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Wie die Einführung der »neuen« Studienabschlüsse Bachelor und Master das vorherige kontinentaleuropäische universitäre Bildungsmodell beeinflussen und ersetzen. Ein Diskussionsbeitrag von Peter Ruland

Zum Verständnis der neuen Abschlüsse gehört ein Verständnis des angelsächsischen Bildungsmodells, aus dem sie ja entnommen sind. Das angelsächsische Bildungsmodell[ds_preview] existiert im Wesentlichen in Großbritannien, den Vereinigten Staaten, den Ländern des Commonwealth und in weiten Teilen Asiens.

Die Universitäten und Colleges folgen hier dem Prinzip, die einfachen berufspraktischen Dinge zuerst zu lehren. Verbunden mit einer stark verschulten Ausbildung lernen die Studieren­den – wie ehedem auf der Schule – weiter und werden so effizient auf den ersten berufsqualifizierenden akademischen Abschluss »Bachelor« vorbereitet. Erst für den Folgeabschluss »Master« wird Wert auf eine wissenschaftliche Qualifizierung gelegt, in deren Rahmen die theoretischen Grundlagen gelehrt bzw. vertieft werden. Aber auch hier bleibt es bei relativ kleinen Kursgruppen. Massenvorlesungen sind weitgehend unbekannt. Dieses System wird weitergeführt bis zur Promotion. Auch ein Promo­vie­render muss noch Kurse belegen und Prüfungen absolvieren, bevor er die eigentliche wissenschaftliche Arbeit abgeben und verteidigen darf.

Zum Vergleich seien – obwohl es wohl die meisten Leser aus eigener Erfahrung kennen – noch einmal die Kontraste der europäischen universitären (»universitär« hier als Oberbegriff für Universitäten und Technischen Hochschulen gebraucht) Bildungstradition dargestellt. Der Studierende soll sich eigenständig den Stoff aneignen. Vorlesungen und Übungen sind mehr als Lehrangebote zu verstehen. Der Stoff wird in wenigen großen Prüfungen abgefragt, und es werden – vor allen Dingen – zuerst die theoretischen Grundlagen gelehrt und danach die praktische Anwendung in den jeweiligen Berufsbildern.

Die Universitäten kennen nur einen Abschluss, das Diplom (oder den Magister). Die Promotion wird allein als Ergebnis einer wissenschaftlichen Arbeit verstanden. Daneben kennen wir in fast allen kontinentaleuropäischen Ländern auch eine eher berufspraktische Ausbildung (insbesondere in den Ingenieurdisziplinen), aus der in Deutschland die Fachhochschulen hervorgegangen sind.

Beide Modelle haben Vorteile

Die oben genannten Systemunterschiede bei der universitären Bildung führen erfahrungsgemäß dazu, dass die (Master-)Ingenieure aus dem angelsächsischen Raum oft ein qualitativ hochwertiges, aber eben auch hoch spezialisiertes Fachwissen aufweisen können, wohingegen sich die europäischen (Diplom-)Ingenieure eher durch ein fundiertes, breites Wissensspektrum auszeichnen (welches in seiner Spezialisierung im jeweiligen Studienschwerpunkt dem angelsächsischen Fachwissen jedoch in nichts nachsteht). Die direkte Übertragung der angelsächsischen Abschlüsse auf das deutsche System wäre wohl folgerichtig der Bachelor für die Fachhochschule und der Mas­ter für die Universität gewesen.

Damit ich nicht falsch verstanden werde, seien ein paar Sätze zu den Aspekten »Welche Abschlüsse braucht der Markt?« oder »Berücksichtigung unterschiedlicher Begabungen und Bedürfnisse« gestattet. Gerade für die Ingenieure gilt, dass der Markt sowohl praktisch orientierte Ingenieure für die alltäglichen Aufgaben als auch theoretisch ausgebildete Ingenieure für die Bearbeitung schwieriger abstrakter Probleme braucht. Die Übergänge zwischen diesen beiden Polen sind natürlich fließend. Mit einem differenzierten Ausbildungsangebot trägt man daher den Begabungen der Studierenden ebenso Rechnung wie den Bedürfnissen des Marktes.

