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Die Logistik für Offshore-Windenergieanlagen ist äußerst komplex, sowohl in der

Installations- wie der Betriebsphase. Zu den wichtigsten Beratern der jungen Branche gehört die Logistik Service Agentur aus Bremerhaven.

Installation und Betrieb von Windenergieanlagen auf hoher See seien wie eine Reise zum Mond, sagen Experten gern, wenn sie Unerfahrenen[ds_preview] einen Eindruck der Herausforderungen vermitteln möchten. Transport und Logistik für die einzelnen Projektphasen haben es ebenso in sich. Schnelligkeit und ständige Bereitschaft sind das A und O für die Dienstleister. Das wird bei einer Fahrt durch Bremerhavens wachsenden Produktions-Cluster gleich deutlich.

Durch den Fischereihafen peitscht Regen und eisiger Wind. Bei dem Wetter möchte man keinen Hund rausjagen. Schon gar nicht möchte man draußen auf See sein – erst recht nicht dort arbeiten. Die Installation von Offshore-Windenergieanlagen legt unter solchen Bedingungen häufig eine Zwangspause ein. Schon seit einer Woche liegt an der Kaje des Fischereihafens bereits »Maersk Finder« – ein Offshore-Plattformversorger –, beladen mit Rammpfählen für einen Windpark nördlich von Borkum. Die gigantischen Rohre können auf der Baustelle mitten im Meer derzeit nicht sicher angelandet werden. Von einer Stunde zur nächsten kann sich die Lage aber wieder ändern, dann müssen ganz schnell Hebemittel, Schwerlastachsen und anderes Equipment in Gang gesetzt werden.

»Das Geschäft erfordert eine schnelle Reaktionsfähigkeit«, sagt Roger Heidmann, Geschäftsführer der Logistik Service Agentur (LSA), wenn man ihn auf die wichtigsten Anforderungen anspricht. »Es geht darum, die Supply Chains so auszurichten, dass wir die Wettfenster treffen.« Man müsse alle Lieferungen immer aus Sicht der Offshore-Baustelle planen und steuern, »von dort geht man dann rückwärts im Prozess bis zum Herstellerwerk«, verdeutlicht der Experte. Heidmann, der seine Laufbahn in der Logistik als Seegüterkontrolleur in Bremen begann und später ein Diplom als Wirtschaftsingenieur für Transportwesen draufsattelte, ist seit der Stunde Null dabei. Als er kurz nach der Jahrtausendwende bei seinem früheren Arbeitgeber in Brake begann, sich mit Windenergieanlagen zu beschäftigen, waren die Prototypen der heutigen Offshore-Anlagen noch in der Entwicklung. Inzwischen kommen Serienfertigung und Installation großer 5- bis 6-MW-Anlagen auf See richtig in Gang. Damit Offshore-Strom langfristig wettbewerbsfähig wird, müssen die Gesamtkosten aber kräftig gesenkt werden. »Die Projekte müssen beschleunigt werden«, sagt Heidmann. Dabei spiele die Logistik, die laut Schätzungen über 20 % der Projektkosten ausmacht, eine entscheidende Rolle.

Kunden erwarten Ergebnisverbesserung

Aufgrund der geringen Stückzahlen fehlt der jungen Industrie bei Transport und Umschlag der Großkomponenten vom Werk bis zur Offshore-Baustelle noch die Routine. Die Optimierung dieser Kette steht für die LSA, mit der sich Heidmann 2004 selbständig gemacht hat, im Vordergrund. Als »Fourth Party Logistics Provider« (4PL) berät die Firma Anlagenher­steller und Projektentwickler, beschreibt Prozesse und überwacht quasi als verlängerte Werkbank der Logistikabteilung der Kunden die Durchführung. Die Einsparungen für den Kunden müssen die Beratungskosten deutlich übertreffen. »Wenn wir eine Rechnung schreiben, liegt die Ergebnisverbesserung für den Kunden mindestens beim Faktor 1 zu 3. Sonst würden wir uns gar nicht rechtfertigen«, meint Heidmann.

