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Seit 165 Jahren ist Hapag-Lloyd auf den Weltmeeren aktiv. Mit der Trennung des früheren Mehrheitseigentümers TUI von weiteren Anteilen kommt jetzt ein neues Kapitel der Unternehmensgeschichte hinzu. Das nach dem Gründervater Albert Ballin benannte Investorenkonsortium rückt dabei in den Fokus

Am 27. Mai 1847 gründeten Hamburger Kaufleute die Hamburg-Amerikani­sche Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz Hapag genannt. Zehn Jahre darauf[ds_preview] entstand in Bremen der Norddeutsche Lloyd. Mehr als 100 Jahre später, 1970, schlossen sich die ­beiden traditionsreichen Reedereien zusammen – der Name Hapag-Lloyd entstand und prägt als globale Nummer fünf bis heute die Containerschifffahrt. Die Flotte umfasst 150 Frachter mit einer Gesamtkapazität von fast 680.000 TEU. Insgesamt 6.900 Menschen arbeiten für die Reederei, davon rund 1.100 in der Hamburger Zentrale.

Der entscheidende Kopf in der frühen Unternehmensgeschichte war Albert Ballin, der von 1886 bis 1918 für die Reederei wirkte, davon seit 1899 als Generaldirektor. Er machte Hapag zur größten Schifffahrtslinie der Welt (siehe S. 53 ff), und er gab mit dem Ballindamm nicht nur der Flaniermeile der Hansestadt seinen Namen, sondern auch jener Eigentümergemeinschaft, die die Geschicke der Reederei nach dem schrittweisen Ausstieg der TUI AG heute führt.

Weitere 600 Mio. € vom Konsortium

Mitte Februar einigte sich der Tourismuskonzern mit dem Konsortium Albert Ballin über den Verkauf von weiteren 17,4 % der Hapag-Lloyd-Anteile – zu einem Kaufpreis von 475 Mio. €. Die Transaktion soll bis ­Ende Juni abgeschlossen werden. Kommt das Geschäft wie geplant zustande, wird die Stadt Hamburg mit 36,9 % größter Anteils­eigner, während der Reisekonzern dann nur noch rund 22 % halten wird. Damit neigen sich 15 Jahre Hapag-Lloyd-­Geschichte unter TUI-Führung dem Ende zu. 1997 war die Reederei vom TUI-Vorgänger Preussag übernommen worden.

Die Musik spielt künftig also nicht mehr in Hannover am Konzernsitz von TUI, sondern vor der Haustür der Reederei in Hamburg. Die Stadt verfügt über die meisten Anteile am 2008 gegründeten Ballin-Konsortium, das damals unter Federführung der Politik als »Hamburger Lösung« ins Leben gerufen wurde. Ziel war es, eine Übernahme der Traditionsreederei durch nichtdeutsche Investoren, allen voran Neptune Orient Lines (NOL) aus Singapur, zu verhindern. Dies gelang, indem das Konsortium aus Stadt und Unternehmen schließlich 56,7 % der Anteile an Hapag-Lloyd erwarb.

Zunächst sieht die jüngst erzielte Verständigung vor, dass ein hoch verzinstes TUI-Darlehen über 100 Mio. € durch Hapag-Lloyd getilgt und im Umfang von 125 Mio. € durch das Konsortium Albert Ballin angekauft wird. Anschließend wandeln Albert Ballin und TUI ihre Darlehen von jeweils 125 Mio. € in Eigenkapital. Dadurch wird die Reederei von Zinszahlungen in Höhe von 47 Mio. € pro Jahr entlastet. Insgesamt investiert die Hamburgische Seefahrtsbeteiligung Albert Ballin GmbH und Co. KG, wie das Konsortium offiziell heißt, somit 600 Mio. €. Diese verteilen sich auf die Stadt mit 420 Mio. €, den Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne mit 160 Mio. € sowie die Versicherungen Hanse-Merkur mit 13 Mio. € und Signal Iduna mit 7 Mio. €. Dagegen lassen die HSH Nordbank und die von der Warburg-Bank beratenen Inves­toren ihre Beteiligungen verwässern.

TUI hatte in den vergangenen Jahren mehrfach angekündigt, sich nach und nach ganz von der Hamburger Reederei trennen zu wollen, um sich auf den Tourismus zu konzentrieren. Im Rahmen des vor einem Jahr geplanten Börsengangs wäre dies schon früher möglich gewesen. Doch wegen des schlechten Finanzmarktumfeldes und dem Abschwung in der Schifffahrt wurde der Gang an die Börse abgesagt. Er ist aber weiterhin eine Option für die Eigentümer. So wird im Markt vermutet, dass sich auch Hamburg mittelfristig wieder von einem Teil der Hapag-Lloyd-Aktien trennen will.

Geht es nach TUI, könnte dies schon bald geschehen. Denn das Unternehmen hat das Recht, jederzeit ab Ende Juni 2012 einen Börsengang mit vorrangiger Platzierung der von ihm gehaltenen Aktien zu verlangen, um den vollständigen Ausstieg aus der Containerschifffahrt zu vollziehen. Daneben bleibt TUI unverändert berechtigt, die verbleibenden Hapag-Lloyd-Anteile an Dritte zu verkaufen. Der Mittelzufluss soll zur weiteren Schuldenreduzierung genutzt werden und damit höhere Handlungsfreiheit im Kerngeschäft Touristik ermöglichen. Experten erwarten aber, dass sich TUI mit dem einen wie dem anderen Schritt Zeit lassen wird, bis sich die Frachtraten weiter erholt haben und damit mögliche private Investoren für Hapag-Lloyd-Anteile einen Aufschlag im Vergleich zum Status quo zu zahlen bereit sind.

Hanseatische Standortsicherung

»Wir haben eine faire Verhandlungs­lösung gefunden, die den wirtschaftlichen Interessen der TUI wie auch der Gesellschafter des Albert-Ballin-Konsortiums und dem Unternehmen Hapag-Lloyd gerecht wird«, sagte TUI-Chef Michael Frenzel nach der Einigung. Auch Michael Behrendt, Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd, zeigte sich zufrieden: »Das ist eine gute Lösung, weil Hapag-­Lloyd noch fester mit Hamburg und seinem Hafen verbunden ist.« Mehr als ein Viertel der insgesamt 82 Liniendienste, die Hapag-Lloyd weltweit unterhält, laufe Hamburg an. Inklusive Feeder-Angeboten verbinde die Reederei die Hansestadt mit über 215 Häfen auf allen Kontinenten. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz sagte, Hapag-Lloyd sei für den Wirtschaftsstandort wichtig und für den Hafen von größter Bedeutung. Die Erhöhung der Beteiligung der Stadt von bisher 24 auf knapp 37 % diene einer nachhaltigen Standort­sicherung der Traditionsreederei.

nis