Und ich möchte auch eine Lanze für die universitäre Ausbildung kontinentaleuro-päischer Prägung brechen, denn die geht bei konsequenter Anwendung des angelsächsischen Systems verloren. Das Lehren der theoretischen (und gleichzeitig schwierigen) Grundlagen vor der (oft weniger anspruchsvollen) Anwendung und der weitgehende Zwang zum eigenständigen Wissenserwerb sind Hürde und Qualifikation für die Studierenden zugleich. Im späteren Berufsleben fällt es ihnen erfahrungsgemäß leichter, sich in unbekannte Felder hineinzuarbeiten. Sie haben sich sozusagen Methodenwissen angeeignet in dem Punkt »Wie erarbeite ich mir selbständig Wissen?«. Ein für manche Aufgaben wichtiges Werkzeug.

Vorstehende Ausführungen sind bewusst ein wenig schwarz-weiß ausgemalt. Dies dient der Verdeutlichung der Zusammenhänge. Tatsächlich gibt es auch pädagogische Zwischenmodelle, deren Diskussion hier aber nicht wesentlich ist, weil sie die Ausnahme von der Regel bilden.

FH: Bachelor, Uni: Master

Wenn ich mir etwas aussuchen dürfte, würde ich in Deutschland für die Ausbildung der Ingenieure den Abschluss Bachelor den Fachhochschulen zuweisen und den Master den Universitäten. Was wir zweifellos im Vergleich zur Vergangenheit verbessern müssen, ist die Durchlässigkeit zwischen den beiden Bildungseinrichtungen. Hier waren in der Vergangenheit die Hürden beim Übergang von der Fachhochschule auf die Universität auch für entsprechend begabte Studenten zu hoch. Und mit genau dem Argument der guten Durchlässigkeit wird das angelsächsische Bildungsmodell verteidigt.

Was wird wahrscheinlich passieren bzw. ist schon passiert? Fachhochschulen und Universitäten bieten nebeneinander sowohl Bachelor- als auch Masterabschlüsse an, deren Schwierigkeitsgrad und Ausrichtung sich deutlich unterscheiden. Die Universitäten haben den angestammten Studienablauf weitgehend beibehalten. Der Bachelor ist hier das traditionelle Vordiplom, ergänzt um einige Prüfungen aus dem Fachstudium. Weil aber noch viel Fachliches fehlt, ist er nicht richtig berufsqualifizierend und entspricht auch nicht dem alten Diplom. Diese Qualifikation gibt es erst mit dem Master.

Die Fachhochulen bieten hingegen einen Master an, der nicht vergleichbar mit einem universitären Master ist. Hier ist die praxis-orientierte Ausrichtung erhalten geblieben, der alte Dipl.-Ing. (FH). Der »FH-Bachelor« ist aber schon eher berufsqualifizierend, weil die frühe Praxisorientierung der Fachhochschule hier hilfreich ist.

Eine letzte kritische Anmerkung sei zur Vielzahl möglicher Masterabschlüsse, die derzeit wie Pilze aus dem Boden der universitären Landschaft schießen, gestattet. Bei der Einstellung von Universitätsabsolventen spielen Begabung, gutes fachliches Wissen und Methodenkompetenz die Hauptrolle. Besondere Spezialisierungen sind nicht von Nöten, denn fast nie gelingt es den Studierenden, ausgerechnet in einem der vertieften Spezialisierungen Beschäftigung zu finden. Universitärer Wettbewerb ist gut und schön, aber er sollte sich nicht auf die Kreation exotischer Abschlüsse konzentrieren, um damit die Studenten zu ködern. Mit Exotenfächern oder exotischen Schwerpunktsetzungen ist weder den Studenten noch den Einstellenden geholfen.

Überhaupt, die Einstellenden. Die müssen sich viel intensiver als bisher mit dem Ausbildungsgang des Bewerbers beschäftigen. Denn sie können anhand des Abschlusses nicht erkennen, nach welchem Modell der Student gelernt hat. In Zukunft – und auch da kopieren wir das angelsächsische Modell – wird es entscheidender als früher sein zu wissen, wo ein Absolvent studiert hat, um seine Qualifikation zutreffend einschätzen zu können. Ob das eine gute Entwicklung ist, mag jeder für sich selbst entscheiden, einfacher wird es jedenfalls nicht.

Autor: Dr.-Ing. Peter Ruland,

IMS Ingenieurgesellschaft mbH

Stadtdeich 7, 20097 Hamburg

Peter Ruland