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Nach dem Unglück der »Costa Concordia« erlegt sich die Branche weitere Sicherheitsbestimmungen auf. Sie sind Ergebnis des zu Jahresbeginn initiierten »Operational Safety Review«

Der Branchenverband der europäischen Kreuzfahrtgesellschaften European Cruise Council (ECC) und die internationale Branchenvereinigung Cruise Lines International Association (CLIA) haben Ende[ds_preview] April die Verabschiedung von drei neuen Sicherheitsleitlinien bekanntgegeben, die mit sofortiger Wirkung umgesetzt werden. Sie wurden Ende Mai bereits vom Maritime Safety Committee der Internationalen Seefahrtorganisation IMO abgesegnet.

Die drei neuen Leitlinien, die über die strengsten regulatorischen Vorgaben der Branche hinausgehen, adressieren die folgenden Sicherheitsfragen:

Routenplanung: Obwohl die Kreuzfahrtgesellschaften den IMO-Leitlinien zur Routenplanung seit vielen Jahren folgen, hat die Branche diese jetzt als verbindliche Mindestanforderung definiert und um die im »Bridge Procedures Guide« (Leitlinien zur Organisation des Brückenteams) des internationalen Reedereiverbands ICS aufgeführten Best-Practice-Verfahren ergänzt. Diese sehen vor, dass alle Mitglieder der Brückenbesatzung eines Schiffes umfassend und deutlich vor ihrer Umsetzung über alle Details der Routenplanung informiert werden. Die Routenplanung ist von einem speziell dafür abgestellten Offizier zu erstellen und erfordert die Autorisierung durch den Kapitän. Personalzugang zur Brücke: Um unnötige Störungen auf der Brücke auf ein Minimum zu reduzieren, wurde eine Leitlinie verabschiedet, wonach der Zugang zur Brücke in Phasen eingeschränkter Manövrierfähigkeit, oder wenn erhöhte Wachsamkeit erforderlich ist, auf Besatzungsmitglieder mit operativer Verantwortung beschränkt wird.

Rettungswesten: Neben den gesetzlichen Verpflichtungen zur Bereitstellung von Rettungswesten für alle an Bord befindlichen Personen wurde eine weitere Leitlinie verabschiedet, wonach Kreuzfahrtschiffe zusätzliche, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Kontingente an Rettungswesten für Erwachsene mitführen sollen – und zwar eine ausreichende Zahl für alle im am dichtesten besetzten vertikalen Hauptbrandabschnitt untergebrachten Personen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Zahl der mitgeführten Rettungswesten die Zahl der tatsächlich an Bord befindlichen Personen deutlich übersteigt.

»Wie das ›Concordia‹-Unglück gezeigt hat, kann es eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben. Unser Ziel ist dennoch die hundertprozentige Verpflichtung zur Einhaltung höchster Sicherheitsstandards«, sagte ECC-Vorsitzender Manfredi Lefebvfre. Deshalb habe die Kreuzfahrtbranche Ende Januar ein »Operational Safety Review« initiiert. »Wir wollen aus der Erfahrung der ›Concordia‹ lernen und eine detaillierte, alle Ebenen umfassende Überprüfung der Sicherheit an Bord durchführen«, so Lefebvfre. Vor den jüngsten Sicherheitsregeln hatte die Branche bereits eine neue Leitlinie zur Durchführung von Rettungsübungen an Bord sowie schärfere Vorgaben zur Sicherstellung einer konsis­tenten und transparenten Berichterstattung über Seeunfälle bekanntgegeben.

Über das »Operational Safety Review«

Beim »Operational Safety Review« handelt es sich um eine weitreichende Verpflichtung zur gezielten Identifizierung sofort umsetzbarer Maßnahmen zur Verbesserung der operativen Sicherheit in der internationalen Kreuzfahrtindustrie. Die Überprüfung erfolgt in vier Stufen:

1.) Interne Überprüfung der eigenen operativen Sicherheitspraktiken und -prozesse durch die einzelnen Kreuzfahrtgesellschaften. Diese umfasst Fragen zu Navigationsthemen, zur Evakuierung und zu Rettungsübungen sowie den damit verbundenen Praktiken und Vorgehensweisen.

2.) Beratung mit unabhängigen externen Experten.

3.) Identifizierung und Austausch von branchenweiten Best-Practice-Ansätzen und Leitlinien.

4.) Zusammenarbeit mit der IMO, den USA und der Europäischen Union zur Umsetzung erforderlicher regulatorischer Anpassungen.

Die identifizierten Best-Practice-Ansätze werden von den Mitgliedern der Kreuzfahrtverbände übernommen. Entsprechende Empfehlungen werden der IMO, den Regierungen der USA und der EU sowie weiteren relevanten Behörden vorgelegt. Die Bemühungen der Branche stehen ebenfalls im Einklang mit den Rahmenvorgaben und dem Geist des International Safety Management Code.

Die unabhängige vierköpfige Expertengruppe, die an der Erarbeitung der bereits vorgestellten Vorschläge beteiligt war und auch an weiteren Empfehlungen beratend mitarbeiten wird, besteht aus: Mark Rosenker, ehemaliger Vorsitzender des United States National Transportation Safety Board (NTSB), Major General der United States Air Force Reserve i.R. und ehemaliger Direktor des White House Military Office; Stephen Meyer, Admiral Royal Navy i.R. sowie ehemaliger Leiter der United Kingdom Marine Accident Investigation Branch; Dr. Jack Spencer, ehemaliger Leiter des Office of Marine Safety, United States National Transportation Safety Board; und schließlich Willem de Ruiter, ehemaliger Leiter der European Maritime Safety Agency (EMSA).