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Beim Seetransport von Hightech-Ladung wie Windenergieanlagen und Offshore-Komponenten können schnell Millionenschäden entstehen, wenn die Fracht nicht zeitgemäß gesichert ist. Einer der Spezialisten in diesem Geschäft ist die niedersächsische Firma Seatight

Wenn schwerer Seegang nicht-standardisierte Ladung aus der Befestigung löst, drohen enorme Schäden: Sowohl Totalverluste der sich gegenseitig beschädigenden Anlagenkomponenten[ds_preview] können eintreten als auch Defekte am Schiff, die zur Gefährdung für Schiff und Besatzung führen können. Angelo Pennacchia, einer der beiden Geschäftsführer der Seatight GmbH, kennt das »Handwerk« der Ladungssicherung großer Einzelkomponenten aus unterschiedlichen Perspektiven. Während seiner Ausbildung und in den Semesterferien hat er Ladung per Laschen und Schweißen befestigt. Der gelernte Schiffsmechaniker und studierte Nautische Wachoffizier fuhr mit entsprechendem Stückgut zur See. Jetzt berät er als Supercargo bzw. Port Captain Kapitäne, Schiffsoffiziere, Reeder, Charterer, Logistik­unternehmen, Schiffs­agenturen und -makler, Windenergieanlagen-Hersteller sowie Versicherer in Fragen der Ladungssicherung und -sicherheit.

Pennacchias Geschäftsidee formte sich endgültig im Laufe einer zweijährigen Tätigkeit als Sachverständiger in Dänemark: Über das rein handwerkliche Laschen und Schweißen hinaus besteht sie darin, professionelle Dienstleistungen wie Machbarkeitsanalyse und verantwortliche Abnahme der Ladungssicherung zu integrieren. Dies schließt für ihn ein, die Einflüsse auf Sicherheit und Qualität der handwerklichen Prozesse bereits im Vorfeld zu berücksichtigen. Diese Philosophie sicherte dem Unternehmen mit dem selbsterklärenden Namen »Seatight« bereits nach kurzer Zeit eine führende Position in seiner Marktnische.

Mechanische Belastung und Sicherung der Transportgüter

Die auf Schiff und Ladung einwirkenden Kräfte bei Seegang resultieren aus jeweils drei geradlinigen Bewegungen und Rotationsbewegungen. Sie sind mit der X-, Y- und Z-Achse am Schiff dargestellt und ermöglichen das Ermitteln der Beschleunigungskräfte. Ausgehend vom Achsenschwerpunkt des Schiffes nehmen die Beschleunigungskräfte, die auf ein Ladungsstück wirken, proportional zur Entfernung des betreffenden Ladungsteiles zum Achsenschwerpunkt des Schiffes zu.

Diese Kräfte werden durch differenzierte Bewegungen mit folgenden Bezeichnungen hervorgerufen:

• Rollen beschreibt die Rotationsbewegungen um die Längsachse des Schiffes, d. h. von Steuerbord bis Backbord und zurück.

• Wogen ist die geradlinige Bewegung entlang der Längsachse.

• Stampfen heißt die Rotationsbewegung um die Querachse des Schiffes, d. h. die Bewegung von Vorderschiff zu Achterschiff.

• Schwoien ist die geradlinige Bewegung entlang der Querachse.

• Gieren heißt die Rotationsbewegung um die Hochachse des Schiffes, wobei das gesamte Schiff senkrecht aus dem Wasser gehoben wird.

• Tauchen ist die geradlinige Bewegung entlang der Hochachse.

Zusammengefasst gilt: Je höher die Amplitude und/oder Frequenz der Bewegungen, desto höhere Beschleunigungen erzeugen sie und entwickeln entsprechend hohe Kräfte. Je weiter die Schwerpunkte der Transportgüter von der Schiffsachse entfernt sind, desto größer die Beschleunigungen und demzufolge der erforderliche Sicherungsaufwand. Auf Deck müssen zusätzlich der Winddruck und der Seeschlag mit in die Ladungssicherung einberechnet werden, da jede Ladungseinheit an Deck eine Angriffsfläche für die maritimen Naturgewalten bietet.

