Print Friendly, PDF & Email

Angeklagter Somalier gibt Beteiligung am Überfall auf die »Taipan« zu

Eine große Überraschung gab es Ende Februar im Piratenprozess vor dem Hamburger Landgericht. Einer der Angeklagten legte nach 15 Monaten[ds_preview] Prozessdauer am 78. Verhandlungstag ein umfassendes Geständnis ab und belastete seine Mitangeklagten schwer. Seine Kern­aussage: »Niemand von uns wurde zu dem Angriff auf die ›Taipan‹ gezwungen.« Die Männer, die das vor Ge­richt immer wie-der behaupteten, hätten gelogen. Er selbst sei als erster an Bord gegangen und habe eine ungeladene Pistole bei sich getragen, um zu vermeiden, dass die Waffe unbeabsichtigt losginge und Seeleute zu Schaden hätten kommen können. »Es war nur geplant, den Leuten ein bisschen Angst zu machen.« Wer das Schiff beschossen und später gesteuert habe, könne er nicht sagen.

Den zehn Angeklagten wird vorgeworfen, an Ostern 2010 das Hamburger Frachtschiff »Taipan« vor der Küste Somalias gekapert zu haben. Ein niederländisches Marinekommando nahm die Piraten gefangen, nachdem die Besatzung sich in einen Sicherheitsraum zurückgezogen hatte.

Die Aussagen des geständigen Somaliers geben interessante Einblicke in die straffe Organisation der Seeräuber: Alle angeklagten Männer hätten Verträge unterzeichnet, in denen als ein wichtiger Punkt festgelegt gewesen sei, wie das Lösegeld aufgeteilt würde. »Jeder von uns hat unterschrieben«, betonte der Mann. »Es war alles ganz klar vorbereitet.« Allen Beteiligten seien zu Beginn bestimmte Aufgaben zugeteilt worden, sagte er weiter und wies auf die Mit­angeklagten: Einer sei Steuermann gewesen, ein anderer habe die Panzerfaust erhalten, ein weiterer ein Schnellfeuergewehr. Der ältes­te habe den Angriff geführt, »er war an vorderster Front«. Seine eigene Aufgabe sei gewesen, zu dolmetschen. Er nannte auch den Namen des angeblichen Anführers in Somalia und berichtete von weiteren Hintermännern.

Die Verträge hätten auch geregelt, dass der Besatzung nichts zustoßen dürfe. »Wenn einer von uns eine Geisel schlecht behandelt hätte, wäre sein Anteil reduziert worden und ihn hätten noch andere Strafen erwartet.« Außerdem sei strengstens untersagt gewesen, der Besatzung Telefon­gespräche zu ermöglichen. Darauf habe eine hohe Strafe gestanden, sogar eine mögliche Exekution. Als Grund für das späte Geständnis nannte der Angeklagte, er könne die Lügen nicht mehr ertragen: »Vor Gericht hat man uns korrekt und fair behandelt, und ich möchte wirklich die Wahrheit sagen.« Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem ersten Plädoyer, noch vor dem Geständnis, acht Jahre Haft für den Angeklagten gefordert – weniger als bei einigen Mitangeklagten –, weil er schon kurz nach seiner Festnahme Informationen über die Piraterie in Somalia gegeben hatte.

Das Gericht hatte den Prozess Mitte Februar zunächst in zwei Verfahren geteilt, um zumindest in einem Verfahren zu einem schnellen Ende zu kommen. Weil der Somalier jedoch sein Geständnis angekündigt hatte, wurde dieser Schritt rückgängig gemacht. Jetzt wird wieder gegen alle zehn Angeklagten gemeinsam verhandelt. Zur Begründung erklärte der Vorsitzende Richter Bernd Steinmetz, die Aussage betreffe alle Angeklagten: »Wäre es bei zwei Verfahren geblieben, hätten wir alles doppelt machen müssen.«