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Der Bereich der maritimen Sicherheit birgt große Wachstumspotenziale – verstärkt noch durch den Ausbau der Offshore-Windenergie. Das Netzwerk »Marissa« will dazu beitragen, diese Potenziale zu heben.

Die Abkürzung »Marissa« steht für »Maritime Safety and Security Applications«. 2009 hatten sich in Bremen mehrere international agierende Unternehmen aus[ds_preview] unterschiedlichen Branchen zu diesem offenen Verbund zusammengeschlossen, um komplementäre Technologien firmenübergrei­fend zu verbinden, neue Lösungen zu ent­wickeln und letztlich das Leistungsangebot aller Beteiligten wei­ter zu verbessern. Durch die Aufnahme in den Nationalen Masterplan Maritime Technologien (NMMT)­ hat die Arbeit des Netz­werks, das künftig verstärkt auch Partner aus dem gesamten Bundesgebiet einbinden will, zu­sätz­lich an Fahrt aufgenommen.

Unter dem Punkt »Maritime Verkehrsleit- und Sicherheitstechnik«, einem Querschnittsbereich mit Anwendungen in der Offshore-, Seeverkehrs-, Hafen-, Logistik-, Schiffs- und Umweltsicherheit sowie Ressourcensicherung, wird Marissa im Mas­terplan als zentrales Referenzprojekt zur Vermarktung von meerestechnischen Systemen genannt. Dem Netzwerk wird dabei unter anderem die Aufgabe übertragen, das Leuchtturmprojekt »Maritime Sicherheit« mit dem Demonstrationsvorhaben »Sicherheit in der Deutschen Bucht« innerhalb des NMMT zu gestalten und zu führen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), der Gesellschaft für Maritime Technik (GMT) sowie der Stiftung Offshore-Windenergie.

Echtzeitlagebild ist das Ziel

Im Rahmen des Projekts sollen Technologien sowohl aus dem maritimen Bereich als auch aus der Luft- und Raumfahrt zusammengeführt und weiterentwickelt werden, um maritime Sicherheitsrisiken zu verringern und die Einhaltung von Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Im Zentrum stehen dabei komplexe Überwachungs- und Monitoringsysteme, die mit Funk-, Radar- und Sonartechniken arbeiten. Ziel ist es, mit Hilfe von raumbasierten, luft- und landgestützten sowie schwimmenden Sensoren letztlich ein Echtzeitlagebild der Deutschen Bucht zu erstellen.

Gerade mit Blick auf den Ausbau der Offshore-Windenergie sehen die Initiatoren hier besonderen Handlungsbedarf, da mit einem weiteren Zuwachs des Verkehrsaufkommens und damit einhergehend mit einer Erhöhung der Gefahrenpotenziale für Menschen, Schiffe, Infrastruktur und Umwelt zu rechnen ist. Entsprechend groß ist der Bedarf an technischen Lösungen und innovativen Konzepten bei öffentlichen und bei gewerblichen Kunden – national wie international.

Aktuell erwirtschaften deutsche Unternehmen im Bereich der Verkehrsleit- und Sicherheitstechnik einen Umsatz von rund 400 Mio. € pro Jahr. Bis 2015 gehen Experten von einem jährlichen Wachstum in Höhe von etwa 7 % aus. Um diese Entwicklung zu unterstützen, haben die Marissa-Initiatoren für dieses Jahr eine zunächst dreiteilige Workshop-Reihe auf die Beine gestellt, in deren Rahmen sich Anwender, Institutionen, Wissenschaftler und Technologie­entwickler austauschen und vernetzen können. Während es bei der ersten Veranstaltung in den Bremer Räumlichkeiten des Raumfahrtunternehmens EADS Astrium um Verkehrs- und Logistiksicherheit gegangen war, standen Ende März beim zweiten Workshop Offshore-Anwendungen im Mittelpunkt. Gastgeberin war diesmal die Deutsche Offshore Consult (DOC) in Bremerhaven.

»Sicherheit allein wird von gewerblichen Kunden meist als Kosten- und Störfaktor wahrgenommen«, machte Marissa-Koordinator Dr. Ralf Wöstmann von der Wirtschaftsförderung Bremen gleich zu Beginn deutlich. Erklärtes Ziel der Projektarbeit sei es daher, immer auch den Mehrwert maritimer Überwachungstechnik darzustellen.Dieser könne sich zum Beispiel in der Vermeidung von Verlusten durch bessere Früherkennung sowie in positiven Produktionseffekten durch optimierte Logistik und höhere Betriebssicherheit bemerkbar machen. Joachim Brodda von der Beratungsfirma Balance Technology Consulting, die seit Anfang 2012 im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums gemeinsam mit MC Marketing Consulting die Koordinierungsaufgaben für die Umsetzung des NMMT wahrnimmt, kündigte darüber hinaus ein Positionspapier an. »Aufbauend auf dem Stand der Technik sollen Innovations- und Entwicklungsbedarf festgestellt sowie Anwendungsentwicklungen unter Einbeziehung der Unternehmen auf Bundesebene angestoßen werden«, so Brodda.

Simulationsmodell für die Offshore-Logistik

Eine der schon existierenden Anwendungen, die im Anschluss vorgestellt wurden, war ein Simulationsmodell für die Errichtung von Offshore-Windparks, das die gesamte see- und landseitige Logistikkette abbilden kann. Entwickelt vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), berücksichtigt dieses Modell relevante Einflussfaktoren wie Störgrößen (Geräteausfall, fehlende Genehmigungen, verspätete Transporte), Wetterbedingungen (Windstärke, Wellenhöhe, Strömung), Prozesse (Produktion, Montage, Transport, Lagerung, Umschlag) und Ressourcen (Personal, Geräte, Genehmigungen).