Aufgabe der Ladungssicherung ist es, eine feste und sichere Verbindung zwischen Schiff und Ladungseinheit für den Seetransport zu schaffen. Diese Transportbefes­tigung besteht entweder aus gespannten flexiblen Elementen oder geschweißten Stoppern. Zum Anbringen der Spann­elemente wie Ketten, Stahlseile und Textilbänder dienen Ösen in den Wänden des Frachtraumes, oder es werden separate ­D-Ringe, auch Laschaugen genannt, auf das gestrichene glatte Schiffsdeck geschweißt. Die Form solcher Befestigungen richtet

sich – bezogen auf die Ladung – nach ihrer Aufgabe:

• Gegen Rutschen sichern Stopper aus Flachstahl oder Doppel-T-Profilen ab.

• Klammern aus entsprechend geformten Stahlblechen verhindern Rutschen, Kippen und Anliften.

• Laschplatten und D-Ringe nehmen die Laschketten und oder Drahtseile auf.

Bedingungen für das Schweißen von Haltern

»Schweißen ist im Normalfall schneller und kostengünstiger als Laschen. Einen Stopper auf dem Deck zu verschweißen kostet rund 10 €. Das Befestigen einer Kette ist zeitaufwendiger und summiert sich inklusive des Verschweißens des D-Rings auf cirka 60 €«, erläutert Roland Barow, der zweite Seatight-Geschäftsführer. Für das Befestigungsschweißen auf Schiffsdecks gelten einige Grundregeln. Definiert hat sie die Weltschifffahrtsorganisation IMO. Bezogen auf die Befestigungsnähte hat sie ein a-Maß von 6 mm festgelegt. Dem entsprechen bei 1 cm Nahtlänge

(siehe Tabelle »Daten zur Schweißverbindung«) eine Tragkraft von ca. 1,2 t und inklusive Sicherheit eine Bruchlast von 1 t. Festgelegt sind davon 50 % als Maximal Security Load (MSL). Entsprechend erreichen 20 cm Nahtlänge eines Stoppers 10 t MSL, bei einem Doppel-T-Profil mit beidseitiger Schweißung sind es 20 t. »Wir nehmen die Vorgaben der IMO als Untergrenze. Unser eigener hoher Qualitätsanspruch geht darüber hinaus. Unsere Schadensrate und daraus folgende Zahlungen sind null«, sagt Pennacchia. Er erläutert die Verschweißungen am Beispiel einer Windenergieanlage: Ihr Gewicht von ca. 400 t verteilt sich auf die Maschinengondel (ca. 130 t) mit Getriebe sowie Generator, die Rotornabe (40 t), drei Rotorblätter mit je 13 t und drei Turmelemente von je 65 t. Weil Frachtraum und damit Deckfläche wertvoll sind, sieht der Stauplan eine enge Belegung der Flächen vor. Auf dem untersten Deck optimiert der Mix von Maschinengondeln und Rotor­naben die Flächenausnutzung. In der Folge können die Abstände, gleichzeitig der Arbeitsraum für den Schweißer, sehr eng sein. Um eine qualitativ gute Verbindung zu gewährleisten, entfernt der Schweißer zuerst die Farbe oder den Rost von der Verbindungsstelle auf dem Deck. Weitere widrige Umstände können auf Deck schwimmendes Regen- oder Lenzwasser darstellen.

Zur Sicherung der Maschinengondeln schweißen die Seatight-Mitarbeiter 30 Klammern mit insgesamt 8 m Nahtlänge. Sie nehmen eine MSL von insgesamt 400 t auf. Jedoch wird davon je nach Lastart und Beschleunigung nur ein Bruchteil wirksam. Weil die Rotornaben kleiner bemessen sind, können sie zum Optimieren der Flächenbelegung dienen. Zum Sichern ihres geringeren Gewichtes genügen zwölf Klammern. Sie ergeben 2,4 m Nahtlänge oder 120 t MSL. Üblich sind auf dem zweiten Innendeck und dem folgenden Oberdeck die Rotorblätter und Turmelemente angeordnet. Je Rotorblatt, befestigt in einem Gestell, betragen die gängigen Befestigungen zehn Klammern und fünf D-Ringe; je Turmelement zwölf Klammern und 16 D-Ringe. So summiert sich die Nahtlänge für die Komponenten einer mittleren Windenergieanlage auf gut 50 m. Seatight-Mitarbeiter schaffen dieses Arbeitsvolumen im Schnitt in einem Arbeitstag.

