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Bei seinem Ersatzbeschaffungsprogramm für schwimmende Fahrzeuge kommt der Außenbezirk Blexen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremerhaven einen weiteren Schritt voran. Im November 2011 wurde der dritte Neubau seit 2009 fertig gestellt.

Das neue Aufsichts- und Arbeitsschiff für die Außenweser wurde nach der Überführung von der Bauwerft am 24. November 2011 auf[ds_preview] dem Bauhof des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Bremerhaven durch die Taufpatin Heiderose Karweit auf den Namen »Blexen« getauft und anschließend offiziell in Dienst gestellt. Der Neubau ersetzt den 1963 gebauten Schlepper »Sürwürden« und das 1964 gebaute Motorboot »Brake«.

Der Auftrag für den Bau und die betriebsfertige Lieferung des Aufsichts- und Arbeitsschiffes wurde nach vorangegangenem EU-weiten, offenen Verfahren am 12. Dezember 2009 an die Schiffswerft Bolle in Derben erteilt. Bei der »Blexen« handelt es sich um einen modifizierten Nachbau der in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes seit Mitte der 1990er Jahre in Nord- und Ostsee eingesetzten 21-m-Typ-Seezeichenmotorschiffe.

Weiterentwicklung, Planung, Entwurf, Spezifikation und Ausschreibung sowie die Abwicklung dieses Schiffsneubaus wurden durch die Fachstelle Maschinenwesen Nord (FMN) in Rendsburg durchgeführt. Sie ist die technische Fachbehörde im Zuständigkeitsbereich der beiden Küstendirektionen Nord in Kiel und Nordwest in Aurich. Die FMN Rendsburg wird direktionsübergreifend von den Wasser- und Schifffahrts­ämtern an der Küste mit der Planung und Abwicklung besonderer Ingenieuraufgaben, wie hier dem Neubau von Spezialschiffen für die WSV, beauftragt.

Veranlassung und Aufgaben

Die WSV hat im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht die Aufgabe, die schiffbaren Wasserstraßen in ihrem Zuständigkeitsbereich mit geeigneter Technik qualitätsgesichert zu überwachen und zu unterhalten. Das WSA Bremerhaven mit seinem Außenbezirk im Nordenhamer Stadtteil Blexen und dem Stützpunkt Brake-Klippkanne ist verantwortlich für die ­Sicherheit der Schifffahrt auf der Bundeswasserstraße Weser von Brake bis zur seewärtigen Zufahrt vor Wangerooge.

Zu den Aufgaben gehören alle Maßnahmen zur Erhaltung der Schiffbarkeit, die Unterhaltung der für die Regulierung des Fahrwassers erforderlichen Strombauwerke und Ufersicherungen, die notwendigen Bezeichnungen des Fahrwassers, der Betrieb der technischen Anlagen und alle weiteren Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs auf den Bundeswasserstraßen dienen.

Da insbesondere die Uferunterhaltung (Deckwerke, Sände und Buhnen) und die Bearbeitung von schwimmenden Schifffahrtszeichen sowie die Versorgung von festen Seezeichen nur mit Unterstützung von speziellen Wasserfahrzeugen durchgeführt werden kann, wurde das Aufsichts- und Arbeitsschiff »Blexen« für eine sehr große Bandbreite der Aufgabenerledigung konzipiert. Hierzu gehören die Durchführung des strom- und schifffahrtspolizeilichen Aufsichtsdienstes inklusive der ­notwendigen Bauwerksinspektionen, die bauliche Unterhaltung und Servicearbeiten an festen und schwimmenden Schifffahrtszeichen, die Durchführung von Versorgungsfahrten an festen Seezeichen und Wasserbauwerken, das Schleppen von Pontons und schwimmenden Geräten auf der Unter- und Außenweser, die Unterhaltung von Deckwerken bzw. Uferbefestigungen sowie die naturnahe Uferunterhaltung und der Transport von mobilen Arbeitsgeräten, Containern und Baumaterialien.

