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Die Van-Oord-Gruppe erneuert bei der Hamburger Sietas-Werft den Auftrag zum

Bau eines Offshore-Windanlagen-Spezialschiffes. Die Erleichterung bei dem im

Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmen ist groß.

Freud und Leid liegen wieder einmal ­dicht beieinander. Das Insolvenzverfahren über die Hamburger Traditionswerft Sietas wurde am 1. Februar 2012[ds_preview] eröffnet; der Abbau von rund 400 Arbeitsplätzen bis zur Jahresmitte ist damit besiegelt. Ausdrücklich unberührt vom Insolvenz­verfahren bleiben die ebenfalls zur Sietas-Gruppe gehörende Norderwerft, als reiner Reparaturbetrieb, sowie die auf dem Weltmarkt für Schiffskrane bestens eingeführte Neuenfelder Maschinenfabrik (NMF).

Die freudige Nachricht, die sich mit dem 2. Februar verbindet, lautet: Sietas kann das bereits im Dezember 2010 kontraktierte Offshore-Transport- und Errichterschiff für die Van-Oord-Gruppe doch noch bauen. Die Niederländer erneuerten den Auftrag, der seit der Sietas-Insolvenz auf der Kippe stand. Nach Hansa-Informationen hat er einen Wert von rund 110 Mio. €.

Hartes Verhandeln hat sich gelohnt

Seitdem die Werft mit der Hilfe des Stadtstaates Hamburg und Unterstützung der Banken im Dezember 2011 mit frischem Kapital ausgestattet wurde (siehe Hansa 1/2012) – parallel zu den Vorbereitungen auf das Insolvenzverfahren – konnten die Verhandlungen über das Großvorhaben wieder aktiv aufgenommen genommen werden. Intensive Gespräche mit den Niederländern, die sich unter anderem aus Gründen der Lieferqualität und der hohen Reputation der Sietas-Werft für die Hamburger entschieden hatten, folgten.

Zu den großen Brocken, die es im Rahmen der Neuverhandlungen aus dem Weg zu räumen galt, gehörte die Finanzierung. Hier wurde mit den Niederländern ein neuer Weg gefunden, berichtete Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann. Konkret: Van Oord steigt in die Vorfinanzierung mit ein. Dass dadurch das Schiff am Ende »im Preis gedrückt« wurde, wies Brinkmann »als Mär« entschieden von der Hand. Im Gegenteil: Das Schiff, das den Namen »Aeolus« tragen soll – der Name steht in der griechischen Mythologie für den Gott der Winde –, wurde am Ende sogar noch ein Stück teurer als in dem ersten Vertrag von 2010. Dafür hätten eine Reihe technischer Anpassungen seitens des Kunden gesorgt, ergänzte Werftmanager Rüdiger Fuchs. Den Kran für das Offshore-Spezialschiff wird im Übrigen die NMF bauen.

Drei Schiffe im Bestand sichern Arbeit bis ins Frühjahr 2013

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch nutzte die Gelegenheit bei der Vorstellung des neuen Vertrags im Rahmen einer Pressekonferenz dazu, auf die »große Chance« hinzuweisen, die dieses Bauvorhaben für die Werft und die Mitarbeiter mit sich bringe. Denn das Schiff gehöre zu genau jenen Fahrzeugen, die benötigt würden, um mit dem vermehrten Einsatz von Offshore-Windenergie die viel zitierte Energiewende überhaupt zu bewerkstelligen. Damit nicht genug: Der Auftrag ebne den Weg für eine grundsätzliche Neuausrichtung der Werft hin zu einem weltweit bedeutenden Spezialschiffbauunternehmen. Insolvenzverwalter Brinkmann sprach denn auch ergänzend von »einer Brücke in eine neue Zukunft«, die dieser Auftrag ermögliche.

Ausdrücklich lobten Horch, Werftchef Fuchs und Insolvenzverwalter Brinkmann das Festhalten der Niederländer an dem Auftrag. Das sein ein großer Vertrauensbeweis, den man zu schätzen wisse. Van-Oord-Flottenchef Peter Bunschoten räumte zwar ein, dass sich das Unternehmen nach dem Bekanntwerden der Probleme bei Sietas auch auf anderen Werften umgesehen habe. »Doch keiner war hinsichtlich der Vorplanungen für einen solchen Schiffstyp soweit wie Sietas«, sagte Bunschoten. Zudem habe man auch einige schlechte Erfahrungen mit der Lieferzuverlässigkeit von Werften in Fernost sammeln müssen. »Wir sind voller Vertrauen darauf, dass Sietas das Schiff in dem vereinbarten Zeitraum abliefern wird«, sagte Bunschoten. Und auch das machte er klar: Die Option zum Bau eines Schwesterschiffes, die ebenfalls bereits im Dezember 2010 ausgesprochen wurde, bleibe bestehen.

Für den Fall, dass das Transport- und Errichterschiff früher als wie geplant im März 2013 abgeliefert wird, bekomme die Werft eine Bonuszahlung. Eine Strafzahlung für eine verspätete Ablieferung ist nicht vorgesehen. Sietas-Betriebsratschef Peter Bökler brachte es gegenüber der Hansa auf diesen Punkt: »Wir werden als Belegschaft alles daran setzen, dass wir vorfristig abliefern. Das ist so etwas wie eine Frage der Ehre.« Der Großauftrag, das betonten alle Beteiligten mehrmals, verschafft der Werft und ihren Mitarbeitern eine wichtige Atempause. Doch das allein sichert nicht das langfristige Überleben, auch das ist klar. Hafen- und Wirtschaftssenator Horch unterstrich: »Es geht jetzt darum, dass wir bei der Inves­torensuche erfolgreich werden.«

Neben dem Offshore-Transport- und Errichterschiff hat die Werft derzeit noch ein Baggerschiff sowie eine RoPax-Fähre im Bestand. Die beiden Einheiten sollen im August beziehungsweise Mai (Fähre) an die Auftraggeber abgeliefert werden. Das Order-Trio sichert die Beschäftigung des Unternehmens noch bis ins Frühjahr 2013. Die Mitarbeiterschaft schrumpft von derzeit rund 900 auf dann 375 im reinen Werft­betrieb sowie auf weitere 90 bei der Norderwerft und 127 bei der NMF, welche nicht vom Insolvenzverfahren betroffen sind.
Eckhard-Herbert Arndt