Kriterien und Vorgaben

Alle Schweißer des Unternehmens sind vom Germanischen Lloyd (GL) zertifiziert und wiederholen ihre Prüfung im Zwei-Jahres-Turnus. Für Pennacchia geht der Arbeitsbereich seiner Mitarbeiter fachlich aber deutlich über das Schweißen hinaus: Das Befestigen des Frachtgutes, auch per Laschen, verlangt spezifische Kenntnisse. Mechanikerfertigkeiten sind zusätzlich gefragt, bis hin zum Lösen und Löschen der Ladung. Dafür will er gemeinsam mit der IHK oder Schiffsorganisationen ein eigenes Berufsbild kreieren.

Die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse kontrollieren einerseits die Schweißer sowie ihre Vorgesetzten selbst, andererseits überprüft sie ein neutraler Sachverständiger. Kriterien sind das Einhalten der Vorgaben gemäß Stauplan hinsichtlich Zahl, Art und Anordnung der Halterungen, das Aussehen der Nähte und in besonderen Fällen die Farb­eindring- sowie die Magnetpulverprüfung. Außerdem achten die Prüfer auf Schweißspritzer. Sie können die wertvollen Komponenten beschädigen und werden deshalb dokumentiert. Sorgfältiger Umgang mit Elektrodenresten ist Ausdruck einer grundlegenden Arbeitstugend. Denn Brandschäden an den Glasfaserkunststoffteilen können bei nicht sorgfältigem Umgang mit heißen Elektrodenresten entstehen, z. B. wenn diese auf darunter befindliche Ladungsteile treffen.

Schweißverfahren und -systeme

Schweißen setzen die Verbindungsfachleute an Bord mit Elektroden-Hand(E-)Schweißen gleich. Wind und Wetter, Abstand zwischen Stromquelle und Arbeitsort, robuste und mobile Schweißsysteme bestimmen diese Praxis. »Zu Beginn unserer Geschäftstätigkeit haben wir mit Schweißsystemen gearbeitet, die relativ wenig kos­teten. Mit dem Arbeitsergebnis war ich

jedoch nicht zufrieden«, erläutert der Sachverständige Pennacchia. Besonders bei den üblichen Entfernungen von 75 bis 150 m zwischen Stromquelle und Elektrodenhalter am Arbeitsort ist ein stabiler Lichtbogen entscheidend.

Deshalb sah Angelo Pennacchia sich bald nach qualitativ besseren Schweißsystemen um und traf auf Fronius: »Auch wenn wir deutlich mehr investierten, rentierte sich das bereits nach kurzer Zeit. Wenn Sie bei der TransPocket 2500 Comfort 180 Ampere einstellen, ist dieser Wert nach einhundert Metern Kabellänge praktisch unverändert«, so Pennacchia.

Dafür sorgt die mit »Resonante Intelligenz« bezeichnete Technologie. Ein ständiges automatisches Feedback des Lichtbogens auf die Leistungsparameter der idealen Kennlinie reagiert sofort auf jede Veränderung. Gemeinsam mit den Leistungsreserven im Hintergrund erzeugt das einen höchst stabilen Lichtbogen, sowohl bei langen Netzzuleitungen als auch bei Spannungsschwankungen. Ein Plus bedeutet auch das bequeme Nachregeln der Stromstärke über die Fernbedienung TP09. Im Gegensatz zu konventionellen Fernbedienungen arbeitet sie kabellos. Der Schweißer berührt mit der Elektrode lediglich ihre Kontaktflächen, um die Signale durch das Stromkabel zur jeweiligen Stromquelle zu übertragen. So lassen sich die sechs Schweißsysteme mit nur einer TP09 unabhängig voneinander regeln. Weil sie lediglich 120 g wiegt, kann der Schweißer sie an ihrer Tragschlaufe bequem um den Hals tragen. Das Reduzieren von sechs Fernbedienungen mit je einem langen Kabel zur Stromquelle auf nur eine kabellose spart Investitionskosten, Ersatzteilhaltung und reduziert Fehlerquellen. Jeder Schweißer kann mit der TP09 je nach Arbeitssituation, z. B. bei Beschichtungen, Farbresten, Rost oder Feuchtigkeit, individuell agieren.