Konzeption, Entwurf und Bauausführung

Die wesentlichen Betriebs- und Konstruktionsanforderungen an das Aufsichts- und Arbeitsschiff resultierten aus der Aufgabenstellung und den betrieblichen Anforderungen. Für einen optimalen und effektiven Einsatz des neuen Schiffes ergaben sich hieraus die Mindestanforderungen, die an den Neubau gestellt wurden. Hierzu gehörten sehr gute Manövriereigenschaften, sehr gute Stabilitätseigenschaften, die das Arbeiten mit dem auf dem Arbeitsdeck aufgestellten Hydraulikkran uneingeschränkt ermöglichen, ebenso wie gute Schleppeigenschaften längsseits und auf langer Leine sowie eine ausreichende Arbeits- und Containerstellfläche an Deck. Ein Aufenthaltsraum mit Sitzgelegenheiten für das zu befördernde Streckenpersonal und je ein Arbeitsplatz für Vermessung und Seezeichenverlegung im Steuerhaus runden das Profil dieses neuen Arbeitsschiffes ab.

Der Entwurf und die Konstruktion des Schiffskörpers basieren auf einer robusten Multiknickspantform aus Stahl in Querspantbauweise. Die sorgfältig optimierte Rumpfform ermöglicht optimale Geschwindigkeiten in der Freifahrt und im Schleppbetrieb bei günstigem Kraftstoffverbrauch und geringer Wellenbildung. Zum Schutz gegen Beschädigungen bei Grundberührungen wurden Boden, Kimm und Vorschiff für das Trockenfallen und Anfahren von Uferböschungen besonders verstärkt.

Das Steuerhaus wurde aus Gewichts- und Stabilitätsgründen komplett aus Aluminium gefertigt. Der Signalmast wurde hydraulisch klappbar ausgeführt.

Das Arbeits- und Ladedeck ist für Verkehrslasten von 12,5 kN/m² und Einzellasten von 20 kN dimensioniert und komplett rutschsicher mit Kunststoffbohlen (Trimax) ausgelegt. Das Deck hat eine freie Arbeits- und Containerstellfläche von ca. 40 m² sowie ein Laschraster für die Verzurrung von Ladung.

Für die Durchführung von Kranarbeiten befindet sich auf dem Arbeitsdeck auf Steuerbordseite, Spant 17, ein vollhydraulischer MKG Marinekran, Typ HMC 291 HP a4, Nutzlast SWL 1.450 kg bei 11,95 m Aus­ladung. Für das Abfangen der Kettenverankerung der Fahrwassertonnen ist auf Steuerbordseite, Spant 9, ein Kettensliphaken angeordnet.

Als Schlepp- und Verholeinrichtungen wurden auf dem Achterdeck ein Schlepphaken (Typ Knief, SWL 60 kN) mit pneumatischer Auslösung und ein elektrisch betriebenes Vertikalspill (Typ Steen, Zugkraft 2 kN) installiert. Eine manuell klappbare Arbeitsplattform am Heck erleichtert das Arbeiten bei Berge- und Tauchereinsätzen.

Die Einrichtung ist für die Schiffsbesatzung (zwei Personen) sowie das nach Anforderung notwendige zusätzliche Bedarfspersonal ausgelegt. Vorhanden sind eine Pantry, ein Aufenthaltsraum mit Sitzgelegenheiten für insgesamt zehn Personen und ein Unterkunftsraum mit Schlafgelegenheit für zwei Personen sowie ein Sanitärraum.

Das Steuerhaus verfügt über große Fensterflächen, die eine gute Rundumsicht und eine gute Sicht auf das Arbeitsdeck und den Arbeitsbereich des Bordkranes gewährleis­ten. Eine auf das Steuerbord-Arbeits-/Ladedeck gerichtete ferngesteuerte Kamera optimiert die Sicht für den Schiffsführer bei Kranarbeiten. Der Einsatzkonzeption entsprechend wurde das Aufsichts- und Arbeitsschiff mit klimatisiertem Ruderhaus, Unterkunfts- und Aufenthaltsraum ausgestattet. Im Frontbereich des Ruderhauses ist auf Backbordsseite der Hauptfahrstand und auf Steuerbordseite ein rückwärtiger Ma­növrierfahrstand angeordnet.

