Print Friendly, PDF & Email

Die LNG-Doppelendfähre »Selbjørnsfjord« punktet mit Zuverlässigkeit und reduzierten Emissionen. Nach rund einem Jahr – 8.000 Betriebsstunden – im LNG-Betrieb sind Bordpersonal und Reederei mit den Ergebnissen sehr zufrieden.

Neue, strengere Emissionsvorschriften zwingen die Schifffahrt, über Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas = LNG) als Alternative nachzudenken. Ange­sichts der steigenden Kraftstoffpreise[ds_preview] sowie weiter verschärften Emissionsvorschriften werden umweltverträgliche Kraftstoffe zu einer

realistischen Option und die Vorzüge von LNG zeichnen sich bereits heute deutlich ab. Im Vergleich zu Öl hat Erdgas zwei entscheidende Vorteile: Hohe Leistungsfähigkeit und weniger schädliche Umwelt-einflüsse. Die zurzeit größte Herausforde-rung ist, Schiffsbetreiber in der See- und Flussschifffahrt, Tanker-, Frachter- und auch die Flusskreuzfahrt-Reedereien zu überzeugen, auf LNG als geeigneten Kraftstoff umzustellen.

Pionierland Norwegen

Norwegen ist Pionier beim Bau und Betrieb von Schiffen mit LNG-Antrieb. Aktuell sind etwa 20 Personen-/Pkw-Fähren und Bohrinselversorger erfolgreich mit LNG-Antrieb im Einsatz. Die Zulieferindustrie hat sich dementsprechend den Herausforderungen gestellt: Geeignete Schiffsmotoren stehen sowohl für den Antrieb als auch zur Stromerzeugung für das Bordnetz zur Verfügung. Die Klassifikationsgesellschaften haben bereits seit langem Bauvorschriften für diese Antriebsform entwickelt. Dabei können die Klassen auf umfangreiche praktische Erfahrungen aus dem Betrieb von LNG-angetriebenen Schiffen

in einem Zeitraum von über zehn Jahren zurückblicken.

LNG-Doppelendfähre

Die norwegische Fiskerstrand Verft mit Sitz in Fiskarstranda hatte im Januar 2011 einen Doppelend-Fährschiffsneubau unter dem Namen »Selbjørnsfjord« an die Reederei Fosen Namsos Sjø in Trondheim abgeliefert. Die Besonderheit dieser Fähre ist ihr Erdgasantrieb. Wichtigstes Kriterium für die Wahl des Erdgasantriebs, der sich aus einem Gastank von 125 m3 Inhalt speist, war der Umweltschutz. Ein weiterer Treiber ist der in Norwegen vorhandene Stickstofffonds (NOx fund). Durch diesen Fonds erhalten (Schifffahrts-)Unternehmen in Norwegen finanzielle Anreize für die Suche nach alternativen und umweltfreundlichen Technologien.

Der von dem schwedischen Unternehmen Cryo aus Göteborg hergestellte Gastank mit einer Länge von 15 m und einem Durchmesser von 3,6 m wurde mittschiffs zwischen dem Gas-Maschinenraum und dem vorderen Diesel-Maschinenraum eingebaut. Im Gastank besteht ein maximaler Druck von 4,5 bar und eine LNG-Temperatur von -162 °C. Die Gas-Elektroaggregate sind in einem gasdichten Maschinenraum aufgestellt. Hier sind auch die für die Gasversorgung notwendigen Gasregelstrecken und Gasmischer an den Motoren installiert. Die gas-elektrische Maschinenanlage besteht aus zwei Generatorsätzen (ein Mitsubishi-Gasmotor GS12R-PTK mit 676 kW bei 1.500 U/min und ein Mitsubishi-Gasmotor GS16R-PTK mit 900 kW bei 1.500 U/min), die mit dem Kraftstoff LNG betrieben werden. Sie erzeugen die Energie für die beiden wassergekühlten elektrischen ABB-Fahrmotoren, die wiederum zwei Schottel-Twin-Propeller vom Typ STP 1010 antreiben. Jeweils einer befindet sich unter dem Vor- und Achterschiff und sichert die benötigte hohe Manövrierfähigkeit der Fähre. Die Stromerzeugung reicht außerdem für den allgemeinen Strombedarf des Schiffsbetriebes.

Für den Notfall wurde eine zusätzliche diesel-elektrische Maschinenanlage (Mitsubishi S12R-MPTA mit 1.110 kW bei 1.500 U/min) mit einem Leroy-Somer-Generator im Vorschiff eingebaut. Alle drei Generatorsätze wurden von dem norwegischen Mitsubishi-Vertreter Diesel Power in Spikkestad komplettiert, geliefert und eingebaut. Diesel Power rüstet seit rund zehn Jahren Fähren und andere Schiffe in Norwegen mit Gasmotoren aus.

