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Computer sind heutzutage nicht mehr wegzudenken. Auch als Simulationswerkzeuge beim Schiff- und Schiffsmaschinenbau spielen sie eine entscheidende Rolle – ebenso wie in der maritimen Ausbildung.

1. Einführung

Der englische Schiffbauingenieur William Froude führte vor rund 140 Jahren die ersten Schleppversuche mit Schiffsmodellen durch[ds_preview], um die Antriebsleistung von Schiffen zu bestimmen. Diese inzwischen verfeinerte Methode der Simulation wird heute noch in modernen Versuchsanstalten angewendet, wobei hier ebenso die Kavitation der Pro­peller, das Verhalten von Schiffen in Wellen und beim Eisbrechen simuliert werden.

Auf Werften, in schiffstechnischen Ingenieurbüros, Versuchsanstalten und Klassifikationsgesellschaften werden auch andere Felder der Simulationstechnologie angewendet. Dabei spielt die digitale Simulation am Computer die Hauptrolle. Für Werften wurde die Simulation von fertigungstechnischen Abläufen zur Platz- und Zeitoptimierung immer wichtiger. Klassifikationen und Überwachungsbehörden beschäftigen sich z.B. mit Simulationsberechnungen, um komplexe Strukturen, Brandverhalten oder Evakuierungen zu untersuchen. Dies ist notwendig, da reale Szenarien aufgrund des Aufwands oder der Schäden aus Kostengründen nicht vertretbar sind.

Die im maritimen Bereich aktiven Hochschulen setzen die Simulationstechnologie u. a. zur Ausbildung von schiffstechnischen Offizieren und Lotsen ein [1]. Dazu werden entsprechende Schiffs­brücken mit Hafenumgebungen oder Maschinenkontrollräume unterschiedlich aufwendig nachgebildet (Abb. 1). So bildet beispielsweise die führende deutsche Reederei NSB Schiffsoffiziere mit dieser Methode weiter [2].

2. Entwicklung der Simulationstechnologie

Zur Ermittlung des Widerstands und zur Berechnung der Leistung zum Antrieb von Schiffen führte Froude um 1870 erste systematische Schleppversuche in einer speziell dafür eingerichteten Versuchsanstalt in England durch. Zur Berechnung des Widerstandes, den das Wasser einem fahrenden Schiff entgegensetzt, hatte Froude als erster zuverlässige Formeln aufgestellt, die als Modellgesetze Verwendung fanden. Damit konnte der Ingenieur mit einem kleinen Modellschiff den Widerstand eines naturgroßen Schiffes simulieren und mit Hilfe der Modellgesetze die Antriebsleistung bestimmen. Die Methode wurde in Deutschland für Überseeschiffe vom Norddeutschen Lloyd (NDL) übernommen, für den Johann Schütte um 1900 die »Schleppversuchsstation Bremerhaven« aufbaute (Abb. 2).

Obwohl diese inzwischen modernisierte Technologie aufgrund des Modellbaus, der Tanks und der apparativen Messtechnik sehr aufwendig ist, kann man nicht auf sie verzichten. Zum Nachweis der Vertrags­geschwindigkeit und der Funktionstüchtigkeit eines Schiffes findet vor Ablieferung eine Probefahrt statt. Die Antriebsleistung wird bei verschiedenen Geschwindigkeiten gemessen. Diese Ergebnisse sind auch für die Versuchsanstalt interessant, um die Qualität der Modellversuche zu überprüfen, bei neuen Schiffsformen Erfahrungen zu sammeln und notwendige Korrekturen vorzunehmen. Mit der Einführung von elektronischen Analogrechnern (Abb. 3) gelang der nächste Schritt in der Simulation. Damit wird die Eigenschaft ausgenutzt, dass es in einem bestimmten Gültigkeitsbereich ein reproduzierbares Verhalten von Original und Modell gibt. Nach der Analyse der zu simulierenden Anlage konnte man damit auch komplizierte technische Systeme mit Hilfe von elektrischen Bauteilen wie Widerständen, Kondensatoren und Spulen im Analogrechner abbilden und berechnen. Hier ging es vorrangig um das zeitliche Verhalten von Regelungssystemen, deren bisherige Berechnung extrem kompliziert war. Mit dem Analogrechner konnte das dynamische Verhalten dieser Systeme recht gut und schnell vorausberechnet werden. Die passenden Regler konnten gezielt ausgewählt werden, und auch die aufwendig zu bestimmenden Reg­lereinstellwerte ließen sich damit ermitteln. An der Originalanlage waren nur noch Feinabstimmungen notwendig. Auf diese Weise sind zum Beispiel die theoretischen Voruntersuchungen zur Einführung der adaptiven Kursregler am Analogrechner entstanden [3].

