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Der nachfolgende Beitrag beleuchtet Aspekte so genannter Inbound-Aktivitäten ausländischer Seeschifffahrtsunternehmen.

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist eine Kapitalgesell­schaft mit Satzungssitz und Geschäfts­leitung (ausländische Gesellschaft) in einem Staat, mit dem Deutschland[ds_preview] kein Doppelbesteuerungs­abkommen abgeschlossen hat (Nicht-DBA-Staat). Diese Kapitalgesell­schaft betreibt ein Schifffahrts­unternehmen. Eine deutsche Betriebsstätte unterhält sie nicht. Im Streitjahr erzielte sie mit ihrer zwischen europäi­schen und ost­asi­atischen Häfen betriebenen Containerlinie Fracht­erlöse in Höhe von 425 Mio. $, denen Aufwendungen in Höhe von 426 Mio. $ gegenüberstanden. Unter Berücksichtigung weiterer sonstiger Erträge und Aufwendungen erwirtschaftete sie im Streitjahr einen Verlust von 30 Mio. $.

Die von deutschen Häfen aus erzielten Frachterlöse betrugen 14 Mio. $, die entsprechenden Aufwendungen gibt die Kapitalgesellschaft mit 15 Mio. $ an. Mit ihren Einkünften aus Beförderungen, den Entgelten aus den von deutschen Häfen aus erzielten Frachterlösen, wurde sie der beschränkten Steuerpflicht unterworfen. Die in diesem Zusammenhang angefallenen Aufwendungen in Höhe von fast 15 Mio. $ wurden nicht berück­sichtigt.

Lösungshinweise: Unbeschränkt steuerpflichtig wäre die Kapitalgesellschaft nur, wenn sich der Satzungssitz oder die Geschäftsleitung im Inland befänden. Dies ist nicht der Fall. In Betracht kommt also nur eine auf das Inland bezogene sogenannte beschränkte Steuerpflicht. Nach deutschem Steuerrecht sind unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb beschränkt steuerpflichtig, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe aus Beförderungen zwischen inländischen oder von inländi­schen zu ausländischen Häfen erzielt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 b) des Einkommensteuergesetzes (EStG). Gem. § 49 Abs. 3 EStG sind diese Einkünfte mit fünf vom Hundert der für die Beförderungsleistungen vereinbarten Entgelte ohne Berücksichtigung damit zusammenhängender Aufwendungen anzusetzen. Einkünfte aus derartigen Beförderungsleistungen ausländischer Schifffahrtsunternehmen sind dagegen in Deutschland steuerfrei, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen dies entsprechend Art. 8 OECD-Musterabkommen vorsieht oder wenn der ausländische Staat eine Steuerbefreiung für derartige Einkünfte gewährt und das Bundesministerium für Verkehr die Steuerbefreiung für verkehrspolitisch unbedenklich erklärt hat (§ 49 Abs. 4 EStG).

Beide Ausnahmetatbestände liegen bei einem Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in einem Nicht-DBA-Staat nicht vor, da weder ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und dem Nicht-DBA-Staat geschlossen worden ist noch dieser Staat annahmegemäß Steuerfreiheit für die hier fraglichen Einkünfte gewährt. Da kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, kann sich die im Nicht-DBA-Staat ansässige Reederei auch nicht auf ein hierin in der Regel vereinbartes Diskriminierungsverbot berufen.

Abwandlung: Ausgangspunkt ist wiederum eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Nicht-DBA-Staat, die ein Schifffahrtsunternehmen betreibt. Eine deutsche Betriebsstätte unterhält sie nicht. Sie verschifft Güter von Hamburg oder Bremen nach Hongkong. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Reederei durch einen Linienagenten vertreten. Da die Reederei aus wirtschaftlichen Erwägungen keine skandinavischen Häfen anläuft, lässt sie für Hongkong bestimmte Güter aus diesen Häfen auf eigene Kosten durch die im Ostseeraum tätigen Ostseedienste nach Hamburg oder Bremen befördern. Sie übernimmt dort die betreffenden Güter und lädt sie auf ihre Frachter um (sogenannter Güterumschlag). In diesen Fällen stellen die in skandinavischen Häfen ansässigen Agenten der Reederei Durchkonnossemente (Through Bill of Lading) über den Gesamttransport aus. Darin verpflichtet sich die Reederei, die Güter vom skandinavischen Hafen zum Bestimmungshafen nach Hongkong zu transportieren. Die in diesen Fällen vereinbarte Frachtrate bezieht sich sowohl auf die besorgte Beförderung nach Hamburg oder Bremen als auch auf die eigene Beförderung von den inländischen Häfen nach Hongkong.

