Pionierarbeit auf hoher See

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Mit großen Hoffnungen und viel Elan sind Deutschlands Stromversorger und maritime Unternehmen die von der Politik ausgerufene »Energiewende« angegangen. Vor[ds_preview] allem Offshore-Wind soll dazu bei­tragen, den Ausstieg aus der Atomenergie zu kompensieren. Nun, allerdings, zeigt sich eine zunehmende Diskrepanz von Theorie und Praxis bei der Erreichung der hehren Offshore-Ziele. Zum einen sind die von der Natur vorgegebenen Bedingungen beim Aufbau und Betrieb von Windparks auf hoher See nicht immer nach Plan beherrschbar. Zum anderen haben sich offenbar bei den an Land entwickelten Abläufen zu Finanzierung, Netzanschluss und Logistik größere Kalkulationsfehler eingeschlichen.

Schon mehren sich Rufe, die Energiewende könne scheitern. »Deprimierend« nannte unlängst die Opposition in Berlin den Status quo beim Offshore-Netzausbau und der Entwicklung dringend benötigter Energiespeicher. Die Industrie müsse der Bundeskanzlerin »tüchtig den Kopf waschen«, hieß es. Für politische Rivalen, freilich, sind die aktuellen Rückschläge ein gefundenes Fressen, ebenso für die Presse. So musste Siemens jüngst gleich mehrfach Schlagzeilen verdauen, in denen von einem »Millionengrab« auf See die Rede war, nachdem der Technologiekonzern Bilanzrückstellungen aufgrund von Verzögerungen bei der Entwicklung von Umspannplattformen vornehmen musste.

Die Negativberichte sind gefährlich, rufen sie doch bei den an der Energiewende beteiligten Unternehmen zusätzliche Frus­tration hervor. So manchem könnte die Lust am »Abenteuer Offshore« vergehen, bevor es richtig begonnen hat – nicht zuletzt potenziellen neuen Inves­toren, ohne die der großflächige Aufbau und Betrieb von Windparks kaum gelingen wird. Auch die bis

dato noch breite gesellschaftliche Zustimmung dürfte erodieren, wenn ständig die Rede davon ist, dass am Ende die Verbraucher für ein Fehlschlagen der Energiewende die »Zeche zahlen« müssten.

Es ist daher jetzt an der Zeit, dass sich Politiker aller Parteien an einen Tisch setzen, um gemeinsam mit Industrie, Wissenschaft, Behörden und Finanzierern die richtigen Schlüsse aus den aktuellen Problemen ziehen – in Ansätzen geschieht das aktuell bereits. Schlechtreden und gegenseitige Vorwürfe dagegen bringen niemandem etwas. Bei den Gesprächen sollte es vor allem um Finanzierungsförderung gehen, die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren, die rechtliche Klärung von Haftungsfragen, eine Standardisierung der Prozesse sowie die Ausbildung einer ausreichenden Zahl von Mitarbeitern mit maritimem Offshore-Know-how.

Aus Generationensicht betrachtet, sind der Ausstieg aus der Atomenergie und der massive Ausbau erneuerbarer Energien eine historische Entwicklung, für die uns unsere Kinder, Enkel und Großenkel danken dürften. In vielerlei Hinsicht wird dabei Neuland betreten, deshalb ist Pioniergeist gefragt, keine Kleingeistigkeit. Niemand hat behauptet, dass das Vorhaben, saubere und sichere Energie zu erzeugen, leicht würde. Aber wie immer gilt: Wer Großes vorhat, muss auch kleine Rückschläge wegstecken können.