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Im ersten Teil seiner Überblicksdarstellung über den Referentenentwurf des Justizministeriums skizziert Rechtsanwalt Christian Wirtz zunächst einzelne Regelungsgegenstände des geplanten Gesetzes

1. Einleitung

Das zurzeit geltende deutsche Seehandelsrecht, das sich im 5. Buch des HGB findet, wird seit langem[ds_preview] als reformbedürftig angesehen. Vor diesem Hintergrund beauftragte das Bundesministerium der Justiz (BMJ) im Jahr 2004 eine Sachverständigengruppe, Vorschläge zur Reform des Seehandelsrechts zu entwickeln und so das BMJ bei der Reform zu unterstützen. Die Sachverständigengruppe legte ihren Abschlussbericht im Sommer 2009 vor.

Das fünfte Buch des HGB wurde von der Sachverständigengruppe als derart veraltet angesehen, dass dem BMJ eine völlige Neufassung anstelle einer Reform vorgeschlagen wurde. Das BMJ leitete im Herbst 2009 den Entwurf der Neufassung an die beteiligten Kreise – wie Wirtschaftsverbände, Jus­tizverwaltungen, Industrie- und Handelskammern – mit der Bitte um Stellungnahme weiter. Auf der Grundlage des Sachverständigenentwurfs und der eingegangenen Stellungnahmen erarbeitete dann das BMJ einen Referentenentwurf, der den beteiligten Kreisen im Mai 2011 zur abschließenden Stellungnahme übersandt wurde.

Zunächst sollen an dieser Stelle die einzelnen Regelungsgegenstände des geplanten Gesetzes kurz angesprochen werden, eine detaillierte Besprechung der jeweiligen Materie folgt in den nächsten HANSA-Ausgaben im Anschluss.

2. Personen der Schifffahrt

Personen der Schifffahrt sind nach dem Referentenentwurf zur Reform des fünften Buches des HGB:

• der Reeder, § 476 RE,

• der Ausrüster, § 477 RE, und

• die Schiffsbesatzung, § 478 RE

3. Stückgutfrachtverträge

Der Referentenentwurf kennt zwei verschiedene Vertragstypen des Seehandelsrechts, die beide als Seefrachtvertrag bezeichnet werden, den Reisefrachtvertrag – § 527 RE, s. u. – und den Stückgutfrachtvertrag, wobei der Stückgutfrachtvertrag gem. § 481 RE die »Grundform« des Seefrachtvertrages darstellt, was sich nicht zuletzt aus der systematischen Stellung ergibt. Nach dem RE handelt es sich beim Stückgutfrachtertrag um einen Vertrag, nach welchem sich der Verfrachter verpflichtet, das Gut mit einem Schiff über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern, § 481 I RE.

3.1 Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Vertragsparteien des Seefrachtvertrages sind der Befrachter und der Verfrachter. Der Befrachter und der von ihm benannte Dritte, der dem Verfrachter in eigenem Namen das Gut zur Beförderung übergibt, sind verpflichtet, diesem Angaben über das Gut zu machen, § 482 RE.

Ferner müssen Befrachter bzw. der von diesem benannte Dritte dem Verfrachter Angaben über die Gefährlichkeit des Gutes sowie eventuell zu treffende Vorsichtsmaßnahmen machen, § 483 RE.

In Hinblick auf das Laden und Löschen verbleibt es bei der gängigen Pflichtenverteilung, dass der Befrachter (Absender) für die beförderungssichere Verladung verantwortlich ist, vgl. § 485 II RE. Zur Umladung ist der Verfrachter nur berechtigt, sofern sich das Gut in einem geschlossenen Lademittel befindet, § 485 III RE.

Zur Deckladung ist der Verfrachter ohne Zustimmung des Befrachters nur dann berechtigt, wenn sich das Gut in oder auf einem Lademittel befindet, das für die Beförderung an Deck tauglich ist und das Deck des Schiffes für die Beförderung eines solchen Lademittels ausgerüstet ist, § 485 IV RE.

Die Kündigung des Stückgutfrachtvertrages ist geregelt in den §§ 488, 489 RE. Eine fristlose Kündigung durch den Verfrachter kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Befrachter seine aus § 485 I RE resultierende Pflicht, die Abladung des Gutes zu bewirken, verletzt hat, § 489 I RE.

Einen besonderen Kündigungsgrund nennt § 489 IV 2 RE. Der Verfrachter ist zur fristlosen Kündigung berechtigt bei Vorliegen besonderer Umstände, die ihm unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen.

Die Behandlung nachträglicher Weisungen und den Umgang mit Beförderungs- und Ablieferungshindernissen regeln die §§ 490, 491 RE. Fragen der Zahlung sowie der Frachtberechnung regelt § 492 RE, die Rechte des Empfängers, insbesondere seine Zahlungspflicht bei Herausgabeverlangen, regelt § 493 RE.

Das in § 495 RE formulierte Pfandrecht des Verfrachters orientiert sich an den §§ 441, 623 HGB. Von großer praktischer Bedeutung hierbei dürfte sein, dass sich das Pfandrecht an dem zur Beforderung übergebenen Gut auch auf unbestrittene, inkonnexe Forderungen aus anderen, zwischen Befrachter und Verfrachter geschlossenen Beförderungsverträgen bezieht.

