Aus Fehlern lernen

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Aus Anlass der Weltleitmesse Cruise Shipping Miami sollen an dieser Stelle noch einmal – und zum vorerst letzten Mal – Kreuzfahrten das[ds_preview] Thema sein. Wie zu erwarten, stand der Branchentreff Mitte März unter dem Licht der »Costa Concordia«-Katastrophe. Einig waren sich die Marktteilnehmer, dass die Industrie wohl nur eine kleine Delle verschmerzen muss, weil sich Kreuzfahrt­novizen von den Geschehnissen abschrecken lassen könnten. Erfahrene Cruiser indes hätten weiter Vertrauen in die Sicherheit, wie Umfragen zeigten. Zudem stünden die Zeichen mit neuen Schiffen, weltweiten

Hafeninfrastrukturprojekten und aufstrebenden Mittelschichten in Asien und Süd­amerika langfristig auf Wachstum.

Dass in Miami angesichts der laufenden Untersuchung über den »Concordia«-Unfall nicht über die Ursachen gesprochen wurde, war nicht überraschend. Dass aber Howard Frank, Vice President und Chief Operating Officer der Costa-Mutter Carnival, bei seiner sehr persönlichen Rede nicht einmal das Wort »Fehler« in den Mund nahm (aus taktischen/juristischen Gründen?), war enttäuschend. Die Crew der »Concordia« (gehören dazu nicht auch die Offiziere auf der Brücke?) bezeichnete er als »wahre Helden«. Auch für das Costa-Management war er voll des Lobes. Und überhaupt sei Italien eine große Seefahrernation, schwärmte Frank, der auch Chairman des Verbandes CLIA ist.

Aber es ist ja nicht der Felsen »Le Scole« zum Schiff gefahren, sondern umgekehrt! D. h. entweder der Kapitän allein, die gesamte Brückenbesatzung oder das Costa-Management (mit der gutgeheißenen »Verbeugung« des Schiffes vor der Küste aus Marketingzwecken?) hat Fehler begangen, für die sich der operative Chef der weltgrößten Kreuzfahrtgruppe ruhig einmal hätte entschuldigen können – auch ohne genaue Erkenntnisse. Freilich muss man konzedieren, dass von 4.252 Menschen auf dem havarierten Schiff »nur« 32 nicht lebend von Bord gekommen sind. Auch wenn dies noch immer eine schreckliche Bilanz ist – es hätte weitaus schlimmer kommen können, wenn die Crew bei der Evakuierung nicht doch einiges richtig gemacht hätte.

Beim Thema Evakuierung kommen wir zu den viel diskutierten Muster Drills, welche Passagiere auf den Notfall vorbereiten sollen. Nur wenige Wochen nach der Havarie einigten sich die führenden Kreuzfahrtverbände darauf, diese Schulungen schon vor Ablaufen eines Schiffs obligatorisch zu machen – zuvor galt eine 24-Stunden-Frist. Nun hatte der Autor dieser Zeilen jüngst selbst die Gelegenheit, einen solchen Muster Drill bei einer privaten Kreuzfahrt (noch vor der »Concordia«-Katastrophe bei einer US-Reederei auf einem Schiff mit 3.000 Gästen gebucht …) mitzuerleben. Dabei entstand der Eindruck, dass eine solche Sicherheitseinweisung im Ernstfall nicht viel taugt.

Nach mehrmaliger Ankündigung durch die Lautsprecher bewegten sich die gerade an Bord gegangenen Passagiere zur vollen Stunde in Gruppen auf das Deck, auf dem sich die Rettungsboote befinden. Vor Video­leinwänden stehend, erfuhr man, wo die Notausgänge sind und wie sich das Evakuierungssignal anhört. Das Anziehen der Rettungswesten gehörte nicht zum Programm – diese sollte man tunlichst in der Kabine lassen. Es wurde auch – wie früher üblich – nicht »live« vorgeführt. Vom Besteigen eines Rettungsbootes oder einer Rettungsinsel ganz zu schweigen. Die Schulung blieb somit digital – und die Aufmerksamkeit gering. Daher sollte die Branche nicht nur den Zeitpunkt, sondern auch Ablauf und Qualität der Muster Drills überdenken. Denn nach zehn Minuten waren alle Passagiere froh, der stickigen Enge zu entkommen und weiter die Koffer auszupacken.