Bei den wassergekühlten Mitsubishi-Gasmotoren handelt es sich um sogenannte Viertakt-Vorkammer-Otto-Gasmotoren mit Abgasturbogemisch-Aufladung und Gemischkühlung. Sie werden mit sehr mageren Gas-Luft-Gemischen gefahren – was eine Voraussetzung für niedrige Abgasemis­sionswerte ist. Die Zündung des komprimierten Gas-Luft-Gemisches erfolgt dann über je eine Hochleistungszündkerze pro Zylinder.

Fährlinie Halhjem–Vage

Fosen Namsos Sjø ist eine junge norwegische Reederei. Das Unternehmen betreibt in der norwegischen Küstenregion mehrere Fährlinien und ermöglicht mit ihnen einen wirtschaftlichen Personen- und Güterverkehr in der zerklüfteten Fjordlandschaft. In dem dichten maritimen Verkehrsnetz verkehrt zudem eine Reihe von Schnellfähren und Katamaranen.

Ende 2010 hat die Reederei einen langjährigen Fährvertrag zwischen den Fähranlegern Halhjem und Vage gewonnen. Auf dieser rund 20 km langen Strecke ist die neue Doppelendfähre »Selbjørnsfjord« eingesetzt. Mit einer Länge von 109 m und einer Breite von 17,2 m erreicht sie bei einem Tiefgang von 3,5 m und einer Verdrängung von 2.989 t eine maximale Geschwindigkeit von 14 kn. Sie kann bis zu 120 Pkw und maximal 249 Personen befördern. In einem 24-Stunden-Verkehr, mit etwas reduzierter Taktfrequenz nach Mitternacht und an Sonn- und Feiertagen, fährt die Fähre von Halhjem nach Våge und zurück. Eine Überfahrt dauert 35 Minuten.

Die Entwicklung dieser Fährschiffgeneration übernahm das norwegische Inge­nieurbüro Multi Maritime in Førde, das die Detailausführung zusammen mit der Konstruktionsabteilung der Werft erarbeitete. Seit 2010 gehört Multi Maritime zum Fiskerstrand-Werftenverbund. Die »Selbjørnsfjord« wurde durch Det Norske Veritas (DNV) und das norwegische Sjøfartsdirektoratet abgenommen und klassifiziert (DNV + 1A1, Car ferry B, Gas Fuelled, R4, E0 (Nor), DNS Operation Area 2).

Gasversorgung und -logistik

Direkt am Fähranleger in Halhjem ist auch die Gasbunkerstation durch das norwegische Unternehmen Gasnor eingerichtet worden. Die Kunden von Gasnor stammen hauptsächlich aus dem Industrie- und Dienstleistungsbereich in den südwestlichen Regionen des Landes. Die Versorgung der Fjord-Fährbetriebe mit LNG ist einer der Kernabsatzmärkte.

In Halhjem fassen zwei 35 m lange, liegende LNG-Lagertanks je 500 m3 Gas. Sie werden entweder durch kleinere Tanker oder Lkw gefüllt. Die mit Vakuum und

Perlit isolierten Lagertanks wurden von dem tschechischen Hersteller Chart Ferox geliefert und installiert. Die Doppelendfähre befüllt ihren eigenen Vorratstank an Bord ungefähr in einem Rhythmus von sechs Tagen.

Zuverlässig und emissionsarm

Der technische Leiter der Reederei, Jan Hofstad, zieht ein Zwischenfazit: »Die Fähre ist nun seit rund 8.000 Stunden in Betrieb. Seither haben wir keinerlei Probleme jeglicher Art mit den gasbetriebenen Motoren und auch keine Schiffsausfälle aufgrund technischer Schwierigkeiten gehabt.« Mit der Leistungs- und Tragfähigkeit sei man sehr zufrieden.

Die Reederei denke an einen weiteren mit Gas betriebenen Fjordfähren-Neubau, aber zurzeit sei konkret keine Auftragsvergabe geplant. »Wir glauben, dass besonders in Norwegen Auto- und Personenfähren mit Gasmotoren auch künftig eine wesent­liche Rolle spielen werden«, so Hofstad. »Im Vergleich zu Fähren mit Dieselmotor sparen wir rund 80 % NOx und ungefähr 10 % CO2 ein.«


Peter Pospiech