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Die großen Umschlagfirmen HHLA und Eurogate dehnen ihren Service zunehmend auf das Hinterland aus. So werden immer mehr Bahnkapazitäten zugekauft, um den Vor- und Nachlauf der umgeschlagenen Container abzudecken.

Das Jahr 2011 war für die Häfen wieder ein gutes Jahr. Nach den Einbrüchen in Folge der globalen Rezession setzte[ds_preview] sich die Mengenerholung an den Kajen mit hohem Tempo fort. Davon profitierten auch die deutschen Terminalbetreiber Eurogate und HHLA. Die Umschlagzuwächse sorgten für eine deutlich bessere Auslastung ihrer teuren Krane und Anlagen und ließen ihre Gewinne sprudeln. Die HHLA meldete für ihr Containerumschlaggeschäft einen Anstieg des Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) um 25,6 % auf 195,5 Mio. € bei einem Umsatz­anstieg von 17,9 %. Der Bremer Wettbewerber Eurogate verzeichnete ein Plus beim Vorsteuer­gewinn (EBT) von 23,2 % auf 82,8 Mio. € bei einem Umsatzzuwachs von 9,6 % auf 656,8 Mio. €. In punkto Profitabilität lagen die Konzerne gemessen am Betriebsergebnis vor Abschreibungen und Wertberichtigungen (EBITDA) in etwa gleich auf. Beide wiesen für 2011 im Hafenlogistikgeschäft EBITDA-Margen von 26 bis 27 % aus. HHLA-Vorstandschef Klaus-Dieter Peters wertete das Abschneiden angesichts der scharfen Wettbewerbssituation in Nordwesteuropa, der schwierigen Lage für die Containerreedereien und den Verzögerungen bei der Elbvertiefung als »beachtliche Leistung«. Thomas Eckelmann, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Eurogate, sprach für seine Gruppe von einem »hervorragenden Jahresergebnis, welches vor dem Hintergrund der Marktsituation über allen Erwartungen lag«.

Mit Ausnahme vereinzelter Standorte lagen die Umschlagvolumina im vergangenen Jahr allerdings nach wie vor unter dem Vorkrisenniveau von 2008. Die Gewinne hinken mit noch erheblich größerem Abstand hinter den früheren Spitzenwerten her. Eine Ausnahme bilden die Intermodal-Aktivitäten – also der Vor- und Nachlauf von Containern per Schiene, Lkw oder Binnenschiff im Hinterland –, die von den Firmen seit Jahren zielstrebig ausgebaut werden. Beide Unternehmen verfolgen ganz ähnliche Stra­tegien in Bezug auf die vertikale Erweiterung ihrer Wertschöpfungsketten, wobei Eurogate zusammen mit der Schwestergesellschaft Contship Italia stärker paneuropäisch agiert, während sich die HHLA noch primär auf Hamburg konzentriert.

Bei der intermodalen Beförderung verzeichnen die Konzerne bereits neue Rekordwerte. Bei der HHLA waren es im Vorjahr 1,88 Mio. TEU (+11,3 %), die von Tochtergesellschaften und Joint Ventures per Bahn und Lkw weitertransportiert wurden. Eurogate dispo­nierte in Deutschland, Italien und Portugal ein Ladungsvolumen von 1,49 Mio. TEU (+10,1 %) auf Straße, Schiene

und Binnenwasserwegen. Weitere 1,01 Mio. TEU steuerte die auf Zypern ansässige Feeder-Linienreederei United Feeder Services (UFS) mit Zubringerverkehren vor allem im Mittelmeerraum bei. Das Geschäft ist für die Terminalbetreiber aus mehreren Gründen attraktiv: Zum einen sichern sie sich zusätzliche Einnahmequellen, zum anderen können sie den Einzugsbereich ihrer Häfen durch eigene Hinterlandverkehre ausdehnen und somit auch zusätzliche Mengen an den Kajen erzeugen. Sowohl HHLA als auch Eurogate haben angekündigt, die Intermodal-Aktivitäten weiter aufzuwerten.

Eigene Traktion in Italien

Über ihre Bahnvermarktungsgesellschaften Eurogate Intermodal und Box­Xpress (Eurogate) sowie TFG Transfracht (HHLA) wollen die Umschlagfirmen nach der Eröffnung des JadeWeserPorts auch Wilhelmshaven an alle wichtigen Destinationen anbinden.

