Print Friendly, PDF & Email

Der Branchenverband VSM berichtete auf seiner Mitgliederversammlung von einem Einbruch der Schiffsablieferungen, aber einem vergleichsweise zufriedenstellenden Auftragseingang. Ohne »tatkräftige Unterstützung« der Politik sei die maritime Industrie in Deutschland jedoch auf lange Sicht gefährdet

Die Ablieferungen der Seeschiffswerften im Handelsschiffsneubau lagen laut Angaben des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) 2011 deutlich unter den[ds_preview] Ergebnissen der Vorjahre. Lediglich 31 Seeschiffe wurden im vergangenen Jahr fertiggestellt. Mit einer Tonnage von 442.000 CGT und Auftragswerten von 2 Mrd. € hat sich die Neubauproduktion gegenüber 2010 damit mehr als halbiert. Zu 92 % entfiel das Volumen der Ablieferungen auf Schiffe für ausländische Rechnung, wie der VSM Mitte Mai auf seiner Mitgliederversammlung in Hamburg mitteilte.

Neubestellungen für 3 Mrd. €

Bei der Auftragsentwicklung blieb die zweite Jahreshälfte nach einem relativ positiven ersten Halbjahr hinter den Erwartungen zurück. Dennoch fiel das Ergebnis für das Gesamtjahr 2011 hinsichtlich der Anzahl der Schiffe und der Auftragswerte besser aus als 2010. Die bestellten 28 Schiffe umfassten einen Auftragswert von 3 Mrd. €. Die Hauptanteile verteilen sich (auf CGT-Basis) auf Passagierschiffe (56 %), Yachten (15 %) und sonstige nicht frachttragende Schiffe (16 %), wozu vor allem drei größere Offshore-Installationsschiffe beitrugen. Der Rest verteilt sich u. a. auf Spezialfrachter, Gastanker und Forschungsschiffe.

Da das neu hereingenommene Auftragsvolumen die Ablieferungen übertraf, haben sich die Auftragsbestände per Ende Dezember 2011 wieder etwas erhöht. Sie umfassten 71 Bestellungen mit 1,6 Mio. CGT und einem Auftragswert von 8,4 Mrd. €, von dem 97 % auf Auslandsaufträge entfielen. Darüber hinaus verfügten die Werften über vier Aufträge für den Bau von Plattformen für Offshore-Windparks. Diese Aufträge gehen zwar nicht in die Schiffbaustatistik ein, stellen aber mit einem Auftragswert von rund 170 Mio. € laut Verbandsangaben ein erhebliches Beschäftigungsvolumen für die Werften dar.

Staatliche Finanzhilfen gefordert

Zu den aktuellen Herausforderungen der Branche zählen dem VSM zufolge vor allem die eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten. Die gestiegenen Eigenkapital­anforderungen und die geringere Risiko­bereitschaft der Banken erschweren die Finanzierung von Neubauaufträgen. Deshalb forderte der Verband eine Anpassung und Erweiterung der Exportkreditversicherung und der Landesbürgschaften.

Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sei unerlässlich, um sich im verschärften Wettbewerb, der durch die aggressive Akquisitionspolitik besonders in Korea und China ausgelöst werde, behaupten zu können. »Der ungezügelte Ausbau von Neubaukapazitäten beider Länder geht weit über den mittel- und langfristigen Neubaubedarf der Schifffahrt hinaus und hat zur Folge, dass die asiatische Konkurrenz auch in die Nischenmärkte des Spezialschiffbaus einzudringen versucht«, sagte VSM-Vorsitzer Werner Lüken.

Zudem seien in Asien wesentlich stärker als in Europa umfangreiche Förderprogramme aufgelegt worden, die zum weiteren Preisverfall beitragen. »Dagegen brauchen wir eine offensive industriepolitische Strategie, branchengerechte Rahmenbedingungen und insbesondere den guten Willen und die Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten in Deutschland und der EU«, forderte Lüken. Ohne tatkräftige politische Unterstützung werde die Existenz der gesamten maritimen Wirtschaft aufs Spiel gesetzt. Die politischen Entscheider in Berlin und Brüssel müssten ihren Bekenntnissen zur hohen strategischen Bedeutung der Schiffbauindustrie endlich Taten folgen lassen, damit erforderliche Anschlussaufträge akquiriert und mögliche Firmenzusammenbrüche vermieden werden können.

Anreizsysteme für »Green Shipping«

Als weitere Herausforderung seien die gesetzlichen Anforderungen für Schiffs­sicherheit, Meeresumwelt- und Klimaschutz anzusehen. Bei der Implementierung neuer Umweltstandards sollten laut dem Verband wirtschaftliche Anreizsys­teme und direkte praxisgerechte Fördermaßnahmen bereitgestellt werden. »Die aktuellen Schlagworte ›Green Shipping‹ und ›Blue Growth‹ stehen für reale Wachstumsperspektiven, wenn diese branchen-, ressort- und länderübergreifend mit konkreten Maßnahmen angepackt werden«, so Lüken.

Trotz der schwierigen Rahmenbedigungen sei der Strukturwandel des deutschen Schiffbaus mit Spezialschiffen, Offshore-Plattformen und -Strukturen sowie der Entwicklung sauberer und energieeffizienter Technologien auf dem richtigen Kurs, stellte Lüken fest. So seien 2011 einige interessante Neubauaufträge akquiriert worden. »Die Neuausrichtung auf die Hightech- und Wachstumsmärkte im Spezialschiffbau und den Offshore-Bereich ist richtig, alternativlos und letztlich erfolgreich. Wir wissen aber, dass der neue Kurs schwierig ist und sichere Fahrwasser noch nicht erreicht wurden«, betonte der scheidende Verbandschef.

Neuer Vorsitzer und Geschäftsführer

»Angesichts der Niederlegung meiner Ämter bei der Lloyd Werft – und man wird ja auch langsam älter – habe ich beschlossen, mein Amt in jüngere Hände zu übergeben«, sagte Werner Lüken zu seinem Abschied von der Verbandsspitze. Zum neuen VSM-Vorsitzer wählte die Mitgliederversammlung mit sofortiger Wirkung Harald Fassmer (48), Geschäftsführer der im niedersächsischen Berne beheimateten Firma Fassmer GmbH & Co. KG. Auch die Hauptgeschäftsführung des Verbands wird zu Beginn des nächsten Jahres in neue Hände gelegt. Werner Lundt wird dann in den Ruhestand treten. Zu seinem Nachfolger hat der Vorstand des VSM Dr. Reinhard Lüken (43) bestellt, der seine derzeitige Position als General Secretary des europäischen Dachverbandes der Schiffbauindustrie CESA zum Ende des Jahres aufgeben wird.

nis / VSM