Print Friendly, PDF & Email

Nach dem Einstieg des US-Investors AMA spricht Lloyds-Fonds-Chef im Interview über seinen Strategiewandel, die Bündelung von Einschiffsgesellschaften in größere Einheiten und die Neuausrichtung des KG-Modells

Herr Dr. Teichert, durch eine Kapitalerhöhung und den Einstieg des US-Investors AMA Capital Partners hat sich Lloyd Fonds[ds_preview] von seinen Altlasten befreien können. Die Enthaftung durch die Banken wurde zu Jahresanfang abgeschlossen. Was verspricht sich der neue Aktionär, wo soll die Reise hingehen?

Torsten Teichert: AMA hat keinen geheimen Masterplan, mit dem er hier antritt. Die Firma glaubt daran, dass man auch in Zukunft in Deutschland Geld von Kunden einwerben kann, um in Schiffe zu investieren. Die Amerikaner haben über lange Jahre den KG-Markt verfolgt und gesehen, dass dabei Volumina investiert wurden, die man im Retail-Investorenmarkt in den USA nie stemmen konnte – abgesehen vom kurzen Hype der Schifffahrtsbörsengänge in New York. AMA glaubt an unser Geschäftsmodell und dass der Markt zurückkommt. Das Wissen und die Erfahrung der Emissionshäuser, Vertriebe, Banken und Kunden sind schließlich nicht weg.

Die Erholung hängt vor allem von der Entwicklung der Schifffahrtsmärkte ab, denn wir wissen, dass es keine KG-Krise gibt, sondern eine große Schifffahrtskrise. Der KG-Markt verhält sich nur systemkonform. Natürlich haben die Amerikaner auch eine andere Herangehensweise. Wenn das Glas halb leer ist, dann fängt der normale Deutsche an, Sahara-Wahnvorstellungen zu haben und vom Verdursten zu reden. Amerikaner hingegen sehen eher die Chance, das Glas wieder ganz voll zu bekommen.

Nun hat sich Lloyd Fonds gerade aufgrund strategischer Differenzen von seinem Vorstand Michael Seidel getrennt. Das könnte man als Hinweis interpretieren, dass die neuen Gesellschafter auf Veränderungen drängen.

Teichert: Das war eine interne Angelegenheit hier im Haus, mit der AMA nichts zu tun hatte.

Gibt es schon einen Nachfolger?

Teichert: Sicher wird es auf Dauer keinen Alleinvorstand geben. Ich gehe davon aus, dass wir innerhalb der nächsten Wochen zu einer neuen Lösung kommen werden.

Sie haben gesagt, dass die klassische Einschiffs-KG aus Ihrer Sicht tot sei. Inwiefern müssen die Anlagemodelle angepasst werden, damit sich der Platzierungsmarkt für Schiffe wie erhofft erholen kann?

Teichert: Zu der Aussage stehe ich nach wie vor. Das Problem ist, dass die typische Einschiffsgesellschaft dem Anleger ein dreifaches Risiko auferlegt: das Bonitätsrisiko beim Charterer, das Marktrisiko und das Schiffsbetriebskostenrisiko. Das ist eine ganze Menge im Vergleich zu einem Kredit oder einer Anleihe, wo ich nur ein Unternehmensrisiko habe. Insofern müssen wir neue Modelle bauen, die diese Risiken mini­mieren. Das können zum Beispiel Bareboat-Charter, größere Einheiten mit mehreren Schiffen oder auch 100 %-Eigenkapital-Fonds sein.

Die Rettung der in der Krise angeschlagenen Bestandsfonds erfordert wohl einen Großteil der Aufmerksamkeit. Wie wollen Sie da nebenher neue Modelle entwickeln?

Teichert: Wenn man sich den Markt da draußen anschaut, ist klar, dass man sich derzeit als Emissionshaus im Bereich Schiff nur ganz wenig Neugeschäft erlauben kann. Wir tun also gut daran, 80 % unserer Energie auf den Bestand zu konzentrieren und die 2 Mrd. € Eigenkapital, die wir verwalten, gut über die Runden zu kriegen. Je besser uns das gelingt, desto besser wird unsere Ausgangsposition im nächsten Jahr sein. Dazu werden auch die Organigramme der Emissionshäuser einmal über die Achse gespiegelt: Früher kamen oben die Akquiseabteilungen, dann der Vertrieb und ganz unten erst die Bestandsverwaltung. Heute steht das Bestandsgeschäft oben und das Neugeschäft unten.