Antriebsanlage und Energieversorgung

Der Antrieb erfolgt über einen MAN-Motor (Typ D2876 LE 406) mit einer abgestimmten Leistungsabgabe von 361 kW bei 1.800 U/min, der über ein ZF-Getriebe (Typ ZF 2000) auf einen fünfflügeligen Festpropeller mit 950 mm Durchmesser der Firma Thies arbeitet. Die Kühlung des wassergekühlten Hauptmotors einschließlich Hilfsmotoren und Getriebe erfolgt über Außenhautkühltaschen, die im Schiffsboden entsprechend angeordnet sind. Bei Arbeiten in Watten- und Flachwasserbereichen ist ein Trockenfallen des Schiffes möglich. Hierfür wurde einer der Hilfsdiesel mit einem speziellen Kühl­system (»Waben­kühler«) konzipiert, damit die Aufrechterhaltung der Energieversorgung gewährleistet bleibt.

Zur Erreichung optimaler Manövrier- und Positioniereigenschaften ist ein Hochleistungsruder (Heracles HCR) der Firma Becker und im Vorschiff ein hydraulisches Bugstrahlruder von Jastram mit einer Schubleistung von 9,0 kN vorhanden.

Der Bordkran, die Arbeitswinden, derBugstrahler und der Signalmast werden durch ein Zentralhydrauliksystem versorgt, das mit umweltschonendem Hydrauliköl auf vollsynthetischer Esterbasis befüllt ist. Als Feuerlöschanlage für den Maschinenraum kommt ein System von Tyco mit dem Löschmittel Novec 1230 TM zum Einsatz.

Ferner sind eine Klima-, Frischwasser- und Fäkalienanlage, ein für Seewasser geeigneter Hochdruckreiniger und ein Arbeitsluftkompressor vorhanden sowie eine Warmwasser-Heizungsanlage, die auch durch das Kühlwassersystem gespeist werden kann.

Die elektrische Energieversorgung wird mit zwei Hilfsdieselaggregaten mit einer Generatorleistung von 77 kW und 139 kW sichergestellt. Die Aggregate können im normalen Bordbetrieb wechselweise betrieben werden. Bei Ausfall eines Aggregates erfolgt ein Automatikstart mit Lastübernahme des Standby-Aggregates über ein vollautomatisches Powermanagement. Bei Bedarf können die Generatoren auch manuell vom Brückenfahrpult gestartet werden. Als Maschinenüberwachung dient ein Analogwert verarbeitendes dezentrales Alarmsystem (Firma Böning, AHD 651) mit je einem Alarmdisplay im Haupt- und rückwärtigen Manövrierfahrstand und einem LCD-Display im Brückenfahrpult.

Nachrichtentechnik

Das Seeschiff ist mit folgenden nachrichtentechnischen Anlagen ausgerüstet:

Nautische Anlagen

• Magnetkompass, Typ Cassens & Plath Reflecta

• Kreiselkompass, Typ Raytheon Standard 22

• Seeradaranlage für Hauptfahrstand, Typ SAM Electronics Multipilot

• Seeradaranlagentochter für rückwärtigen Fahrstand, Typ SAM Electronics Multipilot

• ECDIS-Seekartensystem, Typ SAM

Electronics Chartpilot

• Selbststeuer, Typ Raytheon NP 60

• DGPS-Empfänger, Typ Saab R4

• AIS-System, Typ SAM Electronics 3410

• Navigationslot, Typ Fahrentholz

Ultra Graph

• Tyfonanlage, Typ Zetfon 400/310

GMDSS-Funkausrüstung für das Fahrtgebiet A1

• Zwei UKW-Seefunkanlagen mit DSC-Funktion vom Typ Sailor 6222 mit zwei abgesetzten UKW-Bedienungseinheiten für den rückwärtigen Fahrstand

