsentationen, während MAN Diesel & Turbo voll auf den Gasbetrieb seiner elektronisch geregelten Varianten der Zweitaktmotoren setzt (vgl. HANSA Nr. 7, 8 und 9/2011).

Wärtsilä machte mit seiner Präsentation auf der Flensburger Tagung einmal mehr deutlich, dass zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte von IMO Stufe III in den ECAs entweder nur der Gasbetrieb oder bei flüssigen Kraftstoffen eine Abgasnachbehandlung mit SCR-Anlage und gegebenenfalls Wäscher unverzichtbar ist. Alle anderen Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffemission reichen auch in der Kombination dafür nicht aus. Da inzwischen auch die Senkung der Kohlendioxid­emission auf der Tagesordnung steht, sind alle Möglichkeiten zum sparsamen Umgang mit der Primärenergie zu nutzen.

In diesem Zusammenhang rückt auch die Wärme­rückgewinnung an Bord immer wieder ins Blickfeld, obwohl nur in wenigen Fällen – und dazu zählen die Fahrgastschiffe – große Effekte zu erzielen sind. Um auch mit den Motoren selbst eine verbesserte Kraftstoffnutzung zu bieten, haben Wärtsilä und MAN zeitgleich im Mai dieses Jahres neue Langhubmotoren im mittleren Leistungsbereich angekündigt, deren spezifischer Kraftstoffverbrauch gleich um einige Gramm pro Kilowattstunde niedriger als der von Standardmotoren sein soll (vgl. HANSA Nr. 7/2011, Seite 45f.). Schon ein Gramm weniger kann im Jahresverbrauch mehrere hundert Tonnen sparen. Im Gegensatz zu Wärtsilä geht MAN davon aus, dass die Langhubmotoren mit einem entsprechend hohen Prozentsatz an Abgasrückführung (AGR) ohne weitere Maßnahmen ausreichen, um im Dieselbetrieb die Grenzwerte der IMO Stufe III in den ECAs einzuhalten. Das Unternehmen hatte schon in den vergangenen Jahren die am Forschungsmotor in Kopenhagen mit AGR erzielten überaus guten Ergebnisse vorgestellt.

ABB präsentierte in Flensburg und in Hamburg auf der STG-Konferenz die neuesten Ergebnisse, die mit zweistufiger Abgasturboaufladung erzielt werden können, und stellte darüber hinaus die in Zusammenarbeit mit der Schaeffler-Gruppe für Großmotoren entwickelte variable Ventilsteuerung (Patent Fiat) vor. Zweistufige Aufladung und variable Ventilsteuerung müssen zum Beispiel beide zum Einsatz kommen, falls Viertaktmotoren zur Stickoxidminimierung mit extremem Miller-Effekt gefahren werden sollen. Während der hohe Aufladedruck für eine ausreichende Füllung des Motors sorgt, kann mit veränderten Steuerzeiten des Einlassventils ein einwandfreier Motorbetrieb im Teillastbereich und bei Leerlauf sichergestellt werden. In jedem Fall steckt in der zweistufigen Aufladung von Viertaktmotoren ein größeres Potenzial hinsichtlich der Verbesserung von Leistungsdichte, Wirkungsgrad und Emissionen als in der von Zweitaktmotoren, sagt ABB.

Über die Absichten von Caterpillar Motoren, verstärkt in die Entwicklung von Wechselmotoren einzusteigen, ist an anderer Stelle schon berichtet worden. Nachdem die Aufsichtsbehörden im Oktober dieses Jahres auch den Erwerb der MWM GmbH seitens der Muttergesellschaft Caterpillar Incorporated zuge­lassen haben, wird in Fachkreisen nicht nur mit einer Nutzung des Mannheimer Know-hows bei der Motorenentwicklung in Rostock gerechnet, sondern auch mit Veränderungen auf der Vertriebsseite bei MWM. Mit der Vorstellung und Bewertung umfassender Vergleichsrechnungen für unterschiedliche künftige Schiffsantriebe hat das Unternehmen auf dem Kongress der Hamburger Schiffsingenieure festgehalten, dass die Forderung zur Minderung der CO2-Emissionen nicht vom Antrieb her zu erfüllen ist, sondern hauptsächlich von der Wahl der Schiffsgeschwindigkeit. Das ist insofern keine überraschende Feststellung, als die benötigte Antriebsleistung mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit steigt. Der Antrieb kann zum Beispiel über die schon beschriebene zweistufige Aufladung graduell dazu beitragen.