Bei beiden Operateuren seien diese Projekte in einem fortgeschrittenen Planungsstadium, heißt es bei Eurogate. Der Schwerpunkt der Investitionen im Intermodalbereich liegt derzeit bei der Tochtergesellschaft Contship Italia. Thomas Eckelmann hob bei der Präsentation der 2011er Bilanz zwei Projekte hervor. So habe Contship Anfang des Jahres seinen Inland-Container-Hub im norditalienischen Melzo durch Übernahme eines weiteren Terminalbereichs im Norden flächenmäßig verdoppelt. Nach Abschluss eines 5 Mio. € schweren Investitionsprogramms verfügt die Anlage in der Nähe von Mailand, die eine Drehscheibenfunktion für Containertransporte zwischen Norditalien, der Schweiz und Süddeutschland erfüllt, über 160.000 m2 Fläche mit 14 km Gleisen und sechs Lkw-Spuren. Für dieses Jahr werde ein deutlich erhöhtes Umschlagaufkommen von 240.000 TEU erwartet, erklärte Eckelmann.

Ein weiterer Meilenstein war die Gründung eines Eisenbahnverkehrsunternehmens in Italien namens Oceanogate mit sechs Lokomotiven. Damit können die Produktionsweisen im Verkehr zu den Nordsee- ­sowie den Mittelmeerhäfen angepasst werden. Die konzerneigene Intermodal-Vermarktungsgesellschaft in Italien, Sogemar, macht sich damit unabhängiger von der italienischen Staatsbahn, die bislang die Traktion für die Blockzüge geliefert hat. In Deutschland kontrolliert Eurogate schon seit Jahren den Produktionsprozess auf der Schiene über die Gemeinschaftsfirma BoxXpress. Die HHLA dehnte ihre Aktivitäten im vergangenen Jahr mit einem neuen Bahn- Hub-Terminal im polnischen Posen aus. Ferner wurden ein Inlandterminal im ­tschechischen Ostrau sowie ein Standort für den Lkw-Transport in München eröffnet. Die Gemeinschaftsfirma Metrans, die auf Container-Zugverkehre von und nach der tschechischen Republik, Slowakei und Ungarn spezialisiert ist, investierte in zusätz­liche eigene Lokomotiven. Zudem baut die tschechische HHLA-Tochter dieses Jahr einen weiteren Hub-Terminal in Ceska Trebova, ferner ist der Erwerb weiterer Waggons und Lokomotiven geplant.

Trennung von TFG Transfracht

Mit ihrem eigenen Produktionssystem aus Traktion, Waggons und Terminals gilt Metrans bei der HHLA offensichtlich als Musterknabe im Konzern – und als Gegen­entwurf zu TFG Transfracht, dem Marktführer im deutschen Container-Hinterlandverkehr auf der Schiene mit einem Beförderungsvolumen von zuletzt knapp 900.000 TEU. Nach wiederholten Verlusten und millionen­schweren Wertberichtigungen auf ihren 50-prozentigen Transfracht-Anteil im Vorjahr hat die ­HHLA nun ent­schieden, das Engagement zu beenden und ihr Portfolio insgesamt neu zu ordnen.

Der Hafenkonzern verkauft seine Beteiligung an der TFG Transfracht an den Partner Deutsche Bahn und über­nimmt im Gegenzug die Anteile an der Metrans und dem auf Polen-Verkehre spezia­lisierten Operateur Polzug. Nach der Realisierung der Transaktionen werde die HHLA 86,5 % an der Metrans und inklusive einer Kapitalerhöhung 74,5 % an der Polzug Intermodal halten, hieß es. Über die Kaufpreise wurde Stillschweigen vereinbart. Die strategischen Differenzen mit der Deutschen Bahn spitzten sich im vergangenen Jahr zu, als sich die HHLA gezwungen sah, den Firmenwert der TFG Transfracht um 2,9 Mio. € zu berichtigen, nachdem im Vorjahr schon einmal 3 Mio. € abgeschrieben worden waren. Steigende Belastungen im Materialaufwand und Preis­erhöhungen beim Leistungseinkauf hätten der Firma 2011 das Ergebnis verhagelt, hieß es. Die HHLA sieht die Wurzel des Übels allerdings im Geschäftsmodell. So handelt es sich bei TFG Transfracht anders als bei der Metrans und Polzug um eine reine Vermarktungsfirma ohne eigene Anlagen und Lokomotiven, die sich voll auf die Ressourcen der Deutschen Bahn stützt. Ein integriertes Produktionsmodell mit eigenen Terminals, Waggons und Lokomotiven konnte die HHLA gegenüber dem Transfracht-Gesellschafter und Hauptlie­feranten der Firma offenbar nicht durchsetzen. In Folge der Trennung dürften Transportmengen und Segmentumsatz der HHLA im Intermodalgeschäft sinken. Beim Ergebnis rechnet der Konzern hin­gegen mit positiven Effekten. Außerdem ermögliche die Entflechtung der Betei­ligungen dem Umschlagbetreiber, seine Tochtergesellschaften Metrans und Polzug noch stärker auf den Einsatz eigener Pro­duktionsmittel auszurichten.


Michael Hollmann