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Was hat eine Zementfabrik mit einer Reederei zu tun? Warum Versicherungssteuer?

Bei diesem Thema geht es um Risiko- bzw. Wagnisüber-nahmen. Steuerrechtsexperte Klaus Voß geht diesen Fragen nach

Ist jegliche Risikoverteilung im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Gewinn­verteilung schon ein versicherungsrechtliches Risiko, das übernommen wird und zur Versicherungssteuer führt[ds_preview]? Diese Fragestellung wird gegenwärtig in Teilen der Finanz­verwaltung problematisiert. Um den Sachverhalt zu verstehen, vergegenwär­tigt man sich am besten die Genese des Problems.

Ausgangspunkt ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1960, die die Finanzverwaltung zu pauschalisierenden, undifferenzierten Ausführungen veranlasste. Man könnte auch sagen: Wenn schon nicht Umsatzsteuer, dann wenigstens Versicherungssteuer. Meines Erachtes können, um es vorweg zu nehmen, reine Gewinnverteilungsabreden, in welcher Form auch immer, niemals zur Versicherungssteuer führen. Dies ergibt sich letztlich aus dem Aufwands­charakter der Versicherungssteuer. Wenn lediglich ein Gewinn verteilt wird, wird nichts aufgewandt.

Nun aber zur Genese. Der Bundesfinanzhof musste sich in seiner »nicht veröffentlichten Entscheidung« vom 21.7.1960 – Az.: V 139/57 – mit der Frage beschäftigen, ob innergesellschaftliche Ausgleichszahlungen, die sich auf der Ebene freier Gegenseitigkeitsvereinbarun­gen vollziehen, die umsatzsteuerpflichtige Bemessungsgrundlage erhöhen.

Der Steuerpflichtige betrieb in dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt eine Zementfabrik, keine Reederei. Diese Zementfabrik gehörte, zusammen mit anderen Zementwerken desselben Raumes, einem Vermittlungssyndikat an. Die in diesem Syndikat zusammengeschlossenen Werke, nicht Reedereien, unterhielten ein Verkaufsbüro, das den Absatz der Fertig­fabrikate sämtlicher Syndikatsmitglieder lenkte und dabei im Namen und für Rechnung der einzelnen Mitglieder auftrat. Die Verkaufspreise der Fertigfabrikate waren für sämtliche Mitglieder einheitlich festgelegt. Die Frachtkosten variierten je nach Ablieferungsort, so dass es zu Erlösdifferenzen kam. Um diese Erlösdifferenzen zwischen den Mitgliedswerken auszugleichen, errechnete das Verkaufsbüro für sämtliche Lieferungen aller Mitgliedswerke am Ende eines Kalenderjahres einen Durchschnittspreis (Gesamtsumme aller Bruttoerlöse abzüglich der tatsächlichen Fracht­kosten). Mitglieder, die einen höheren durchschnittlichen Nettopreis erzielt hatten, waren verpflichtet, den Mehrerlös an Werke mit unterdurchschnittlichen Nettoerlösen auszuzahlen. So geschah es auch. Der Steuerpflichtige erhielt von den anderen Mitgliedern des Syndikats entsprechende Differenzzahlungen.

Streitig war, ob diese so vereinnahmten Differenzzahlungen der Umsatzsteuer unterliegen und damit die Bemessungsgrundlage für die Lieferung der einzelnen Fertigfabrikate erhöhte. Umsatzsteuerpflichtig war damals, wie heute auch, was ein anderer als der Empfänger der Fertigfabrikate der liefernden Zementfabrik für die Lieferung zuwendete. Es muss also ein Zusammenhang mit der Lieferung der Fertigfabrikate bestehen. Dies verneinte der Bundesfinanzhof. Es handele sich bei den Differenzzahlungen um einen innergesellschaftlichen Ausgleich auf der Ebene der freien Gegenseitigkeitsvereinbarung, eine sog. Gemeinschaftshilfe. Die einzelnen Syndikatsmitglieder hatten den Frachtenausgleich vereinbart, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Zementmarkt zu erhalten. Diese rein umsatzsteuerrechtliche Begründung nahm nunmehr die Finanzverwaltung (z. B. Finanzministerium Baden-Württemberg – S 6400 – 1/62) zum Anlass, um daraus einen versicherungssteuerrechtlichen Vorgang zu machen:

»In einigen Wirtschaftsbereichen ist es üblich, dass sich die Herstellerwerke bestimmter Erzeugnisse zum Absatz ihrer Waren eines gemeinsamen Verkaufsbüros bedienen. Das Verkaufsbüro wird in der Regel als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben. Seine Aufgabe besteht darin, für die angeschlossenen Werke Umsätze zu vermitteln, deren Lieferungen mit den Abnehmern abzurechnen und für die Werke das Inkasso durchzuführen. Diese Tätigkeit des Verkaufsbüros erfolgt im Namen und für Rechnung der einzelnen Werke. Die vereinnahm­ten Erlöse werden im Rahmen der Agentur-Tätigkeit des Verkaufsbüros den beteiligten Werken zunächst ungeschmälert gutgeschrieben. Um sicherzustellen, dass keiner der Hersteller durch die Art der ihm vermittelten Umsätze benachteiligt wird, erhält jedes Werk für die ihm vom Verkaufsbüro vermittelten Lieferungen den gleichen Nettoerlös pro Einheit. Zur Durchführung dieser Erlöspoolung müssen die bei den einzelnen Herstellern unterschiedlichen Bruttoerlöse und Erlösschmälerungen wie Frachten, Rabatte und Forderungsausfälle erfasst und nach Maßgabe des Jahresversandes auf die Mitgliedswerke verteilt werden. Diese Poolung wird in einer zweiten Abrechnung ebenfalls vom Verkaufsbüro im Namen und für Rechnung der Mitgliedsfirmen durchgeführt.

