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Während der deutsche Seekaskomarkt für Reedereien wieder interessanter geworden sei, steigen die P&I-Raten. Trotz der Preiserhöhungen sieht , CEO des Versicherungsmaklers Junge & Co., aber noch keine negative Trendwende

Herr Hansel, wie hat sich aus Ihrer Sicht die Schadensentwicklung 2011 entwickelt? Gab es wieder ein verlustreiches Jahr für[ds_preview] den Versicherungssektor?

Rüdiger Hansel: Nach den uns zur Verfügung stehenden Informationen ist ein Aufwärtstrend in der Frequenz der Schäden als auch in der Schadenhöhe zu verzeichnen, mit einer hohen Anzahl von Grundberührungen und Kollisionen, die sehr häufig zu sehr hohen Schadenbelastungen führen.

Welche Rolle spielt dabei der Faktor Mensch?

Hansel: Der Faktor Mensch hat in der Vergangenheit und wird auch in der Zukunft einen wichtigen Faktor spielen.

Lassen sich die Risiken der neuen ultragroßen Containerschiffe problemlos an den Märkten decken?

Hansel: Aus unserer Sicht ist international genügend Kapazität selbst für ultragroße Containerschiffe vorhanden.

Bei einigen Totalverlusten sollen sich Kaskoversicherer geweigert haben, den vollen Schaden zu bezahlen, weil die Taxe zu hoch angesetzt gewesen sei. Den Kunden wurde vorgeworfen, das Schiff überversichert zu haben.

Hansel: Nach unserer Recherche gibt es in der jüngsten Vergangenheit keine Fälle, in welchen Kaskoversicherer in Totalverlustfällen die Zahlung der Höhe nach verweigert haben. Entsprechende Klauseln sind in fast allen Policen integriert.

Wie schätzen Sie den Prämientrend bei Seekasko ein?

Hansel: Insbesondere 2011 haben wir auf globaler Ebene eine erhebliche Anzahl neuer Versicherer registrieren können, die im Kaskogeschäft mit Nebensparten zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung gestellt haben. Gleichwohl, abgesehen von geringen Ausnahmen, ist der Markt insgesamt relativ stabil geblieben, wobei es durchaus verlaufsbedingte Erhöhungen gab.

Wie entwickelt sich das Kapazitätsangebot der großen Seekaskomärkte London und Skandinavien?

Hansel: Das Kapazitätsangebot in Skandinavien blieb 2011 relativ stabil, wohingegen im Londoner Markt einige neue Player zu verzeichnen waren.

Gibt es durch neue Führungsversicherer auffällige Wechsel deutscher Flotten im internationalen Markt?

Hansel: Auch im deutschen Markt hat sich die Anzahl von Führungsversicherern im Kaskobereich erhöht. Insbesondere für deutsche Reeder ist der deutsche Kaskomarkt in den vergangenen Jahren wieder interessant geworden und wurde häufiger als Führungsmarkt gewählt. Eine Tendenz zur Zunahme von Maklerwechseln konnten wir 2011 aber wie in den Vorjahren nicht beobachten.

Sehen wir im Bereich P&I die Wende nach zwei soften Jahren – und bald wieder zweistellige Beitragssteigerungen?

Hansel: Für die anstehenden Verlängerungen zum 20. Februar 2012 fordern die P&I Clubs der International Group im Schnitt eine generelle fünfprozentige Prämienerhöhung. Dies ist aus unserer Sicht keine Trendwende, sondern spiegelt die Situation ansteigender Schäden und geringerer Investmentreturns wieder.

Können neue Flotten bei Clubwechsel bzw. Erstaufnahme immer noch Rabatte bei den P&I-Raten erzielen?

Hansel: Bei einem Wechsel von einem internationalen Club zum anderen ist nach den Regularien aller P&I Clubs eine Konkurrenz im ersten Jahr nicht möglich. Bei Gründung einer neuen Reederei ist diese frei in ihrer Entscheidung, bei welchen P&I Clubs die Schiffe versichert werden.

Wann wird sich der P&I-Markt konsolidieren? Wird »Solvency II« die Clubs zu Fusionen zwingen?

Hansel: Im Markt spricht man davon, dass sich die Anzahl der P&I Clubs in den nächsten fünf Jahren durchaus von derzeit 13 auf 10 reduzieren könnte.

Der Bund treibt jetzt nachträglich die Versicherungssteuer auf Schiffsversicherungen ein. Viele Reedereien sehen sich mit erheblichen Steuerforderungen konfrontiert. Haben sich Reeder, Makler, Kasko- und P&I-Versicherer darüber verständigt, wie die Steuer künftig abgewickelt wird?

Hansel: Es ist richtig, dass aufgrund von Vorträgen dieses Thema im Fokus von vielen Marktteilnehmern ist und entsprechende Lösungsansätze überprüft werden. Konkreteres kann man dazu meines Wissens noch nicht sagen.

Ein heißes Thema ist weiterhin die Piraterie. Die Lösegeldzahlungen schnellen in die Höhe, zuweilen bis auf 10 Mio. $ pro Entführung. Da wundert es nicht, dass das Interesse der Reeder an entsprechenden Versicherungen steigt.

Hansel: Dass der Bereich Kidnap & Ransom (K&R) einmal so ein großes Thema in der Schifffahrt wird, hätte niemand gedacht. Traditionell waren solche Entführungsversicherungen ja als Schutz von Prominenten, Geschäftsleuten oder Superreichen gedacht. Nun finden sie zunehmend auf Schiffen Einsatz, um im Krisenfall mit Expertenhilfe adäquat auf Kaperungen zu reagieren und um die Lösegeldzahlungen schneller zu organisieren. Die Anzahl der Versicherer ist aber noch überschaubar.

Abschließend ein paar Worte zu Ihrem Unternehmen: Wie sehen die weiteren Wachstumsziele von Junge & Co. aus?

Hansel: Wir versuchen für die Gruppe weitere Standorte aufzubauen und in allen Bereichen auch organisch weiter zu wachsen. Konkret bedeutet das, in Europa Teams und freie Makler zu akquirieren und parallel unser außereuropäisches Netzwerk zu stärken, indem wir Reedereien vor Ort als neue Kunden gewinnen. Allerdings ist die Rekrutierung von Fachleuten nicht leicht.


Michael Hollmann, Nikos Späth