Zu weiteren Vorteilen, die die Mitarbeiter von Seatight zu schätzen wissen, zählen die Funktionen Hot-Start, spritzerfreie Zündung, Anti-Stick und abrufbare Jobs. Der Hot-Start erleichtert das Zünden von Cel- und rutilen Elektroden. Für weniger Nacharbeit sorgt die Zündung. Die Anti-Stick-Funktion erkennt ein eventuelles Festkleben der Elektroden bei einem Kurzschluss. Sie schaltet den Strom ab und verhindert so ein Durchglühen der Elektrode bzw. des Werkstückes. Der Schweißer kann sie anschließend leicht vom Werkstück lösen. Und je nach Arbeitssituation können die Schweißer zum Beispiel für Steig- oder Fallnähte den passenden Job abrufen.

Den Kernbestand der Schweißsysteme von Seatight bilden 20 TransPocket 2500 C. Hinzu kommen etliche Altsysteme und für Ausnahmefälle mit sehr hohem Leistungsbedarf eine TransPocket 4000 inklusive Fernbedienung. Drei neue TransPocket 2500 C lieferte Fronius gemeinsam mit dem Rack, und sechs bis sieben sind 2012 ge­plant. »Mit Elektroden von 4 mm Durchmesser können wir bei 180 bis 220 A 100 % Einschaltdauer realisieren. Früher hat sich ein altes Systeme jede Viertelstunde ausgeschaltet. Dies ist unter dem Strich trotz niedriger Investitionskosten wesentlich teurer«, sagt Pennacchia.

Qualität und Wirtschaftlichkeit erhöhen: Rack-Betrieb

Am Arbeitsort auf Deck sind die Mitarbeiter dank ihrer High-Visibility-Schutzkleidung auch unter schlechten Sichtverhältnissen sofort identifizierbar. Und auf der Pier leuchten sechs TransPocket 2500 Comfort in einem Rack. Diese Anordnung hatte Angelo Pennacchia beim Fronius-Team Oldenburg als Prototyp für eine Werft gesehen. Inzwischen besitzt Seatight das erste serienmäßige Rack von Fronius aus der Abteilung Automation. Seine Vorteile sind vielfältig: Sie beginnen mit der kürzeren Aufbauzeit aus dem Transporter per Gabelstapler an die geeignete Stelle am Pier und dem Verfahren auf eigenen Rädern in die Nähe des Arbeitsortes. Der Betrieb mit zentral angeschlossenen preiswerterem Landstrom führt zu geringeren Stromschwankungen und schont die Netzfilter der Schweißsysteme. Diese Betriebsart reduziert dank des zentralen Hauptanschlusses die Länge der Einzelkabel zu den Maschinen.

Im Rack angeordnet, steigt die Sicherheit und damit die Verfügbarkeit der Schweißsysteme. Denn auf Deck können sie sowohl leicht mechanisch beschädigt als auch beim Belasten mit Wasser überschwemmt werden. Im Rack schützt sie eine Abdeckung, die eine zusätzliche Ablagefläche ergibt. Der Stromverteiler IP54 mit sechs wetterfesten Steckdosen und einer primären Hauptsteckdose ist mit 125 A abgesichert. Ein Notausschalter dient der zusätzlichen Sicherheit. Der Praxisnutzen ist so hoch, dass Seatight mittelfristig außer am Unternehmensstandort Leer bzw. im Transportfahrzeug weitere Racks in fünf europäischen Häfen stationieren möchte. Kurzfristig will das Unternehmen auch seine spanische Tochtergesellschaft so ausrüsten. Im geplanten Endzustand würden neben den 36 fest installierten TransPocket-2500 Comfort auch über 4 km Kabel zur Verfügung stehen.


rgt