Nun wurde die Frage aufgeworfen, ob die im Rahmen der Erlöspoolung vorgenommene Verteilung der Forderungsausfälle versicherungsteuerpflichtig ist. Vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung der Finanzgerichte bitte ich, hierzu, in Übereinstimmung mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder, die folgende Auffassung zu vertreten: Der BFH hat in dem in einer Umsatzsteuersache ergangenen, nicht zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 21.7.1960 V 139/57 Vereinbarungen der vorbezeichneten Art als eine Gemeinschaftshilfe im Sinne einer Gegenseitigkeitsversicherung auf innergesellschaftlicher Grundlage angesehen. Im Hinblick auf diese Beurteilung und auf die Ausführungen von Gambke-Flick, Erläuterungsbuch zum VersStG, 4. Auflage, Anm. 3 zu § 2 VersStG, ist davon auszugehen, dass in der Absprache, die Forderungsausfälle gemeinsam zu tragen, eine Vereinbarung im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG zu erblicken ist. Den interessierten Wirtschaftskreisen muss überlassen bleiben, eine etwa gegenteilige Ansicht im Rechts­behelfsverfahren geltend zu machen.«

Was steht nun in § 2 des Versicherungs­steuergesetzes? »Als Versicherungsvertrag im Sinne dieses Gesetzes gilt auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können.«

Anzumerken ist bereits hier, dass der Bundesfinanzhof von einer Gegenseitigkeitsvereinbarung spricht und die Finanzverwaltung von einer Gegenseitigkeitsversicherung. Der Bundesfinanzhof war erkennbar von einer umsatzsteuerrechtlichen Fragestellung geleitet. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob das Gericht an die Versicherungssteuer gedacht hat. Dies ist erfahrungsgemäß wohl zu verneinen. Zutreffend lag der Entscheidung ein zweiaktiges Geschehen zu Grunde: Abstrakte

Berechnung der Erlöshöhe angesichts divergierender Frachtkosten und anschließende Zahlungspflicht der Mitglieder. Dieses Splitting ist versicherungssteuerrechtlich sicherlich problematisch. Es handelt sich auch nicht um eine reine Gewinnverteilung bzw. Gewinnzuweisung. Von Forderungsausfällen war jedoch in der Entscheidung des Gerichts nicht die Rede. Der zitierte § 2 des Versicherungssteuergesetzes setzt einen Verlust oder einen Schaden voraus. Die Verteuerung infolge unterschiedlicher Frachtkosten stellt jedoch keinen Verlust oder eine Beschädigung dar.

Das Niedersächsische Finanzministerium formulierte 1966 wie folgt:

»In einigen Wirtschaftsbereichen bedienen sich Unternehmer zum Absatz ihrer Waren gemeinsamer Absatzorganisationen (z. B. Verkaufsbüros) oder haben Absprachen getroffen mit der Folge, dass Forderungsausfälle von allen Mitgliedern gemeinsam getragen werden. Es kann auch Zweck der Vereinbarungen sein, Erlöseinbußen aus nicht abgesetzten Waren oder aus nicht bestimmungsgemäßen Warenverkäufen (z. B. bei leichtverderblichen Nahrungsmitteln) auf alle Mitglieder zu verteilen. Solche Absprachen, deren Ziel es ist, Verluste und Schäden eines Mitglieds auf alle Mitglieder aufzuteilen, sind als Gemeinschaftshilfe im Sinn einer Gegenseitigkeitsversicherung auf innergesellschaftlicher Grundlage anzusehen. Sie sind deshalb Vereinbarungen im Sinn des § 2 Abs. 1 VersStG 1959, die zur Versicherungsteuerpflicht führen. Dieser Erlaß ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder.«

Auch hier ist kritisch anzumerken, dass Erlöseinbußen aus nicht abgesetzten Waren keinen Verlust dieser Waren darstellen. Sie sind ja noch existent. Es erfolgte lediglich kein Absatz. Der Verderb leicht verderblicher Waren hingegen stellt sicherlich eine Vermögenseinbuße da.

Hier sollte nur anhand eines kleinen Exkurses in die Problemlage eingeführt werden. Die Analogien zur Seeschifffahrt liegen auf der Hand. Vieles ist ungeklärt. Klar sollte jedoch sein, dass allgemeine Gewinnverteilungsabreden als solches nicht zu einer Versicherungssteuer führen sollten.

Autor:

Klaus Voß, Fachanwalt für Steuerrecht

www.kanzlei-voss.de