»Nach Eingabe der Daten errechnet das Tool automatisch einen Masterplan, wann die erste Schraube produziert werden muss, damit am Ende zum geplanten Zeitpunkt ein Offshore-Windpark herauskommt«, erläuterte ISL-Projektmanagerin Dr. Kerstin Lange. Eines der Ziele der Software sei es zu erkennen, an welchen Stellen Puffer eingebaut werden müssten, damit kleine Störungen letztlich nicht zu großen Aus­wirkungen führten. Die wirtschaftlichen Ergebnisse zeigen sich laut dem ISL in der Verbesserung der Planbarkeit und der Transparenz der ablaufenden logistischen Prozesse sowie in der Abschätzung von Projektrisiken. Das Modell wird aktuell für unterschiedliche operative und strategische Fragestellungen weiterentwickelt und in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Offshore-Branche in der Nord- und Ostsee angewandt.

Vom Prototyp zum Serienprodukt

Den Prototypen eines vollautonomen und hybriden Unterwasserfahrzeugs präsentierte Sven-Christian Hesse von Atlas Elektronik. Der »SeaCat«, ursprünglich zur Unterwasserinspektion von Schiffen, Piers und Anlegestellen in Hafenanlagen entwickelt, soll künftig vor allem in Offshore-Windparks zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu anderen Unterwasserfahrzeugen des Unternehmens, die basierend auf militärischen Anforderungen konstruiert wurden, orientieren sich die maßgeblichen Funktionen der vorgestellten Neuentwicklung an den Bedürfnissen des zivilen Marktes. Dank seiner austauschbaren Sensorköpfe (»SwapHead Technology«) decke der rund 130 kg schwere »SeaCat«, der aktuell bis zu einer Wassertiefe von 300 m einsetzbar sei und eine Arbeitsgeschwindigkeit von 3 kn habe, ein breites Anwendungsspektrum ab, da er verbunden mit einem Lichtwellenleiter auch als Inspektions-ROV (Remotely Operated Vehicle) eingesetzt werden könne, berichtete Hesse. Der nächste Schritt solle sein, den mit Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums geförderten Prototypen in ein Serienprodukt zu überführen.

Hesse: »Das Einsatzziel heißt Offshore. In den Windparks können Kabel und Fundamente überprüft werden, im Bereich Öl und Gas geht es um die Inspektion von Pipelines.« Hierfür müsse allerdings zunächst die Tauchtiefe erhöht werden. Noch für dieses Jahr sind laut Hesse verschiedene Einsätze in Offshore-Windparks geplant. Dabei kann das Unterwasserfahrzeug die derzeitigen Vermessungsschiffe mit integriertem Sonarsystem entweder ergänzen oder aber ersetzen: »Es kann mit kleineren Schiffen ins Anwendungsgebiet gebracht werden und spart damit Kosten.«

Seeraumbeobachtung zur Vermeidung von Unfällen

Die schon jetzt hohe Verkehrsdichte in der Deutschen Bucht werde durch den Ausbau der Offshore-Windenergie noch zunehmen, machte Mika Semann vom maritimen Sicherheitslösungsanbieter Signalis deutlich. Zugleich würden in diesem Zusammenhang auch Verkehrsflächen entzogen: »Es muss daher mit erhöhten Kolli­sionsrisiken gerechnet werden.« Zur Absi-

cherung von Offshore-Installationen während der Bau- und Betriebsphase stellte der Produktmanager die Möglichkeiten von Seeraumbeobachtungssystemen vor. Dabei werden die Schiffsbewegungen über Sensoren (Radar und AIS) erfasst, die sich daraus ergebenden einzelnen Schiffspositionen korreliert und zu sogenannten Tracks fusioniert. Am Ende steht ein Verkehrslagebild, das über Zusatzfunktionen die Leitstelle unterstützt und zum Beispiel automatisch vor Kollisionsgefahren warnt. Ein solches System sei aus seiner Sicht für die Offshore-Branche auch zur Koordination des parkinternen Schiffsverkehrs sehr sinnvoll, erläuterte Semann. Zudem könne jederzeit festgestellt werden, wer wo ist – das gelte sowohl für Schiffe als auch für Hubschrauber und Mitarbeiter. Im Schadensfall ließen sich darüber hinaus über entsprechende »Recording und Replay«-Funk­tionen Unfälle rekonstruieren und Beweise sichern. Nicht zuletzt könnten über eine Verkehrsanalyse potenzielle Gefahrenstellen identifiziert werden.

»Elefantenfüße« im Visier

Unterdessen ist ein Echolotsystem von Atlas Hydrographic schon jetzt in Sachen Offshore im Einsatz. Im Rahmen einer Demonstrationsfahrt an Bord des Vermessungsschiffes »Kiek ut« der Hafengesellschaft Bremenports konnten die Teilnehmer des Workshops ein Vertikal- und ein Fächer-Echolot des Bremer Unternehmens begutachten: Unter anderem überprüft die »Kiek ut« damit neuerdings den Liegeplatz des RWE-Errichterschiffes »Victoria Mathias«. Damit sich das Hubschiff zum Beladen aufjacken kann und dabei festen Stand hat, hatte Bremenports Ende vorigen Jahres vier 600 t schwere Zylinder, auch »Elefantenfüße« genannt, vor der ­Kaje im Weser-Flussbett platziert. Diese werden jetzt regelmäßig mit dem Echolot untersucht.

Im dritten Workshop der Veranstaltungsreihe wird es am 6. Juni in Bremerhaven um die Themen Umwelt- und Ressourcensicherheit sowie See­raum­überwachung gehen. Weitere Informationen hierzu und zum Marissa-Netzwerk insgesamt gibt es im Internet unter www.marissa-bremen.de