Ab Anfang der 1970er Jahre ermög­lichte die Entwicklung von Digitalrechnern in Verbindung mit der numerischen Mathematik die Verwendung von komplexeren Modellen. Die bei den Analogrechnern notwendigen Normierungen entfielen – und damit wurde die Methode der Simulation anwendungsfreundlicher. Zudem wurden zur Simulation und Optimierung von kom­plexen dynamischen Systemen zunehmend Hybridrechner eingesetzt. Das sind Kombina­tionen aus Analog- und Digitalrechnern, die zur arbeits­teiligen Abarbeitung der Simu­la­tionsrechnungen eingesetzt wurden. Die zur Lösung der beschreibenden Differentialgleichungen (DGL) zeitaufwendigen numerischen Verfahren des Digitalrechners wurden dabei auf den Analogrechner übertragen; die Normierungen sowie die Eingabe- und Ausgabewerte erfolgten am Digitalrechner. Auch die Simulation eines Schiffspropellers (Abb. 4 und 5) zur Untersuchung von dynamischen Umsteuermanövern wurden damals am Hybridrechner durchgeführt [4].

Mit der Steigerung von Rechnerleistungen, größeren Speichern und einer immer höheren Rechengeschwindigkeit gewann das Werkzeug der Simulation mittels Digitalrechner zunehmend an Bedeutung. Wurden die Simulationen anfangs nur in »Rechenzentren« durchgeführt (die Mensch-Rechner-Kommunikation erfolgte je nach Nutzer teilweise mit Lochstreifen und später Lochkarten), ermöglichten kompakte »Tischrechner« mit Bildschirmen und Tastatur Ende der 1970er Jahre bereits die Verwendung von vorwiegend physikalischen Simula­tionsmodellen am Arbeitsplatz der Ingenieure. Das führte dazu, dass die relativ großen Analog- und Hybridrechner weitgehend verdrängt wurden.

3. Physikalische Simulationsmodelle

Bekannte in mathematische Formeln beschreibbare physikalische Zusammenhänge oder Gesetzmäßigkeiten werden mit physikalischen Modellen abgebildet. Der strukturelle Zusammenhang des zu simulierenden Systems der Großausführung wird im ersten Schritt in Blockschaltbildern (Abb. 4) erfasst, feiner aufgelöst und in Struktur- und Ablaufbildern grafisch nachgebildet. Wichtig ist dabei die richtige Bestimmung der Zeitkonstanten. In einem zweiten Schritt werden die entsprechenden mathematischen Gleichungen und Differentialglei-

chungen unter Beachtung der Modellgesetze bzw. der physikalischen Gesetzmäßigkeiten aufgestellt und im dritten Schritt entsprechend den Struktur- und Ablaufbildern im Rechenprogramm Zeile für Zeile abgelegt. Abhängig von der Problemstellung und dem zeitlichen Verhalten des zu simulierenden Modells werden das numerische Verfahren zur Auflösung der Differential­gleichungen und die Zeitschrittweite ausgewählt. Simulationsmodelle, in denen das zeitliche Verhalten von thermodynamischen Prozessen abgebildet werden soll, lassen sich mit einfachen numerischen Verfahren berechnen. Simulationsmodelle zur Nachbildung von mechanischen oder elektrischen Systemen hingegen erfordern aufwendige numerische Mehrschrittverfahren, die häufig außerdem eine variable Zeitschrittweite beinhalten. Weiterhin wird ein Datensatz benötigt, der die variablen Eingangsgrößen und Konstanten (spezifische Werte, Stoffgrößen) beinhaltet.

Im vierten Schritt erfolgen die Rechenläufe und Interpretation der Ergebnisse, die zur schnellen Beurteilung vorwiegend grafisch dargestellt werden. Die interessierenden physikalischen Größen werden dabei in mehreren Kanälen über der Zeit aufgetragen, um Ursache und Wirkung zu beurteilen. Mit dieser Methode wurden auf dem Digitalrechner z. B. in [5] das dynamische Verhalten von Abgaskesseln und in [6] das Zusammenwirken von Schiffsdieselmotoren und Wärmetauschern (Abb. 7) im Kühlwassersystem simuliert. In [7] erfolgten komplexe räumliche Untersuchungen zum Temperaturverhalten von Kühlcontainerladeräumen mit der sogenannten Finite-Element-Methode (FEM). Abb. 8 zeigt als ein Ergebnis die Temperaturverteilung im Raum mit teilweise abgeschalteten Lüftern.

Die vier Schritte der Simulationstechnologie am Digitalrechner sind also:

• Beobachtungen, Messungen und Analyse der Großausführung,

• Nachbildung im Modell unter Beachtung der Modellgesetze,

• Aufstellen und Programmieren von beschreibenden Gleichungen und Differentialgleichungen,

• Rechenläufe mit geänderten Parametern und Interpretation der Simulationsergebnisse.

Die beschreibenden Gleichungen und Differentialgleichungen der zu simulierenden Prozesse oder Strukturen wurden ebenso wie die numerischen Verfahren zur Lösung der Differentialgleichungen später standardisiert. Zur Abbildung und Simulation von schiffstechnischen Anlagen werden heute die einzelnen Komponenten wie Ventile, Regler, Pumpen, Lüfter, Wärmetauscher, Dieselmotoren oder Propeller (Abb. 9) als grafische Piktogramme »zusammengeklickt«. Mit der Eingabe der Nenndaten, Konstanten und Anfangswerte ist das Simulationsprogramm fertig. Nun lassen sich Untersuchungen und Optimierungen durchführen, die bei den naturgroßen Anlagen sehr zeitaufwendig sind und bei extremen Betrachtungen zur Zerstörung der realen Maschinen bzw. Schiffe führen würden.

