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Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung im Bereich langsamlaufender Zweitaktmotoren bei Wärtsilä in Winterthur sind Langhubmotoren, Common-Rail-Technik und Wechselbetrieb.

Für viele Fachleute sind die langsamlaufenden Zweitaktmotoren von Wärtsilä immer noch Sulzer-Motoren, obwohl die Fusion beider Unternehmen schon lange[ds_preview] zurück liegt und längst kein Großmotor mehr aus der Schweiz kommt. Dennoch liegt der Schwerpunkt mit der Hälfte am Entwicklungsaufwand für diese Motoren unverändert in der Alpenrepublik. Weitere Anteile fließen aus Finnland und dem ehemaligen Werk von Grandi Motori in Triest zu. In Italien ist vor gut einem Jahr die Ent­wicklung von Gasmotoren wieder angelaufen.

Ende vergangenen Jahres stellte Wärtsilä in Hamburg den aktuellen Stand des Zweitaktmotorenprogramms und die weiteren Schritte vor, die in den nächsten zwei Jahren zu erwarten sind. Das Programm umfasst unverändert 15 Baureihen im Leistungsbereich von 475 bis 80.080 kW (vgl. Markt­übersicht Marine Diesel and Gas Engine Survey 2011, HANSA 8/2011, S. 26ff.). Daran wird sich wohl auch nicht viel ändern.

Die für den Einsatz dieser Motoren entscheidenden Veränderungen spielen sich insofern innerhalb des Programms ab, indem zunehmend Langhubversionen und Motoren mit Common-Rail-Technik eingeführt werden. Ein Sonderfall sind dann die Bemühungen, mit den Entwicklungsarbeiten in Triest zu Zweitaktmotoren für den Gasbetrieb zu kommen. Dr. Martin Wernli, Präsident der Wärtsilä Schweiz AG, nannte in seinem Vortrag vier neue Baureihen und kündigte für sieben Baureihen wesentliche Verbesserungen an. Die bestimmenden Einflüsse auf die Weiterentwicklung sind unverändert steigende Kraftstoffpreise und die Forderungen des Umweltschutzes. Wie Wernli ausführte, richtet Wärtsilä sein Angebot für die Jahre 2015/16 (SOx- und NOx-Reduzierung) zweigleisig aus, einerseits auf den Schwerölbetrieb mit SCR-Anlagen und Scrubbern, andererseits auf den Gasbetrieb, und zwar mit beiden Lösungen für Viertakt- und Zweitaktmotoren.

Den kommenden Auflagen zur Reduzierung der CO2-Emission will das Unternehmen mit Wärmerückgewinnung aus dem Abgas begegnen. Zwar nennt Wärtsilä in diesem Zusammenhang auch die Brennstoffzellentechnik, doch darf man davon nicht zuviel erwarten. Über das deutsche Leuchtturmprojekt von 2009 und dessen hochgesteckte Ziele spricht die Fachwelt schon lange nicht mehr, besonders, nachdem die MTU Friedrichshafen, die als einziges Unternehmen in der Lage war, Brennstoffzellen großer Leistung zu liefern, ausgestiegen ist. Jedenfalls sind die für 2015/16 gesteckten Ziele in weite Ferne gerückt.

Für beide Ansätze, mit denen WärtsiläSchiffsantriebe anbieten will, deren Emissionen auch die Bedingungen der ECAs ab 2016 erfüllen, gibt es zurzeit keine Voraussetzungen. Es ist auch nicht erkennbar, dass diese bis zur Inbetriebnahme der ersten Schiffe geschaffen werden, deren Kiellegung ab dem 1. Januar 2016 erfolgt (vgl. HANSA 1/2012, S. 28 ff.).

Allerdings gibt es außer um Nordamerika herum (200 sm!) auch noch keine ECAs. Nun, Wärtsilä unterscheidet klar zwischen Schiffen, die überwiegend außerhalb und solchen, die überwiegend innerhalb der ECAs im Einsatz sind, und leitet davon seine Empfehlungen ab. Erstere sollen weiterhin auf offener See mit Schweröl fahren und in Küstennähe mit Gas, die anderen konsequent mit Gas und nur selten mit Schweröl. Das bedeutet aber für Schiffe, die überwiegend in den ECAs im Einsatz sind und nur selten auf offener See, dass sie eine vergleichsweise teure Antriebsanlage und zwei völlig unterschiedliche Tank- und Kraftstoffaufbereitungssysteme benötigen. Dies verteuert den Betrieb erheblich.

Für den Gasbetrieb der Zweitaktmotoren steht Wernli zufolge bei Wärtsilä eine Niederdrucktechnik mit weniger als 10 bar im Vordergrund der Entwicklung, um die bei Hochdrucksystemen erforderlichen Kompressoren und Tieftemperaturpumpen zu vermeiden. Er sprach in diesem Zusammenhang den besseren Wirkungsgrad dieser Anlagen an. Selbstverständlich betont Wärtsilä immer wieder die Flexibilität hinsichtlich der Kraftstoffe und somit die Wechselmotorentechnik. Diese kann für die ECAs aber nur eine Übergangslösung sein. Jedenfalls werden die Zweitaktmotoren mit wechselnden Verfahren arbeiten: mit Schweröl im Dieselverfahren und im Gasbetrieb mit dem Ottoverfahren.