2011 hat sich seine Firma mit der Transportplanung für eine Trafostation in der Ostsee beschäftigt, Verladungen von Gründungspfählen organisiert oder für andere Kunden Schiffe eingechartert. Außerdem bereitet sich die LSA auf die Baufeldüberwachung als »Windpark Co-Ordinator« für ein Projekt in der Nordsee vor.

Direkt vor der Haustür in Bremerhaven hat sich mit Anlagenherstellern wie Re­power und Areva oder der Stahlbaufirma WeserWind ein wichtiger Markt entwickelt. Auch Wirtschaftsförderer und Behörden der Region vertrauen auf das Know-how der LSA, wenn es um Standortentwicklung und Hafenplanung für Unternehmen der Offshore-Windenergie geht. So haben Heidmann und sein Team unter anderem am Konzept für das geplante neue Offshore-Terminal Bremerhaven mitgewirkt, das in den nächsten drei Jahren im Blexer Bogen der Weser realisiert werden soll.

Acht Festangestellte und zwei freie Mitarbeiter umfasst das Team, das sicher weiter anwachsen werde. »Wenn Sie zwei bis drei Leute haben, nehme ich die gern noch dazu«, sagt Heidmann. Auch über weitere Standorte wird jetzt nachgedacht. »Konkret ist im Augenblick Hamburg ein Thema. Wir überlegen, dort 2012 ein Büro aufzumachen.« Hamburg werde als Markt immer wichtiger, weil viele Anlagenbauer und Windenergiefirmen dort ihre Logistikabteilungen angesiedelt haben. Diese nominieren die Dienstleister und schließen die Verträge ab.

22,5 Mio. t Umschlagpotenzial

Das Auftragsvolumen in der Offshore-Logistik dürfte sich in den nächsten Jahren vervielfachen. Nach Einschätzung der Marktforschungsfirma WindResearch wird der Zubau von Offshore-Windenergieanlagen vor der deutschen Küste nächstes Jahr bei 100 bis 150 liegen und sich bis 2020 auf 180 bis 220 Einheiten pro Jahr beschleunigen. Die Beratungsfirma Barkawi geht von einem Gesamtumschlagpotenzial in Zusammenhang mit Offshore-Windenergie von 22,5 Mio. t bis zum Jahr 2030 für die deutschen Seehäfen aus. Umsatzmäßig taxieren die Experten den Logistikbedarf vom Installationsschiff bis zum Ersatzteillager auf mindestens 12 Mrd. €.

Eine Standardisierung der Logistikprozesse sei nur partiell möglich – zum Beispiel im Zulauf der Bauteile in die Montagewerke der Windanlagenhersteller, ist Heidmann überzeugt. »Bei den Vorlieferungen kann man auf die ganz normalen Standardtransportsysteme bauen. Das gibt der klassische Transportmarkt her«, erklärt er. Bei der Schwergutlogistik für die großen Anlagenkomponenten Gondel, Rotorblätter und Turm lägen die Dinge anders. »Im Anlagenbau wird heute während der Produktion optimiert. Das heißt, dass bestimmte Eckwerte morgen schon nicht mehr stimmen können«, verdeutlicht der Experte.

Daraus ergäben sich Konsequenzen für Schwerpunktberechnungen, Stabilität der Transportmittel, Genehmigungen usw. »Wenn jemand nur 5 cm an einem Modul verändert, muss die ganze Kette neu geplant werden.« Ohnehin seien die Anlagen der verschiedenen Hersteller zu unterschiedlich und die Stückzahlen zu gering, als dass man Transportgestelle und Hebemittel vereinheitlichen könnte. Erstere würden von den Herstellern ohnehin parallel zu den Anlagen mitentwickelt. Wichtiger sei für ihn das Thema Flexibilität. »Wir müssen die ersten Projekte erst mal hinkriegen. Dazu sollten wir die Ressourcen in der Logistik darauf richten, reaktionsschnell zu sein und die Wetterfenster zu treffen.«
Michael Hollmann