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Die HSH Nordbank will das internationale Geschäft mit Bulkern und Tankern ausbauen und sich aus der Containerschiffsfinanzierung zurückziehen. Das ist eine kaum nachvollziehbare Strategie, findet Kolumnist Michael Rathmann

Die Aussichten für die Schifffahrt ent­wickeln sich momentan je nach Markt­segment völlig unterschiedlich, aber es gibt ein paar[ds_preview] Tendenzen, die zumindest einen Silberstreif am Horizont darstellen. Sicherlich besteht nach wie vor ein Überangebot an Tonnage im Markt, aber nicht in allen Berei­chen. Diese Einschränkung und die Tatsache, dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres deutlich mehr Schiffe verschrottet wurden als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, machen Hoffnung. Zwar wird das Jahr 2012 noch keinen Anlass zum Jubeln geben, aber es deutet sich zumindest eine vorsichtige Trendwende an.

Umso verblüffender war die Ankündigung der HSH Nordbank, antizyklisch investieren und ihr Geschäft mit internationalen Aktivitäten diversifizieren zu wollen (s. auch S. 60). Die Containerschiffsfinanzierung soll weiter zurückgefahren werden, die Finanzierung von Bulkern und Tankern hingegen wachsen. Dies ist ein Schlag insbesondere ins Gesicht deutscher Containerschiffseigner und -reedereien.

Nachdem in einer lang anhaltenden Boomphase der größte Schiffsfinanzierer der Welt nahezu alles finanziert hat, was annähernd schwimmfähig war, kommt jetzt der Rückzug aus der Containerschifffahrt. Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Containerschiffsfinanzierung in der Hauptsache über das deutsche KG-Modell gelaufen ist, was derzeit aus Mangel an Eigenkapital keinen Erfolg verspricht.

Aber ist das ein Wunder? Nein, denn nachdem dieser Markt quasi zu Tode finanziert wurde und die daraus resultierenden Neubauten den Markt überschwemmt und in der Folge zerstört haben, findet sich logischerweise kein Neukapital. Wer inves­tiert schon in tote Märkte? Lohnende In­vestitionen in Schiffsneubauten finden frühestens wieder statt, wenn der Markt ins Gleichgewicht gekommen ist.

Nachdem man viele Jahre gut an der ­Finanzierung von Containerschiffen verdient hat, lässt man dieses Marktsegment fallen wie die berühmte »heiße Kartoffel« und wendet sich lieber neuen Dingen zu, getreu dem Motto: »Django, Leichen pflas­tern seinen Weg«. Also auf zur Tanker- und Bulkerfinanzierung!

In der Tankschifffahrt gilt die bezeichnende Aussage »Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel« mehr denn je. Charterraten, die ein Überleben ermöglichen, sind noch nicht in Sicht. Nach einer kurzen Erholung bis Februar 2012 fielen die Charterraten im weiteren Verlauf wieder deutlich ab. Im Bereich der VLCC und Suezmax-Tanker wurden Ratenrückgänge von über 30 % auf 22.600 $ bzw. 21.000 $ verzeichnet. Auch bei den Aframax-Tankern war ein Rückgang um rund 27 % auf 13.500 $ zu sehen. Im Rohöltransport kämpft die Tankerflotte weiterhin mit den extremen Überkapazitäten.