Seit Einführung der RT-flex-Technik bei den Zweitaktmotoren hat Wärtsilä rund 1.000 Motoren dieser Bauart verkauft, davon fast die Hälfte mit Bohrungen von 500 und 960 mm. Die beiden »neuen« Motoren mit Bohrungen von 350 und 400 mm stehen zwar schon geraume Zeit im Programm des Unternehmens, sind jedoch bislang noch nicht ausgeführt worden. Die kleinsten Zweitakter waren bis dato die Motoren der Baureihe RT-flex 48 mit einer Bohrung von 480 mm. Mit den Motoren der Baureihe RT-flex 35 beginnt das Programm im unteren Leistungsbereich nun bei 3.475 kW mit Drehzahlen zwischen 142 und 167 min-1 und einem Fünfzylindermotor.

Die Motoren sind mit Common-Rail-Technik ausgestattet, deren Einspritzdruck bei 1.000 bar liegt. Der Hilfskreis für die Betätigung der Auslassventile arbeitet mit 300 bar. Das Leistungsgewicht dieser Motoren liegt bei 14 kg/kW. Die Common-Rail-Einspritzung führt zu einem einwandfreien Lauf der Motoren bei äußerst niedrigen Drehzahlen. Wärtsilä nennt für die 35er Motoren 20 min-1 und für die 40er 17,3 min-1, entsprechend 12 % der jeweils maximalen Drehzahl. Der spezifische Kraftstoffverbrauch dieser Motoren liegt Werksangaben zufolge zwischen 170 und 176 g/kWh bzw. 169 und 175 g/kWh.

Die neuen Motoren der Baureihen mit Bohrungen von 620 und 720 wurden an dieser Stelle bereits vorgestellt (vgl. HANSA 7/2011, S. 45f.). Dabei handelt es sich um Langhubmotoren, die den Bedingungen des Umweltschutzes am besten entsprechen. Wärtsilä rechnete am Beispiel eines Aframax-Tankers vor – alternativ ausgerüstet mit einem Sechszylindermotor der Baureihe RT-flex 58 bzw. einem gleichen Motor der neuen Baureihe 62 –, dass die Einsparung bei den Kraftstoffkosten mehr als eine halbe Million US-Dollar (Basis: Schwerölpreis 600 US$ pro Tonne und 250 Reisetage pro Jahr) beträgt und die Minderung der CO2-Emission bei 2.900 t pro Jahr liegt.

Erste Erfahrungen mit Wechselmotoren und Gasbetrieb konnte – damals noch Sulzer – das Unternehmen vor 40 Jahren sammeln. Zwischen 1965 und 1972 wurden in Winterthur Gasmotoren getestet. Einen ersten Einsatz gab es 1972 mit dem Einbau eines Siebenzylinder-Wechselmotors in den knapp 182 m langen und rund 30.000 m3 fassenden LNG-Tanker »Venator«. Der Motor hatte eine maximale Leis­tung von 15.000 kW bei 122 min-1, die allerdings nur im Dieselbetrieb oder mit einem Anteil von bis zu 48 % Gas erreicht werden konnte.

Derzeit sind nur Viertakt-Wechselmotoren mit Leistungen zwischen 1.056 und 17.550 kW im Programm von Wärtsilä. Davon laufen inzwischen rund 350 Motoren auf knapp 90 LNG-Tankern. Darüber hin­aus wurden seit 1994 für 22 Offshore-Anwendungen 78 Wechselmotoren geliefert.

Um die Zweitaktmotoren auf den Wechselbetrieb umstellen zu können, mussten eine Reihe neuer Komponenten entwickelt werden. Dazu gehörten unter anderem Gas­einblasventile, das Zündstrahlsystem mit Common-Rail-Technik und die Motor­steue­rung und -überwachung sowie die Komponenten der Gasstrecke. Für jeden Zylinder werden zwei elektro-hydraulisch betätigte Gasventile vorgesehen, deren Steuerventil an den Hydraulikkreis für die Betätigung der Auslassventile angeschlossen ist. Der Zündstrahl soll weniger als 1 % des spezifischen Kraftstoffverbrauchs benötigen. Um eine zuverlässige Zündung des Gases und eine stabile Verbrennung sicherzustellen, wurde das Vorkammerverfahren gewählt. Für den Schwerölbetrieb ist eine Common-Rail-Einspritzung vorgesehen.

Zur Durchführung der Versuche wurde ein Sechszylindermotor der Baureihe RT-flex 50-D gewählt, der jetzt unter der Bezeichnung RTX-5 läuft. Wie an anderer Stelle bereits berichtet, begannen die Arbeiten in Triest im Frühjahr 2011. Der Motor lief dann im Mai 2011 im Dieselbetrieb. Anschließend baute man den Zylinder Nr. 6 auf den Gasbetrieb um und konnte den Motor damit am 19. Juli 2011 in Betrieb nehmen. Der Versuchsmotor hat eine Bohrung von 500 mm und einen Hub von 2.050 mm. Bei einer Nenndrehzahl von 124 min-1 kann er im Dieselbetrieb eine Zylinderleistung von 1.745 kW abgeben. Seine Kolbengeschwindigkeit beträgt 8,5 m/s und der Mitteldruck 21 bar. Den ersten Einsatz von Zweitakt-Wechselmotoren auf einem Schiff erwartet Wärtsilä 2014.
Hans-Jürgen Reuß