4. Empirische Simulationsmodelle

Bei sehr komplexen oder nicht genau bekannten Systemen werden auch heute noch empirische Modelle angewandt. Diese wurden besonders in den Anfängen der Simulation vor 40 bis 50 Jahren gewählt, als mit niedrigen Rechenleis­tungen gearbeitet werden musste. Für beobachtete und dokumentierte Daten von Ereignissen wurden Hypothesen aufgestellt, als Theorie angenommen und im Rechnerprogramm ab­gelegt. Die Ergebnisse der anschließend durchgeführten Rechenläufe der bekannten Vorgänge zeigen, ob die Hypothesen und die daraus abgeleitete Theorie mit den tatsächlich beobachteten Ereignissen übereinstimmen. Wird eine Übereinstimmung im Rahmen der vorgegebenen Genauigkeit erzielt, ist die Theorie bestätigt und kann auf vergleichbare Fälle übertragen werden. Beim empirischen Modell wird also unabhängig vom internen Aufbau des Systems ein Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung hergestellt, ohne Modell­gesetze oder physikalische Naturgesetze zu berücksichtigen. Auch hier ist eine wichtige Voraussetzung, dass die variablen Eingangsgrößen von gültigen Daten abgebildet werden und die zur Simulation benötigten Konstanten und Zeitkonstanten zu Beginn des Programms eingelesen werden.

5. Methode der »Neuronalen« Netze

Den biologischen Abläufen im Zentralnervensystem wurde die Simulationsmethode der »Neuronalen Netze« nachempfunden. Mit neuronalen Netzen wird die Struktur und Architektur der Informationsverknüpfung vom Gehirn und Nerven­system der Lebewesen im Rechnerprogramm nachgebildet. Ein Neuron ist eine biologische Nervenzelle, die Informationen sammelt und beim Erreichen eines gewissen Schwellenwerts Nervenimpulse weitergibt. Neuronen verfügen über mehrere Eingangs- und eine Ausgangsverbindung. In der Natur sind Neuronen in Netzen mit­einander verbunden und kommunizieren auf chemischen und elektrischen Wegen [8]. Die für die Steuerung, Regelung und Simulation von teilweise schwer zu beschreibenden Systemen vorteilhafte und typische Eigenschaft neuronaler Netze ist, dass sie als »intelligente« und daher als »selbstlernende« Systeme bezeichnet werden.

Diese Methode der neuronalen Netze wurde z.B. in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Eisversuche der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt HSVA in [9] erfolgreich angewandt. Das Programm wurde mit gemessenen Datensätzen der Vergangenheit trainiert und sollte danach die richtigen Eingabewerte zur Eisherstellung mit der vorgegebenen Festigkeit und des Salzgehalts des Wassers ermitteln. Der Prozess der Eisherstellung ist aufgrund der vielen Variablen und der langsamen Eisbildung, die in vier Stadien abläuft, extrem kompliziert. Die richtigen Eingabewerte, von denen die gewünschte Eisdicke und die geforderte Biegefestigkeit des Eises abhängt, sind unbekannt, konnten mit dieser Methode aber erfolgreich ermittelt werden.

6. Zusammenfassung und Ausblick

Die Entwicklung des nicht nur für Ingenieure bedeutenden Gebiets der Simulation wird an einigen Beispielen der Schiffstechnik dargestellt. Nach der frühen Anwendung zur Leistungsermittlung von Schiffen mit Modellen im Schleppkanal kamen später Analogrechner und dann riesige Digitalrechner für Simulationsrechnungen zur Anwendung. Das Prinzip beruht darauf, komplizierte Vorgänge in extrem kleine Zeitschritte bzw. komplizierte Bauteile in sehr kleine Elemente aufzuteilen und vom Computer in sehr vielen Durchläufen berechnen zu lassen.

Die Werkzeuge dieser Technologie der Rechnersimulation wurden in der Anfangszeit von Mathematikern und Physikern genutzt. Nach der Entwicklung von kompakten digitalen Tischrechnern und höheren Programmiersprachen eroberten standardisierte Simulationsprogramme die Büros der Ingenieure.

Die moderne Computertechnik gestattet immer aufwendigere Simulationsmodelle und -verfahren. Mit der »virtuellen Realität« kann sich der Architekt oder Ingenieur für den simulierten »Prototyp« ein räumliches Bild erstellen und in die Kabine, Anlage oder den Maschinenraum von Schiffen hineingehen. So sollen z. B. die räumlichen Anordnungen von Kabelbahnen, Rohrleitungen, Lüftungskanälen und Schaltschränken im Maschinenraum von neuen Schiffen optimiert werden.


Dr. Karl-Heinz Hochhaus