Andererseits sind die alten Schiffe vielleicht auch die neuen Schiffe, will heißen: Aus den Beständen heraus entwickeln sich neue Modelle. Um die einzelnen Schiffs-KGs, die wir heute haben, zu retten, müssen wir von den Banken die Prolongierung der Finanzierungen bekommen, wir müssen neues Eigenkapital einsammeln, brauchen Working Capital etc. Dann stehen wir jedes Mal vor der Frage, ob wir das noch einmal auf Einschiffsebene machen können oder ob wir dazu neue größere Einheiten bilden sollten.

Damit würden Sie der Forderung der Banken nach einer »Corporatisation« gerecht – der Bündelung von Schiffen auf einer Bilanz, um eine größere Haftungsbasis und einen Liquiditätsausgleich zu ermöglichen.

Teichert: Ich weiß nicht, ob ein großer Corporate der Weisheit letzter Schluss ist. Ich höre inzwischen auch bei einigen Banken, die mit Chapter-11-Restrukturierungen in den USA zu tun haben, etwas mehr Vorsicht heraus. Ein KG-Schiff kann man in Krisenzeiten schneller nehmen und verwerten. Versuchen Sie das mal bei einem Corporate in den USA, wenn sich 25 Anwälte und 47 Banken in einer großen Halle in Phoenix treffen und zwei Jahre darüber diskutieren, wem was gehört.

Das heißt, Sie denken nicht weiter in diese Richtung?

Teichert: Doch, das tun wir sicherlich schon. Allerdings sollten wir die Vorteile der Projektfinanzierung nicht zu sehr verdammen. Bei der Zukunftssicherung der Bestandsschiffe, die wir im Finanzmanagement haben, diskutieren wir auch solche Möglichkeiten: ob man die Schiffe in größeren Einheiten bündeln sollte, mit einer Überkreuzbesicherung und Einnahmen-Poolung. Aber es ist nicht entschieden. Die Frage ist immer auch, wo der Nutzen für den Anleger liegt. Wenn ich ein Schiff in einen großen Pool mit 50 anderen einbringe, dann habe ich ein 50-Schiff-Durchschnittsrisiko. Das ist so, als ob ich mir einen Indexwert kaufen würde. Es ist fraglich, ob solch eine Einheit handelbar sein kann, denn es geht schließlich auch um die Liquidität der Anteile. Die Handelbarkeit dürfte bei großen Einheiten größer sein.

Welcher Anleger möchte schon sein gut laufendes Schiff mit einem insolvenzgefährdeten Schiff in einem Pool zusammenlegen? Sind die Interessen auf der Kapitalseite nicht viel zu heterogen für eine Konsolidierung der Bestandsschiffe?

Teichert: Da gibt es denkbare Szenarien. Stellen Sie sich ganz vereinfacht vor, Sie haben ein gutes Schiff, bei dem das Eigenkapital noch 90 % beträgt, und ein schlechtes Schiff, bei dem es durch Wertverfall auf 10 % abgesackt ist. Wenn Sie diese beiden Schiffe in eine Einheit zusammenlegen, erhält der eine eben 90 % vom Wert und Ertrag und der andere nur 10 %.

Sie können die Schiffe zu unterschiedlichen Werten in eine Struktur binden, das ist nur eine Bewertungsfrage, wie bei jedem Merger auch. Ein gemeinsamer Vorteil könnte sein, dass es eine günstigere Verzinsung bei den Banken gibt, dass Sie leichter neues Eigenkapital einwerben können oder vielleicht eine höhere Handelbarkeit des KG-Anteils herstellen. Das muss man von Fall zu Fall betrachten.

Welche Schiffe bei Lloyd Fonds kämen dafür in Frage?