Bei ganzheitlicher Betrachtung des Schiffsantriebs bieten allerdings andere Maßnahmen wesentlich größere Potenziale. Dabei geht es um die hier nicht zu behandelnde Schiffsführung und die Logistik des Gütertransports mit dem Schiff. Auf einzelne technische Lösungen hierzu wird noch eingegangen. Caterpillar beziffert das Einsparungspotential für Kohlendioxid mit maximal 5 % bei gleichzeitiger Anwendung von zweistufiger Aufladung und höherem »Zylinderspitzendruck«. Bei der Betrachtung der Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte von IMO Stufe III sieht das Unternehmen in der Lebensdauerkostenrechnung Gasmotoren gegenüber Motoren, die mit flüssigen Kraftstoffen arbeiten, deutlich im Vorteil. Caterpillar wörtlich: »Ihre hohen Anschaffungskosten rentieren sich nach sehr kurzer Zeit« (Anmerkung der Redaktion: Dabei kann es sich nur um Wechselmotoren handeln). Als unbeantwortete Fragen wurden die gerätetechnische Entwicklung von Abgaswäschern und die damit verbundene Entsorgung sowie die noch zu schaffende Infrastruktur für die Versorgung der Schiffe mit Gas und dessen Preisentwicklung in den Raum gestellt. Die Fragen haben völlig unterschiedliches Gewicht. Wäscher müssen noch entwickelt werden (Ausnahme Wärtsilä), während die Technik der Infrastruktur für das Gas weitgehend vorhanden ist. Und die Preisentwicklung? Siehe oben.

Um Kraftstoff zu sparen und damit zwangsläufig die CO2-Emissionen zu senken, stellte Schottel beim VSIH-Kongress verschiedene Antriebsvarianten für »grüne Schlepper« vor. Das Unternehmen sieht grundsätzliche Vorteile beim diesel- und beim gas-elektrischen Antrieb der Schlepper und bietet dafür seine Ruderpropeller »Combi-Drive SCD« an. Wesentliche Merkmale dieser Antriebe sind Elektromotoren mit hohem Wirkungsgrad und ein Leck­überwachungssystem. In diesem Zusammenhang wurde auch über den Stand der Technik bei Akkumulatoren und E-Maschinen berichtet. Danach liegt die Energiedichte der besten Alternative zum Bleiakku gerade mal bei Faktor 8, während die Lebensdauer, bezogen auf die Ladezyklen, bei Faktor 15 liegen soll. Über die Preis­unterschiede und damit die Investition und die Ersatzbeschaffung liegen keine Angaben vor.

Becker Marine Systems präsentierte auf dem VSIH-Kongress eine neue Kombination von Ruder und Propeller, die voll dem schon 1919 Victor von Alten patentierten Ruderpropeller entspricht, bei dem die Welle des Propellers in das Ruder integriert ist und das Ruder den Propeller trägt. Becker entwickelt diese »spezielle Kombination« in Zusammenarbeit mit Wärtsilä und nennt Gesamteinsparungen bis zu 8 %. Darüber hinaus propagiert Becker den »Mewis Duct«, mit dem Kraftstoffeinsparungen um 5 % erzielt und die Mehrkosten bereits nach einem Jahr ausgeglichen sein sollen.

Rolls-Royce stellte auf der STG-Tagung die an sich bekannten Vorteile der Gas-Ottomotoren gegenüber Dieselmotoren hinsichtlich aller Emissionen heraus und ging dabei auch auf den als Methanschlupf bezeichneten Austritt von Gas aufgrund unvollkommener Verbrennung ein. Die im Magergemischverfahren arbeitenden Ottomotoren haben nach Werksangaben, die auf Messungen neutraler Institute beruhen, eine Methanemission von etwa 3 g pro kWh. Rolls-Royce betont, dass diese Emission so gering sei, dass sie nicht zu Lasten der um 20 % geringeren CO2-Emission gegenüber Dieselmotoren gehe.


Hans-Jürgen Reuß