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Die Erneuerung von gebrauchten Maschinen und ihren Bauteilen nach den Zeichnungen und Richtlinien des Herstellers führt zu vollwertigen Produkten. MTU lässt ihre Baureihen 2000 und 4000 erfolgreich überholen.

Seit rund vier Jahren werden gebrauchte Komponenten und Motoren der Baureihen 2000 und 4000, mit Wellenleistungen zwischen rund 500 und[ds_preview] 4.300 kW, der MTU Friedrichshafen in Magdeburg aufgearbeitet und erhalten so ein zweites Le­ben. Die MTU hatte 2007 nach Produktions­kapazitäten gesucht, um ein Zentrum für die Aufarbeitung von Komponenten und Motoren aufzubauen. Die Wahl fiel auf die Firma SKL Motor in Magdeburg. Inner­halb kürzester Zeit gelang es, die Voraussetzungen für die Aufarbeitung der wichtigsten Komponenten zu schaffen, wobei immer im Vordergrund stand, welches Teil sich überhaupt mit welcher Methode wirtschaftlich aufarbeiten lässt.

Am Anfang standen acht Komponenten, bei denen eine wirtschaftliche Aufarbeitung erwartet wurde. Dazu gehörten unter anderem Kurbelgehäuse und Kurbelwelle, Kolben und Pleuel sowie Zylinderköpfe und Abgasturbolader. Planmäßig lief die Aufarbeitung der ersten Motoren im Laufe des Jahres 2008 an.

Die MTU betrachtet die Aufarbeitung von Komponenten und Motoren – wie einige andere Motorenhersteller – als einen industriellen Produktionsprozess mit eigenen Zeichnungen und Prozessbeschreibungen. Alle Teile laufen nach entsprechenden Regeln anonym durch die Auf-

arbeitung und kommen in der Montage mit Teilen beliebiger Herkunft wieder zusammen. Die Auslastung des Magdeburger Werkes entspricht gegenwärtig einem Motor pro Arbeitstag. Das heißt, es laufen die Komponenten für rund 200 Motoren im Jahr durch die Fertigung, die allerdings nicht alle zu fertigen Motoren verbaut werden. Auch aufgearbeitete Komponenten sind gefragt. Als Ziel hatte sich das Unternehmen für das Jahr 2008 rund 50 Motoren gesetzt, im laufenden Jahr sollen es schon deutlich mehr als 200 werden.

Für die Aufarbeitung kommen Motoren aus allen Anwendungsbereichen in Frage, also auch aus der Schifffahrt. Doch im Gegensatz zur Freizeitschifffahrt werden in der Berufsschifffahrt eher grundüberholte als industriell aufgearbeitete Motoren verwendet. Nach übereinstimmender Auffassung aller Fachleute sind die aufgearbeiteten Motoren neuwertig und können sogar klassifiziert geliefert werden. Branchenüblich sind dafür Preise, die je nach Ausrüs­tungsstand bei 60 bis 70 % eines fabrikneuen Motors liegen. Klassifizierte Motoren sind zwangsläufig etwas teurer.

Die zur Aufarbeitung ins Werk geholten Motoren werden zunächst einer »Vorakzeptanzprüfung« unterzogen, bei der ein Befund über den »äußeren Zustand« eines Motors entsteht. Anschließend wird der Motor in den Aufarbeitungsprozess eingebunden und durchläuft dabei an einem Band vier Stationen. In jeder Station werden jeweils bestimmte Bauteile demontiert, begutachtet und ihren spezifischen Behandlungen zugeführt oder als Schrott ausgesondert.

Da aufgrund ihres Zustandes immer wieder Teile in den Schrott wandern, besteht ständig ein gewisser Bedarf an »Ersatzteilen«, um nicht Neuteile in den Prozess einführen zu müssen. So kauft die MTU systematisch im In- und Ausland gebrauchte Komponenten auf. Um diesen Vorgang zu optimieren und die Service-Organisation bzw. den Eigner zu motivieren, diese Maßnahme zu unterstützen, wurde ein »Pfandsystem« für besonders nachgefragte Komponenten eingeführt, was den Rückkauf erheblich erleichtert. Die heutige Datentechnik vereinfacht alle damit verbundenen Vorgänge, einschließlich der Erstellung aller notwendigen Dokumente und der Abrechnung.

Die Durchlaufzeit, um aus einem »alten« Motor einen »neuen« entstehen zu lassen, beträgt durchschnittlich 20 Arbeitstage. Das gilt allerdings nur für Motoren mit bestimmten Konstruktionsständen und einer ausreichend großen Population und zwangsläufig entsprechendem Aufkommen von Motoren, deren erste Lebensdauer erreicht ist. Bei Modellen, die nur in einer kleinen Serie von fünf oder weniger Stück in das Werk zurückkommen, findet die Aufarbeitung nicht am Montageband statt, das wie die Demontage aus vier Stationen besteht, sondern an einem festen Platz.