Teichert: Wir müssen uns zum Beispiel überlegen, was wir mit den Schiffen machen, die in der Abbaubank der HSH Nordbank sind. Das sind 21 Einheiten. Da muss etwas getan werden, weil die HSH diese Schiffe nach eigenen Aussagen nur noch bis Ende 2014 weiter finanzieren wird. Wir brauchen also eine Refinanzierung – und zwar schon vor 2014, denn für die Fortführungsprognosen unserer Schiffe müssen wir stets vorweisen können, dass die Finanzierung durch die Bank zwei Jahre im Voraus gesichert ist. Wenn heute der 1. Januar 2013 wäre, hätten wir da schon ein Problem, weil es bis zum 31.12.2014 keine zwei Jahre mehr sind. Nun wird man im heutigen Marktumfeld nirgendwo auf der ganzen weiten Welt jemanden finden, der eine solche Flotte einzeln refinanzieren wird. Jeder der heute bereit ist für eine Refinanzierung, will dafür zuerst einmal ein neues Modell debattieren. Dann sind wir beim Thema Corporatisation und bei der Restrukturierung. Dann müssen wir aus Altem etwas Neues machen.

Wie weit sind Sie in diesem Prozess schon?

Teichert: Zunächst gilt festzuhalten, dass es ja die HSH Nordbank war, die uns mitgeteilt hat, dass sie rund 20 unserer Schiffe nicht über 2014 hinweg finanzieren will. Also haben wir uns auf die Suche nach einer neuen Bank gemacht. Obwohl dies im aktuellen Marktumfeld sicherlich nicht einfach ist, sind wir optimistisch, dass es klappt. Sobald dies geklärt ist, wenden wir uns an die Fondsgesellschaften und werden mit ihnen das weitere Vorgehen besprechen.

Sind bis Frühjahr konkrete Lösungen zu erwarten?

Teichert: Das ist unser Ziel. Ob es klappt, kann ich nicht sagen. Es wird bestimmt nicht die eine große Superlösung geben. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern auch andere Varianten. Wir haben einzelne Schiffe gesehen, die man durchaus einzeln refinanzieren konnte. Dann gibt es das andere Schiff, bei dem die Anleger doch noch einmal 7 Mio. € nachschießen. Aber im Großen und Ganzen geht es schon darum, neue Modelle für die alten Schiffe zu bauen.

Neben größeren Einheiten mit mehreren Schiffen nannten Sie vorhin auch einen höheren Eigenkapitalanteil als neues Merkmal. Ist das der Not geschuldet, dass die Banken keine hohen Finanzierungen mehr bereitstellen wollen?

Teichert: Hier decken sich die Interessen von Anlegern und Banken zu einem gewissen Grad. Wegen Basel III und der erforderlichen höheren Kapitalunterlegung der Darlehen können die Banken keine so hohen Fremdkapitalanteile mehr liefern. Andererseits herrscht bei vielen Anlegern auch ein größeres Misstrauen gegenüber den Banken. Man sagt, zwar, die Bank steht immer an Deiner Seite. Aber Du weißt doch nie, ob sie Dir vielleicht in die Kniekehlen tritt, wenn ein Kreditereignis vorliegt, wozu sie ja durchaus berechtigt ist. Bei Fonds mit einem hohen Fremdkapitalanteil verbrennt das Eigenkapital schneller. Also gibt es bei Privatkunden wie auch bei institutionellen Anlegern zunehmend das Interesse, möglichst wenig Fremdkapital aufzunehmen.

Wir werden wohl keine Welt mit ausschließlich 100-%-Eigenkapitalfonds bekommen, aber der Trend geht in diese Richtung. Auf jeden Fall geht der Leverage-Hebel nach unten. Die Liquiditätssituation der Fonds wird dadurch ebenfalls entspannt, weil ich keinen Zins und keine Tilgung mehr zahlen muss. Man kann ein Schiff dann auch mit einer Rate fahren, die den Betriebskosten plus einem Dollar entspricht. Schlimmstenfalls bekommt der Anleger ein paar Jahre kein Geld, aber es gibt keinen Konflikt mehr mit den Banken.

Was bedeutet das für die Weichkosten der Fonds? Wenn das traditionell günstigere Fremdkapital wegfällt und die Anleger alles alleine stemmen, bekommt das Eigenkapital die Vertriebsprovisionen und Konzeptionsgebühren härter zu spüren.

