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Siemens gehört bei der Herstellung von Offshore-Windanlagen seit Jahren zu den Marktführern. Aufgrund seiner Erfahrung im Energiesektor ist der[ds_preview] Münchner Weltkonzern auch beim Stromanschluss der Windparks auf hoher See eine Branchengröße. Da dieses Geschäft – wie für alle Marktteilnehmer – für Siemens relativ neu ist, will das Unternehmen sein maritimes Know-how stärken. »Der Bereich Offshore ist für uns eine Pioniertätigkeit«, beschreibt Christian Schmitt, Leiter der Offshore-Konverterplattformsparte, das neue Tätigkeitsfeld. Daher soll sich die Zahl der Mitarbeiter am Standort Hamburg von 180 auf 300 erhöhen.

Gesucht werden Fachkräfte für den Offshore-Bereich, die aus der maritimen Branche kommen, beispielsweise von Werften, Reedereien oder Klassifizierungsgesellschaften. So will Siemens Zertifizierungsexperten einstellen, die sich mit Vorschriften und Richtlinien der IMO wie z. B. SOLAS, MARPOL oder ISPS auskennen. Benötigt werden auch Wertmanager für den Bau und die Inbetriebnahme von Offshore-Plattformen sowie Gutachter im Bereich Maritime Commissioning für Qualitätssicherung und Dokumentation.

Kern der Arbeit dieser maritimen Experten werden Bau, Installation und Wartung von gigantischen Plattformen sein, die den von Offshore-Windparks erzeugten Strom sammeln, umspannen und an Land transportieren. Drei der besonders großen und komplexen HGÜ-Plattformen – HGÜ steht für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung – baut im Auftrag von Siemens zurzeit die Werft Nordic Yards in ­Wismar und Rostock-Warnemünde (Projektnamen: »BorWin beta«, »HelWin alpha« und »Sylwin alpha«). Sie wandeln die auf See produzierte Hochspannung in Gleichstrom um, damit der Strom möglichst verlustarm über Seekabel an Land gelangt. Bereits ab einer Entfernung von ca. 80 km lohne sich diese Art des Energietransports, sagt Offshore-Experte Schmitt. Eine kleinere Sammelplattform für Wechselstrom, der im Windpark »Nordsee Ost« erzeugt werden soll, fertigt die Rendsburger Nobiskrug-Werft am Standort der ADM-Tochter in Kiel. Ein vierter Auftrag für eine HGÜ-Plattform soll dem Vernehmen nach in Kürze vergeben werden.

Großer Bedarf an Offshore-Umspannplattformen

Damit die Bundesregierung ihr energiepolitisches Ziel von einer in deutschen Gewässern installierten Windkraftleistung von 10 GW bis 2020 erreicht, werden wohl mindestens zehn HGÜ-Plattformen sowie weitere Sammelplattformen benötigt. Bis 2030 dürften es insgesamt mehr als 30 sein. Ein riesiger Markt ist zudem Großbritannien; aber auch in Frankreich, Spanien und Skandinavien gibt es hehre Offshore-Ziele. Zuletzt ist Siemens bei der geplanten Ablieferung der Plattformen etwas in Zeitrückstand gekommen, weshalb das Unternehmen Bilanzrückstellungen in dreistelliger Millionenhöhe zur Deckung von Mehraufwand sowie Strafzahlungen an den Auftraggeber und Netzbetreiber Tennet vornehmen musste. Laut einem Siemens-Sprecher ist die Zeitplanung »etwas zu optimistisch gewesen«. Mit den Offshore-Plattformen habe man technisches Neuland betrete; zudem hätten sich die Zulassungsverfahren verzögert. Auch dies ist ein Grund, warum zusätzliche maritime Experten gesucht werden.

Abgesehen vom Bau der selbstschwimmenden, nach Branchenschätzungen mindestens 150 Mio. € teuren Umspannplattformen mit einer geplanten Lebensdauer von rund 30 Jahren dürften sich auch Installation und Netzanbindung komplex gestalten. Gerade im Offshore-Bereich ist ein hohes Maß an Präzision erforderlich. Der Baseframe, also der Unterwasserteil einer Plattform, muss sorgfältig am Meeresboden abgesetzt und anschließend mit 40 bis 60 m langen Nägeln befestigt werden. Der Standort ist in der Genehmigung durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) genauestens vorgegeben und darf nur um wenige Meter abweichen. Zudem müssen umfangreiche Tests und Rechenmodelle durchgeführt werden, damit gewährleistet ist, dass die Stahlbauten den Strömungsverhältnissen und Wettereinflüssen standhalten. Auch beim Installieren der Topside, die mit dem Baseframe verknüpft ist, ist größte Genauigkeit gefragt. Das 15.000 t schwere Gerät wird auf den Baseframe gesetzt und hievt sich anschließend selbständig nach oben, bis es die gewünschte Höhe erreicht hat.

Standardisierung ist vonnöten

Die Installation jeder einzelnen Umspannplattform muss einzeln betrachtet werden. Bis Genehmigungsverfahren und Sicherheitstests abgeschlossen sind und die Plattform ans Netz gehen kann, vergehen in der Regel mehrere Jahre. Transport- und Versicherungsfragen müssen im Vorfeld ebenfalls geklärt werden. Das Ziel von Siemens wie der gesamten Offshore-Branche und auch der Politik ist daher eine Standardisierung bei Genehmigung, Bau und Installation zukünftiger Plattformen. Zusätzlich zu den neuen Arbeitskräften ist Siemens gegenwärtig auf der Suche nach Hotelschiffen. Diese müssen eine bestimmte Größe vorweisen, da auf ihnen Produktionsteile sowie Arbeiter transportiert werden. Die dynamisch positionierten Spezialschiffe sucht das Unternehmen hauptsächlich in Brasilien, England und Norwegen, also typischen Offshore-Regionen, wo vor allem durch die Öl- und Gasförderung entsprechende Erfahrungen bestehen.
TWG/nis