3.2 Haftung des Befrachters

Verletzt der Befrachter oder ein von diesem beauftragter Dritter die Pflicht, den Verfrachter über mögliche Gefahren und eventuell zu treffende Vorsichtsmaßnahmen zu informieren, so steht dem Verfrachter das Recht zur Selbsthilfe zu. Er kann vom Befrachter und auch von dem vom Befrachter beauftragten Dritten Aufwendungsersatz verlangen, § 483 II 2. RE. Dem Verfrachter wird so die Möglichkeit eingeräumt, auch gegen den möglicherweise besser greifbaren Dritten vorzugehen.

Die Haftung des Befrachters ist grundsätzlich verschuldensabhängig, auf die zu § 280 BGB entwickelten, allgemeinen Lehren kann daher zurückgegriffen werden. Eine verschuldensunabhängige Haftung kommt allerdings ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein Konnossement ausgestellt wurde. In diesem Fall kommt eine verschuldensunabhängige Haftung in Betracht, § 487 III RE.

3.3 Haftung des Verfrachters

Die Regeln zur Haftung des Verfrachters finden sich überwiegend im zweiten Untertitel des RE, den §§ 498-512 RE. Darüber hinaus finden sich einige Haftungsvorschriften im ersten Untertitel, den §§ 481-497 RE.

Deckverladung: So soll der Verfrachter, der das Gut ohne die erforderliche Zustimmung auf Deck verladen hat, verschuldensunabhängig und, wenn die Deckverladung ausdrücklich ausgeschlossen war, sogar unbeschränkt haften, § 485 V RE.

Begleitpapiere: Eine weitere Haftungsvorschrift des ersten Unterabschnitts findet sich in § 486 II RE. Gem. § 486 II haftet der Verfrachter verschuldensabhängig für Schäden, die sich aus dem Verlust, der Beschädigung oder der unrichtigen Verwendung der Begleitpapiere entstehen.

Seefrachtbrief: Als letzte Haftungsvorschrift des ersten Untertitels ist § 490 VI RE zu nennen. Im Falle des § 490 VI RE haftet der Verfrachter, sofern die Ausübung des Verfügungsrechts von der Vorlage eines Seefrachtbriefes abhängig gemacht wurde für die Schäden die daraus entstehen, dass er sich den Seefrachtbrief nicht hat zeigen lassen. Der Schwerpunkt der Haftung des Verfrachters ist geregelt in den §§ 498-512 RE, dem 2. Untertitel.

Verlust, Beschädigung und Lieferfristüberschreitung: Gem. § 498 RE haftet der Verfrachter für die Schäden, die durch Verlust, Beschädigung oder Überschreitung der Lieferfrist im Zeitraum von der Übernahme bis zur Ablieferung entstehen. Als verloren gilt das Gut, wenn es nicht innerhalb der zweifachen, vereinbarten Lieferfrist abgeliefert wurde, § 511 RE. Neben der Regelung der zweifachen Lieferfrist geht das Gesetz von einem Minimum von 30 Tagen bei nationalen Beförderungen und 60 Tagen bei internationalen Beförderungen aus. Im Regelfall dürfte die Verlustvermutung also frühestens nach 60 Tagen eingreifen.

Haftungshöchstbeträge: Der Haftungshöchstbetrag für Güterschäden beträgt 875 SZR je Stück / Einheit bzw. 3 SZR je kg Rohgewicht der betroffenen Güter, § 503 RE. Im Falle von Verspätungsschäden begrenzt § 504 die Haftung auf den zweieinhalbfachen Betrag der Fracht.

Ausführender Verfrachter: Eine haftungsrechtliche Besonderheit ist der sogenannte ausführende Verfrachter. Ausführender Verfrachter kann jeder Dritte, der die Beförderung ganz oder teilweise ausführt, sein. Durch diese in § 509 I formulierte Regelung will der Gesetzgeber die Haftung dahingehend ausweiten, dass auch derjenige, der einen Teil der Beförderung vornimmt, in gleicher Weise haftet wie der vertragliche Verfrachter

3.4 Beförderungsdokumente

Im dritten Untertitel zum ersten Titel, den §§ 513-526 RE wird das Recht der Beförderungsdokumente geregelt. Wie sich aus § 526 RE ergibt, kommen als Beförderungsdokumente der Seefrachtbrief und das Konnossement in Betracht. Der Seefrachtbrief wird, im Gegensatz zum gewöhnlichen Frachtbrief des § 408 HGB, nicht vom Absender / Befrachter ausgestellt, sondern vom Verfrachter. Ob er überhaupt einen Seefrachtbrief ausstellt, liegt in seinem Ermessen, § 526 I RE.

§ 513 I RE bestimmt, dass der Verfrachter dem Ablader auf Verlangen ein Orderkonnossement auszustellen hat. Die Sicherheit aus dem Konnossement wird erhöht dadurch, dass die im Konnossement benannten Ansprüche nur von einem im Konnosse­ment benannten Berechtigten geltend gemacht werden können, § 519 I RE.

Anmerkung der Redaktion: Die Serie wird in der nächsten Ausgabe der HANSA fortgesetzt.
Christian Wirtz