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Neues VHT-Webportal verspricht bessere Übersicht und weniger Datenbrüche

Der Schadenbearbeitungsprozess kann noch gestrafft und beschleunigt werden. Darüber sind sich Seekaskoversiche­rer, Claims-Handler und Versicherungs­nehmer wohl einig[ds_preview]. Den Weg dahin könnte der elektronische Geschäftsverkehr wei­sen. Einen Vorstoß in diese Richtung macht nun der Verein Hanseatischer Transportversicherer (VHT) mit der Einführung der »Online-Zertifizierung«. Der Begriff Zertifizierung beschreibt den Prozess der Feststellung des wirtschaftlichen Schadens durch Prüfung und Abgleich aller schadenrelevanten Dokumente, Aufwendungen und Versicherungsbedingungen. Am Ende steht dann eine Übersicht aller Aufwandspositionen mit den jeweiligen Kostenanteilen von Kaskoversicherern und Schiffseignern. Im Laufe des Prozesses wird eine Vielzahl von Kommentaren, Einwänden und Korrekturen zwischen Führungsversicherer, VHT-Schadensbearbeitern und dem Versicherungsmakler des Reeders ausgetauscht. Bislang geschah dies überwiegend per

E-Mail und Telefon; alle Änderungen mussten dann manuell in einer Excel-Tabelle zusammengeführt werden.

Das neue Web-Portal des VHT, der als zentrales Schadensbearbeitungsbüro für den deutschen Seekaskomarkt über 2.000 hierzulande versicherte Schiffe betreut, erlaubt Maklern, Versicherern und eigenen Sachbearbeitern simultanen Zugriff auf alle schadenrelevanten Daten und die direkte Eingabe aller Kommentierungen im System unter www.cert.vht-online.com/login. Das soll die Übersicht erhöhen sowie Schnittstellen und Brüche beim Datenaustausch eliminieren. Rund zwanzig Makler und Versicherer seien inzwischen aufgeschaltet.

»Wenn sie sich einloggen, sehen sie sofort, welche Claims sie mit uns haben. Alle sind auf demselben Stand«, sagt VHT-Hauptgeschäftsführer Dennis Brand. Sein Team habe sich gründlich am Markt umgeschaut, aber kein System gefunden, das eine so umfassende Funktionalität biete. Änderungen und Ereignisse in der Schadenbearbeitung ließen sich für die Beteiligten chronologisch nachvollziehen. Außerdem seien die meisten schadenrelevanten Dokumente von der Havariemeldung des VHT über Rechnungsbelege bis zu den Besichtigungsberichten nach Schadennummer und Schiffsname auf der Plattform gebündelt. »Wir stellen die elementaren Bestandteile der Schadenakte online zur Verfügung. Die Makler müssen keine Akten mehr herumschleppen«, verdeutlicht Brand. Stattdessen könnten sie vom Kunden aus per Mausklick auf Berichte und Belege zugreifen. Auch für Sachverständige, die viel in der Welt unterwegs sind, sei der Online-Zugriff sehr komfortabel. Was in anderen Bereichen wie der Logistik oder dem Maschinenbau, wo Mitarbeiter über Ländergrenzen hinweg in derselben virtuellen Welt arbeiten, längst an der Tagesordnung ist, stellt in der Seeversicherung ein absolutes Novum dar. Die Branche ist nicht gerade bekannt für Innovationsfreudigkeit. Vertragsabschlüsse, Verwaltung und Schadenbearbeitung gehen in der Regel mit einer solchen Papier- und Aktenlast einher, dass eine Reform der Prozesse an den großen Seeplätzen längst überfällig erscheint. In London haben sich die Versicherungsbörse Lloyd’s und der Branchenverband International Underwriting Association das Thema E-Commerce schon vor Jahren auf die Fahne geschrieben – nicht ohne spektakuläre Rückschläge wie dem Scheitern der teuren elektronischen Handelsplattform Kinnect bei Lloyd’s im Jahr 2006. Ganz ohne Papier kommt die Online-Zertifizierung des VHT allerdings auch nicht aus. Das fertige Zertifikat muss am Ende immer noch ausgedruckt und verschickt werden, die Nutzer können nur den »Draft« im pdf-Format betrachten. Die Rechnungsbelege müssen ebenfalls wie gehabt eingereicht werden.

Mehrere hundert Schäden seien inzwischen in das System eingespeist worden, dessen Entwicklung Ende 2010 begann und von dem sich Brand Wettbewerbsvorteile gegenüber den internationalen Kaskomärkten verspricht. »Der Service ist die einzige Schraube, an der wir drehen können. Auf die Prämienfindung haben wir ja keinen Einfluss«, erklärt er.

Dabei ist die Online-Zertifizierung nur ein Teil eines größeren Maßnahmenkatalogs. Ziel ist die Optimierung und Harmonisierung der Prozesse an den beiden VHT-Standorten Bremen und Hamburg, die auch nach der Fusion der beiden Vorgängerorganisationen – dem Verein Hamburger Assecuradeure sowie dem Verein Bremer Seeversicherer – in unterschiedlichen Welten verhaftet geblieben seien. »Unser mittelfristiges Ziel ist es, dass Sie nur noch an der Telefonnummer erkennen, mit welchem Büro Sie sprechen«, bringt Brand es auf eine griffige Formel.

Vielleicht kann die Online-Zertifizierung auch mit dazu beitragen, dass die Zeichnungskapazität für Seekasko in Deutschland wieder zunimmt. Nur noch ganz wenige Gesellschaften betreiben das Geschäft als führender Versicherer. »Wir haben mit großen Versicherern gesprochen, die wieder Kasko machen wollen«, schildert Brand. »Das neue System ist dabei ein Argument mehr für sie, weil es die Kontrolle über die Schäden erhöht.«