• Navtex, Typ NCR-333

• SART-Radartransponder, Typ McMurdo S4

• Satellitenseenotfunkbake, Typ McMurdo G5

• UKW-Handsprechfunkgeräte, Typ SP3520

• GMDSS-Funkbatterie mit Ladegerät und Anzeigeinstrumente

Kommunikation für Schiffsführung

• Wechselsprechanlage, Typ Zenitel CTB 10

• Arbeitsfunkanlage, Typ Motorola GM 340 mit zwei Handsprechfunkgeräten

• GSM-Mobilfunk mit Fax und Internet-Anschluss für E-Mails

Wetter- und Wasserstandinfo für Schiffsführung

• Windmessanlage mit Außentemperaturanzeige, Typ Thies CLIMA

• Wasserstandspegeldatenempfänger, Fa. Kuhnt, Typ Sekundäranzeige 3

Sonstige nachrichtentechnische Ausrüstungen

• Digitales Zweikanal-Vermessungsecholot, Typ Fahrentholz Litugraph XL 15/100 KHz

• Kameraanlage, Typ Plettac FAC940L

• PC-System mit Multifunktionsdrucker

• Anlage für GSM-D2-Fernübertragung von Alarmmeldungen, Typ E+A

System für Seezeichenpositionierung, Typ Toles

Zum Positionieren und Kontrollieren von schwimmenden Seezeichen wurde in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bisher ein einheitliches System vom Typ MAN NR-N100 verwendet.

Das Nachfolgesystem Toles der Firma PiConn beruht in der Anwendung auf dem bisher eingesetzten und nicht mehr verfügbaren alten Positionierungssystem mit gleicher Bedienungs­philosophie, aber einer zeitgemäßen Soft- und Hardware.

Hardwareausstattung

Ausgewählt wurde ein 19‘‘-PC-System mit angepasster Hardware für den Schiffsbetrieb. Für die Bedienung und die visuelle Darstellung des Systems wurden handelsübliche Tastaturen und Trackballs und TFT-Sichtgeräte im Industriestandard in robuster Ausführung verwendet.

Sichtgeräte mit Tastaturen oder Trackballs wurden am Hauptfahrstand, am rückwärtigen Manövrierfahrstand und am Arbeitsplatz vorgesehen. Eine Video-Umschalteinrichtung an den Sichtgeräten an beiden Fahrständen gewährleistet eine zusätzliche Darstellung des Videokamera–bildes vom Arbeitsdeck.

Anwendersoftware

Die Software des Tonnenleger-Systems TOLES ist in der Benutzerführung der Philosophie des Betriebssystems Windows angepasst. Informationen werden in den bekannten Windows-Fenstern dargestellt. Über externe Sensoren werden Zustandsgrößen vom Kreiselkompass (Kurs) und DGPS-Empfänger (Position) empfangen und als Grundlage für weitere Berechnungen angewendet.

Verschiedene Navigationsfunktionen wie Homing, Routing und Tracking sind mit im System integriert. Bei entsprechender Konfiguration der Software wird in einer Fensteranzeige (Navigationsgrafik) das Schiff mit Sliphaken und der anzufahrenden Position des Seezeichens dargestellt. In einem zweiten Fenster werden eine Vielzahl von Navigationswerten und Funktionalitäten von den externen Sensoren dargestellt. Das System erfasst Ausfälle und Empfangsprobleme von externen Sensoren und teilt diese dem Anwender sofort mit. Insgesamt gewährleistet das Seezeichenverlegungs­system TOLES ein effektives und damit ein wirtschaftliches Positionieren von schwimmenden Seezeichen.

Mit der Umsetzung der Neubaumaßnahme des Außenweserschiffs »Blexen« wurde nach der 2009 erfolgten Indienststellung des Arbeitsschiffes »Ruschsand« mit dem Arbeits-/Transportponton »DP 4175« (siehe HANSA 2/2010) nunmehr die zweite Phase des Ersatzbeschaffungsprogramms für den Außenbezirk Blexen abgeschlossen.


Peter Bielke, Henry Kruse