Lösungshinweise: Laut dem Einkommensteuergesetz sind der Einkünfteermittlung die Entgelte für Beförderungsleis­tungen nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG zugrunde zu legen. Das sind die Entgelte für Beförderungsleistungen von inländischen zu ausländischen Häfen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG). Nur die Entgelte für diese genau umschriebenen Beförderungsleis­tungen sollen Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte sein.

Dieser Bestimmung ist des Weiteren zu entnehmen, dass die mit solchen Beförderungen zusammenhängenden – unselbständigen – Beförderungsleistungen nur dann als Einheit mit der Hauptleistung betrachtet werden sollen, wenn sie »sich auf das Inland« erstrecken. Es sollen also beispielsweise Containerbeförderungen im Vorlauf zur Schiffsbeförderung mit in die deutsche Besteuerung einbezogen werden, sofern die Vorbeförderung im Inland stattfindet. Vorbeförderungen von ausländischen zu inländischen Häfen – wie vorstehend – sind dagegen nach der Rechtsprechung weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch nach ihrem Sinn in die deutsche Besteuerung einzubeziehen.

Das bedeutet im Abwandlungsfall, dass die rechtlich von der Reederei und tatsächlich von einem Unterverfrachter erbrachten Beförderungsleistungen zwischen Skandinavien und den deutschen Seehäfen nicht Gegenstand der deutschen Besteuerung oder Bestandteil der Bemessungsgrundlage bei der Ermittlung der Einkünfte sein können.

Abwandlung: Die bisherigen Anteilseigner einer in Hongkong ansässigen Reederei (Hongkong Company) verkaufen ihre Anteile an eine im Inland ansässige Reederei, die schon Jahre vorher zur Tonnagegewinn­ermittlung optiert hatte. Die Geschäfte der in Hongkong ansässigen Reederei werden von da an von der inländischen Reederei geführt. Werden die von der Reederei in Hongkong betriebenen Seehandelsschiffe von der deutschen Tonnagegewinnermittlung erfasst?

Lösungshinweise: Die Hongkong Company ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Zwar befindet sich annahmegemäß der Satzungssitz der Company noch in Hongkong, jedoch ergibt sich die unbeschränkte Körperschaftssteuerpflicht in Deutschland aus dem Umstand, dass die Geschäfte der Company von der inländischen Reederei geführt werden.

Die Geschäftsleitung der Company befindet sich seitdem in Deutschland, weshalb diese im Inland unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtig ist. Die Company partizipiert als selbständiges Rechtsgebilde nicht von der Option zur Tonnagegewinn­ermittlung durch die inländische Reederei. Unter der Annahme, dass die Seehandelsschiffe im deutschen steuerrechtlichen Betriebsvermögen erfasst werden, kommt eine Tonnagegewinnermittlung der Company nur im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung der Seehandelsschiffe in Betracht.

Ist nunmehr die erstmalige Erfassung der Seehandelsschiffe der Company im deutschen steuerrechtlichen Betriebsvermögen (Stichwort: Verstrickung) eine »Anschaffung bzw. Herstellung«, zumindest analog? Oder liegt die Lösung in § 5a Absatz 4 Satz 4 des Einkommenssteuergesetzes? Hiernach gelten die Vorschriften über die Feststellung des Unterschiedsbetrags entsprechend. Es spricht vieles für die zweite Variante. Doppelbesteuerungsrechtlich sei letztendlich auf das mit Hongkong abgeschlossene Abkommen auf dem Gebiet der Seeschifffahrt verwiesen.

Autor:

Klaus Voß

Fachanwalt für Steuerrecht

www.kanzlei-voss.de

Klaus Voß