Teichert: Diese hohen Upfront-Gebühren wird es nicht mehr geben, das ist ganz einfach. Bei einem 100-%-Eigenkapitalfonds kann man es sich nicht leisten, 15 % für die Vertriebsprovision auszugeben. Wenn ich 15 % auf 30 % Eigenkapital bezahle, sind das auf den ganzen Fonds bezogen 5 Mio. €, wenn man von einem Volumen von 100 Mio. € ausgeht. Würde ich 15 % auf 100 % Eigenkapital zahlen, wären gleich

15 Mio. € verbrannt, das hält kein Fonds aus. Es wird stärker erfolgsorientierte Provisionen geben, wie bei den Private-Equity-Modellen. Wenn wir gutes Geld verdienen, kannst Du einen großen Teil abhaben. Wenn wir nichts verdienen, kriegst Du auch nichts.

Welche anderen Innovationen braucht das Anlageprodukt Schiff?

Teichert: Ganz wichtig ist das Management. Die reine Asset Company, bei der die meisten an dem Schiff verdienen statt mit dem Schiff, hat ausgedient. Die Geschäftsführer der Einschiffsgesellschaften sind nicht mit ihrem eigenen Geld beteiligt. Für die Bereederung ist eine externe Schiffsmanagementgesellschaft verantwortlich, und dann gibt es noch die Treuhandorganisa­tion. Es wäre gut, wenn wir Konstruktionen entwickeln, bei denen die Leute direkt in der Fondsgesellschaft angestellt sind. Die Sachwerte sollen von Menschen gemanagt werden, die mit ihrem Kopf, ihrem Einkommen und ihrem Bonus für das haften, was sie da tun. Nicht von Leuten draußen, denen die Performance relativ egal sein kann. Damit hätte man den Alternative Investment Fund Manager (AIFM), der laut EU-Richtlinie künftig den Hut aufhaben soll, auch klar definiert.

Die Treuhandfunktion wird es aber weiterhin in der heutigen Form geben. In diesem Bereich, sagten Sie, wolle Lloyd Fonds Marktanteile durch Konsolidierung hinzugewinnen. Wie soll das vonstattengehen?

Teichert: Auf der Reedereiseite sehen wir, wie sich mit Döhle und Erck Rickmers/Komrowski zwei größere Einheiten im Markt herausbilden. Ich denke, dieselbe Entwicklung wird es spiegelbildlich auch im Bereich der Treuhand geben. Viele Emissionshäuser hatten das Treuhandgeschäft eher vernachlässigt und können sich mit den geringen Einnahmen aus diesem Bereich keinen vernünftigen Betrieb leisten. Die Frage, wie man solche größeren Plattformen hier aufbauen kann, steht für Lloyd Fonds neben der Refinanzierung und Rettung der Bestandsflotte dieses Jahr strategisch im Mittelpunkt. Wir spielen mit dem Gedanken, uns da als dritte größere Einheit zu positionieren.

Inwieweit hilft Ihnen dabei, dass Sie ein börsennotiertes Unternehmen sind? Viele Unternehmen der Schifffahrt und Schiffsfinanzierung beschäftigen sich jetzt erst damit, wie sie sich für den Kapitalmarkt interessant machen können.

Teichert: Als wir damals an die Börse gingen, konnten viele das nicht nachvollziehen. Heute muss man darüber gar nicht mehr diskutieren. Als börsennotiertes Unternehmen sind wir schon sehr gut für die AIFM-Richtlinie vorbereitet, das erschreckt uns alles nicht. Tatsächlich ist die AIFM-Regulierung ganz dicht dran an den Regularien für ein börsennotiertes Unternehmen. Zweitens haben wir mit dem Einstieg von AMA bei uns gesehen, dass der Mantel einer börsennotierten Firma sehr hilfreich sein kann – nicht nur der Mantel, sondern auch das damit verbundene Reporting.

Auch mit Blick auf den Strukturwandel der Branche, die Bildung größerer Einheiten und Kooperationen ist die Börsennotierung hilfreich. Heute ist es wichtig, dass man offen und fantasiereich ist. Als Lloyd Fonds sind wir leichter bereit, uns in Kooperationsprojekte hineinzudenken.

Michael Hollmann, Nikos Späth