Aufgrund der Prozessbeschreibung für alle Abläufe am Band sind Liefertermine und Preise klar definiert. Das Material wird wie in der Serienfertigung im Takt zugeliefert. Die verschiedenen Baugruppen kommen vormontiert zum Band. Beim Prüfstandslauf werden die Motoren unter exakt denselben Bedingungen geprüft wie die neuen Motoren in Friedrichshafen.

Der Umfang der Aufarbeitung ist bei den oben genannten Komponenten recht unterschiedlich. So kann bei den gebauten Kolben nur die Ringnut des Kolbenoberteils nachgearbeitet werden. Aufwendige Vorarbeiten waren jedoch erforderlich, um die Grundlager und die Lager der Kurbelzapfen von Kurbelwellen schleifen zu können. Bislang nicht wirtschaftlich zu lösen ist für die Magdeburger Fertigung der MTU die Aufarbeitung der Nockenwellen.

Dem Umweltschutz wird in vollem Umfang Rechnung getragen. Das gilt unter anderem für die Maßnahmen zur Reinigung und Entlackung der Bauteile. Alle Bäder sind lösungsmittelfrei. Man beschränkt sich auf die Entfernung von losen Lackresten, während alle festen alten Lacke nach dem Prüfstandslauf überlackiert werden.

Bei der MTU-Tochter in Magdeburg werden jedoch nicht nur Motoren aufgearbeitet, sondern auch Verfahren zur Prüfung und Bearbeitung der Komponenten entwickelt. Darüber hinaus widmet sich eine kleine Gruppe von Mitarbeitern zum Beispiel Fragen des Auftragens von Beschichtungen auf bestimmte Bauteile. Damit entstehen in der Zusammenarbeit mit Hochschulinstituten und der einschlägigen Industrie neue Methoden, die eine weitergehende Aufarbeitung von Komponenten erlauben, als das bislang möglich war. Der industrielle Recyc­lingprozess erhält damit neue Perspektiven.

Hin und wieder standen die Ingenieure in Magdeburg vor vermeintlich einfach zu beantwortenden Fragen. Zum Beispiel: Wie prüft man zuverlässig, aber auch möglichst einfach einen Kabelbaum? Gegenwärtig befindet sich eine erfolgversprechende Maßnahme in der Erprobung, mit der die Nutzungsdauer der Kurbelgehäuse verlängert werden kann, indem der Sitz der Zylinderlaufbuchse tiefer als normal ausgedreht und ein maßausgleichender Ring eingelegt wird. So sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Lösungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Aufarbeitungsvorgänge gefunden worden.

SKL Motor hat heute rund 300 Mitarbeiter, 200 davon sind mit der Aufarbeitung der Motoren im weitesten Sinne beschäftigt. Begonnen hatte man 2008 mit 80 Mitarbeitern. Ein großer Teil der weiteren 100 Mitarbeiter ist mit der Produktion von Ersatzteilen für die früheren SKL-Motoren und der Herstellung von Motoren der heute noch im Programm befindlichen Motorenbaureihe VDS 29/24 AL (1.000 bis 2.350 kW bei 750 bis 1.000 min-1) beschäftigt.

Die Aufarbeitung von Motoren der Baureihen 2000 und 4000 in Magdeburg hat für die MTU große Bedeutung, da die Population in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Die klassischen MTU-Motoren werden unverändert im Servicezentrum in Duisburg überholt. Bei ihnen erfolgt keine Aufarbeitung im Sinne der hier beschriebenen Maßnahmen, sondern eine konventionelle Grundüberholung. Der Kunde erhält in diesem Fall seinen Motor zurück. Und die leistungsstärksten Motoren aus der Baureihe 8.000 können aufgrund ihrer Größe nicht aufgearbeitet werden. Bei ihnen beschränkt sich diese Maßnahme auf die Zylindereinheit, bestehend aus Zylinder mit Zylinderkopf, Kolben und Pleuel.

Nachgedacht wird zurzeit über eine Ausdehnung der Aufarbeitung über die Motoren hinaus auf die Überholung und Aufarbeitung von Aggregaten und Systemen, zum Beispiel von Bordaggregaten und diesel-elektrischen Aggregaten. Im Hintergrund steht die Übernahme der Firma Aggretech in Ruhstorf (bei Passau) seitens des Tog­num-Konzerns, der Muttergesellschaft der MTU Friedrichshafen (siehe S. 6). Aggretech ist ein bekannter Hersteller von Stromerzeugungsaggregaten. Im Zuge der Integration dieses Unternehmens ist beabsichtigt, die Firmierung in MTU Onsite Energy Systems GmbH zu ändern und den Aggregatebau von Magdeburg nach Ruhstorf zu verlegen. Damit werden im Norden Kapazitäten frei, die es zu nutzen gilt.


Hans-Jürgen Reuß