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Der »Costa Concordia«-Unfall wirft viele Fragen zur Sicherheit von Kreuzfahrtschiffen auf, die beim Nautischen Verein zu Kiel erörtert wurden.

Grundsätzlich sind Kreuzfahrten eine sehr sichere Art zu reisen. Der ent­scheidende Faktor für die Schiffsführung ist aber der Mensch[ds_preview]. Das ist das Fazit eines Podiumsgesprächs, das der Nautische Verein zu Kiel Ende Februar mit erfahrenen Kapitänen vor gut 130 Zuhörern in Kiel veranstaltete. Passender konnte der Termin nicht gewählt sein: Gerade war mit der in Brand geratenen »Costa Allegra« im Indi­schen Ozean ein weiteres Costa-Schiff in Seenot geraten.

Unter der Leitung von Kapitän Ingo Berger, 2. Vorsitzender des Nautischen Vereins zu Kiel, erläuterten Frau Kapitän Runa Jörgens vom Verband Deutscher Reeder, Bergungsfachmann Kapitän Ge­rald Immens, Lotse und ehemaliger Präsident des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen, Kapitän Peter Meyer von der Bugsier-Reederei und Johannes Wasmuth, Kapitän auf den Fährschiffen der Scandlines, die Rahmenbedingungen für die Führung, Evakuierung und Bergung von Kreuzfahrtschiffen. Das Ziel der Diskussion war, die öf-

fentliche Debatte über das Schiffsunglück mit Faktenwissen zu versachlichen, aber nicht bereits zum jetzigen Zeitpunkt den Unfallhergang zu klären. Dies bleibe den amtlichen Untersuchungen vorbehalten, so Berger.

Dichte Vorbeifahrt nur im Brückenstatus »Revierfahrt«

Im Prinzip kann auch ein großes Kreuzfahrtschiff dicht an einer Insel sicher vorbeifahren«, sagte Gerald Immens, der die Route der »Costa Concordia« anhand des AIS-Tracks analysierte. »Aber nur mit der richtigen Vorbereitung und dem Brücken­status ›Revierfahrt‹ – also mit höchster Wachsamkeit«, schränkte er ein. Die Vorbeifahrt an der Insel Giglio sei aber offenbar völlig unvorbereitet geschehen. Das werfe nicht nur die Frage nach dem Verhalten des Kapitäns auf, sondern nach dem des gesamten Brückenteams.

Peter Meyer zeigte, wie die Treibstofftanks von havarierten Schiffen abgepumpt werden. Weiter stellte er unterschiedliche Methoden zur Bergung und zum Abwracken vor. Beide Möglichkeiten gebe es; welche schließlich im Fall der »Costa Concordia« von der Reederei gewählt werde, sei nur eine Frage der Zeit und des Geldes. Meyers persönliche Meinung: »Ich glaube, das Schiff wird als Ganzes wegkommen.« Denn die Kosten für Bergung und Abwracken seien etwa gleich hoch.

Johannes Wasmuth, der als Kapitän der Fähre »Deutschland« den Brand der »Lisco Gloria« hautnah miterlebt hat, brach eine Lanze für Seereisen: »Genießen Sie Kreuz- und Fährfahrten ruhig weiter.« Sie seien sehr sicher und der Verlust von Menschenleben sei extrem gering. Wasmuth stellte vor allem die Rolle des Kapitäns in den Vordergrund: Er müsse jederzeit über den Zustand seines Schiffes informiert sein. Fähr- und Kreuzfahrtschiffe seien derartig umfangreich mit Überwachungstechnik für das gesamte Schiff ausgestattet, dass dies jederzeit möglich sei. So müsse auch der Kapitän der ­»Costa Concordia« unmittelbar nach der Kollision gewusst haben, welche Schäden das Schiff hatte. Als Paradebeispiel für richtiges Handeln nannte er das Verhalten des Kapitäns der »Lisco Gloria«, die vor zwei Jahren in der Ostsee in Brand geriet. Wasmuth weiter: »Im Ernstfall hat der Kapitän keinen Plan B. Er muss rechtzeitig, entschlossen und seemännisch kompetent entscheiden, was zu tun ist. Denn er hat nur 30 Minuten bis maximal eine Stunde Zeit, die Passagiere zu evakuieren, wenn es nötig ist. So sind die internationalen Vorschriften.« Und: »Concordia«-Kapitän Schettino habe mit seinem Verhalten wertvolle Zeit verschenkt.

Mit Runa Jörgens, die die umfangreichen international geltenden Sicherheitsvorschriften und -prozeduren erläuterte, war er sich einig: Entscheidend ist das Brücken-management. Jeder auf der Brücke habe eine feste Aufgabe. Hier sei Teamwork gefragt, um Unfälle gar nicht erst entstehen zu lassen. Seit 2001 werde auf deutschen Seefahrtsschulen bereits das »Bridge Teambuilding« gelehrt.


Jürgen Rohweder