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Auf einer Konferenz über das Partnerland des diesjährigen Hamburger Hafengeburtstages diskutierten Experten über den Status Quo und die Aussichten der maritimen Industrie Indiens. Von

Der indische Schiffbau bietet durchaus noch Perspektiven für deutsche Zulieferer, aber ein neuerlicher Boom ist nicht abzusehen. Dies war das[ds_preview] Fazit einer Konfe­renz im Rahmen des Hamburger Hafengeburtstags Anfang Mai zum Thema »Schiffbau und Offshore – Partnerland Indien«, die gemeinschaftlich organisiert wurde vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), der Indo-German-Export-Promotion Foundation (IGEP), der Hamburg Messe und Congress (HMC) sowie dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Zudem waren sich die Konferenzteilnehmer einig, dass der indische Markt sehr preissensibel ist und zum anderen noch großer Nachholbedarf bei der Ingenieursausbildung und den techni­schen Standards auf den Werften besteht. Nach aktuellen Zahlen von CESA und IHS-Fairplay hatten Indiens Werften mit Ablieferungen von 202.000 GT im Jahr 2011 einen Marktanteil am Weltschiffbau von

0,2 %. Seit 2008 ist die Produktion stark rückläufig, nicht nur wegen der Schifffahrtskrise. Auch der indische Staat hat seine finanzielle Unterstützung deutlich gekappt – daher ist man vom ursprünglichen Marktanteilsziel von 5 % weit entfernt.

Aufträge brechen ein

Nur acht Schiffe sind 2011 von indischen Werften kontraktiert worden. Zum Vergleich: Zwischen 2005 und 2007 schnellte das Auftragsbuch von knapp 100 auf 250 Schiffe in die Höhe. Damit war Indien zwischenzeitlich bis auf Platz fünf unter den Weltschiffbaunationen vorgestoßen. In Anbetracht der heutigen Situation haben sich insofern viele Hoffnungen – auch deutscher Zulieferer – in dem asiatischen Markt nicht erfüllt. Zwar gibt es durchaus indische Werften, die in der Vergangenheit auch internationale Kunden angezogen haben. Dazu zählen etwa Pipavav, ABG, Bharati oder der staatliche Cochin Shipyard. Aber selbst ein Großunternehmen wie der Mischkonzern Larsen & Toubro kämpft offenbar mit Lieferverzögerungen und Qualitätsdefiziten. So musste seine Schiffbausparte kürzlich zwei Schwergutschiffe für die niederländische Projektreederei Rolldock wieder abgeben – der Kunde gab sie wegen Problemen in Indien nach Deutschland an die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG).

Abgesehen vom ambitionierten Marineschiffbauprogramm in Indien sei der kurze Boom in der maritimen Industrie des Landes vorüber, stellte Hans-Herbert Dünow von der Schottel GmbH in Wismar fest. Wirtschaftspolitisch spiele Schiffbau in Indien im Vergleich zu China, Korea und Japan schlichtweg keine große Rolle. Den bisherigen Höhepunkt in der Zahl der verkauften Anlagen erzielte der seit 1968 im Land vertretene Antriebshersteller im Jahr 2000. In naher Zukunft sehe er »definitiv keine deutliche Steigerung für unser Geschäft«, sagte Dünow zur aktuellen Lage in Indien.

Ein Land extremer Kontraste

Sehr anschaulich beschrieb der Schottel-Manager, der das Land seit Jahrzehnten kennt, die Kontraste zwischen unermesslichem Reichtum und bitterer Armut auf der einen Seite sowie Hightech-Welt und Industrieanlagen wie vor Hundert Jahren auf der anderen. Auch im Schiffbau gebe es noch immer Werften und lokale Zulieferbetriebe, die Freilichtmuseen ähnelten, so Dünow.

Ärgerlich für einen Hersteller wie Schottel sei es, wenn Anlagen nach der Lieferung bis zu zehn Jahre »auf dem Hof liegen«, weil der Baufortschritt stockt. Dies sei beispielsweise bei einem Schlepper geschehen. »Wir hatten nicht mehr damit gerechnet, dass unsere Antriebsanlage noch einmal eingebaut wird, als plötzlich ein Anruf aus Indien kam«, berichtete Dünow. Bitten nach einer Garantieverlängerung müssten dann abgelehnt werden – es sei denn, die Anlage werde nach Deutschland geflogen, auseinandergebaut und überprüft. Dies wolle der Eigner aber aus Kostengründen in der Regel nicht.

Trotz der Probleme warnte HMC-Projektleiter Peter Bergleiter davor, die maritime Industrie Indiens abzuschreiben. In jedem Problem stecke Potenzial, zudem seien die Inder sehr an deutscher Ingenieurstechnik interessiert, sagte er. Man müsse als Unternehmen aber Standfestigkeit beweisen. Bergleiter, der auch für die Organisation der SMM India verantwortlich ist und die bisherigen Messen als erfolgreich bezeichnete, hob zudem das Improvisationsvermögen der Inder hervor. »Hier können sie uns noch etwas vormachen.«

HWWI-Geschäftsführer Gunnar Geyer, der bereits mehrere Delegationsreisen für deutsche Unternehmer nach Indien orga­nisiert hat, berichtete, dass auf dem Subkontinent geschäftlich sehr viel über persönliche Beziehungen läuft. »Dafür ist eine ständige Präsenz vor Ort vonnöten, am besten durch einen entsandten deutschen Manager mit indischer Stellvertretung«, empfahl Geyer. Sollten deutsche Unternehmen in Indien ein Joint Venture gründen wollen, sei die Wahl des Partners von großer Wichtigkeit. Zudem sollte der Vertrag rechtlich gut abgesichert werden. Oft hätten kleine und mittelgroße Unternehmen für ein erfolgreiches Übersee-Engagement aber weder die nötigen personellen, finanziellen noch juristischen Kapazitäten, so der HWWI-Manager aus Erfahrung.

Offshore-Markt bietet Chancen

Ein etwas optimistischerer Ausblick blieb am Ende der Konferenz in Bezug auf die indische Offshore-Industrie. Sowohl Öl und Gas als auch die Offshore-Windkraft birgen Potenzial. Bisher setzt Indien bei der Energieerzeugung vor allem auf Kohle. Der Anteil von Öl und Gas macht nur 1 % aus, erneuerbare Energien liegen bei knapp 8 %. Ekkehard Overdick berichtete, dass sein Unternehmen, das Hamburger Ingenieurbüro Overdick, sich den indischen Markt aufgrund dieser Fakten gerade anschaue. Offshore-Ölförderplattformen würden dort bereits gebaut, und im Stahlbau sei Indien schon lange kein Entwicklungsland mehr. Overdick sieht Chancen für deutsche Dienstleister im Rahmen von Joint Ventures im Öl- und Gas-Bereich –auch für Drilling-Kontrakte in Drittländern wie Brasilien: »Die BRIC-Connection könnte hier eine Rolle spielen«, vermutete Overdick. Ferner sei von der 7.000 km langen Küsten­linie die Hälfte für Offshore-Windkraftanlagen gut nutzbar, so der Ingenieur. Zwar stehe Indien hier erst am Beginn der Entwicklung, politisch stünden die Zeichen aber auch dort in Richtung einer Energiewende.

Nikos Späth