Wie sich die künftige Entwicklung der Welttankerflotte voraussichtlich darstellt, wird aus der Übersicht unten deutlich.Nach den bis dato erfassten Neubauten, die bis zum Jahr 2016 zur Ablieferung anstehen, erweitert sich die Kapazität der Gesamtflotte um beachtliche 44,19 Mio. ­dwt. In ihrem eigenen aktuellen Marktbericht zur Tankschifffahrt führt die HSH Nordbank aus, dass der Nachfragezuwachs den Angebotsüberhang nicht kompensieren kann. Das Gegenteil ist der Fall, denn sehr viel Neutonnage drängt in den Markt – und die tabellarischen Daten sprechen in Bezug auf das Orderbuch ihre eigene Sprache. ­Sicherlich ist mit einer Trendumkehr zuerst bei den Produktentankern zu rechnen, weil die Neubauaktivitäten nachlassen und neue Raffineriestandorte in Asien entstehen, während auf dem Nordkontinent und aus den USA Raffinerieschließungen gemeldet werden. Somit ergibt sich eventuell über den Tonnenmeileneffekt eine stärkere Nachfrage nach Produktentankern. Aber generell rechnet die Analyseabteilung der HSH Nordbank in der Tankschifffahrt frühestens 2014 mit einer Raten­erholung.

Bei den Bulkcarriern über einen Markt oder über Charterraten sprechen zu wollen, wäre wie ein Gespräch über den Wolperdinger in Oberbayern. Es wäre ein Gespräch über etwas, das tatsächlich nicht existiert. Nach einem gewaltigen Rückgang der Raten im Januar 2012 lagen diese kaum noch auf Betriebskostenniveau. Capesize-Bulker über 100.000 dwt erzielten Tages­einnahmen von rund 7.700 $, Panamaxe zwischen 60.000 und 100.000 dwt von rund 6.000 $, Handymaxe (40.000–60.000 dwt) verdienten rund 8.900 $ und Handysizer (20.000–40.000 dwt) brachten es auf ca. 7.500 $. Die Gewichtung der Raten in den verschiedenen Größenklassen untereinander ist schon völlig verrückt. Aber wer gedacht hat, dass es schlimmer nicht mehr gehen kann, wurde im Februar eines Besseren belehrt! Bei den Capern sanken die Raten auf 3.400 $, bei den Panamaxen auf 4.900 $, bei den Handymaxen auf 7.200 $ und bei den Handysizern auf 5.800 $. Dafür sollte man eigentlich nicht mehr ­fahren, weil dies unterhalb der Schiffsbetriebskosten liegt, gleichwohl finden sich wegen des Überangebotes von Tonnage genügend Schiffseigner, die aus Sachzwängen heraus ihre Frachter für diese Raten ­fahren lassen. Wie sich die weitere Entwicklung der Weltbulkerflotte darstellt, wird aus der Übersicht oben deutlich. Nach den bis dato erfassten Neubauten, die bis zum Jahr 2014 zur Ablieferung anstehen, erweitert sich die Kapazität der Gesamtflotte um sagenhafte 199,8 Mio. dwt. Sicherlich ist die Ankün­digung der großen Bergbaukonzerne, die Fördermengen an Erz und Kohle in den nächsten Jahren kräftig auszubauen, zumindest ein Impuls für die Nachfrageseite, aber reicht das wirklich aus, um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen? Möglicherweise stellt die Zahl der Bulker, die älter als 20 Jahre sind, den rettenden Strohhalm dar. Bezogen auf das Basisjahr 2012 sind dies nämlich 1.845 Schiffe, die als mögliches Abwrackpotenzial zur Verfügung stehen. Die Research-Mitarbeiter der HSH Nordbank zeichnen ein sehr realistisches Bild der Märkte auf, doch scheinbar finden sie bei denjenigen Mitarbeitern, die die Investmentstrategien der nächsten Jahre festlegen, kein Gehör. Anders ist die Entscheidung für die Investition in Bulker- und Tankermärkte nicht zu verstehen.

Hier stellt sich die Frage, ob nicht eventuell die gezielte Hilfe bei dem einen oder anderen Containerschiff sinnvoller wäre? Bei Tonnage unter 5.000 TEU hat sich bei den Charterraten in den vergangenen Wochen eine Bodenbildung mit einem kleinen, stetigen Aufwärtstrend gezeigt – es könnte durchaus lohnenswert sein, hier zu investieren. Eigentlich müsste man über die Entscheidung der HSH Nordbank lachen, wenn sie nicht so traurig wäre.


Michael Rathmann