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Die vorgeschriebenen Absenkungen der Schwefelgrenzwerte haben Auswirkungen

auf den Schiffsbetrieb. Als eine Alternative zu schwefelarmen Treibstoffen werden

Verfahren zur Abgasentschwefelung erprobt

1. Einführung

Weltweit verbraucht die Schifffahrt rund 300 Mio. t Schweröl im Jahr. Der darin enthaltene Schwefel (S[ds_preview]) reagiert bei der Verbrennung in einem Dieselmotor bzw. Kessel mit dem Luftsauerstoff zu Schwefelverbindungen (SO2 und SO3), die mit den Abgasen in die Atmosphäre gelangen.

Daher wurde im Überseeverkehr der maximal zulässige Schwefelgehalt im Brennstoff im ersten Schritt von 5 % auf 4,5 % gesenkt, im zweiten Schritt ab 2012 auf 3,5 %. Ab 2020 bzw. 2025 soll er auf 0,5 % sinken. Die in den verschiedenen Fahrtgebieten geltenden Grenzwerte sind in Abb. 1 über der Zeit dargestellt. Für die Häfen der Europäischen Gemeinschaft gilt die EU-Richtlinie 2005/33/EG, die besagt, dass Brennstoffe mit weniger als 0,1 % Schwefelgehalt zu verwenden sind.

1.1 Sulphur Emission Control Area (SECA)

Seegebiete, in denen von der Weltschifffahrtsorganisation IMO die Emissionen von Schwefeloxiden eingeschränkt waren, wurden in der Vergangenheit als Sulphur Emission Control Area (SECA) bezeichnet [1]. Europa war der Schrittmacher und so konnte die IMO in den besonders belasteten Fahrtgebieten Nord- und Ostsee (Abb. 2) folgende SECAs einrichten:

• ab 19. Mai 2006 die Ostsee für alle Seeschiffe

• ab 11. August 2007 die Nordsee und der Ärmelkanal für Seeschiffe unter europäischer Flagge oder Seeschiffe, die nur in europäischen Gewässern fahren

• ab 22. November 2007 die Nordsee und der Ärmelkanal für alle Seeschiffe

1.2 Emission Control Area (ECA)

Heute bezeichnet man diese Gebiete als Emission Control Area (ECA) – begrenzte Sonderzonen, für die von der IMO verbindliche Umweltvorschriften für die Schifffahrt festgelegt wurden. In den Umweltrichtlinien ist neben den zulässigen Emissionen (SOx, NOx) auch die Entsorgung von Müll und Abwasser (Schwarz- und Grauwasser) geregelt. Als ECA gelten nach wie vor die Ost- und Nordsee. Seit Mitte 2011 sind die West- und Ostküste der USA, die Seen sowie die Küstengebiete Kanadas dazugekommen (s. Abb. 1, USCG); hier werden auch die Rußpartikelemissionen begrenzt. In der Planung bzw. Diskussion sind weitere ECAs für das Mittelmeer, die Südküste Japans, das Schwarze Meer sowie die Küstengebiete von Australien, Hawaii, Alaska und Südkorea.

Diese Maßnahmen nach MARPOL Anlage VI (»Regeln zur Verhütung der Luftverunreinigung durch Seeschiffe«) bewirken für den Schiffsbetrieb erhebliche Veränderungen und deutlich erhöhte Treibstoffkos­ten. Statt Schweröl ist in den ECA-Fahrt­gebieten schwefelarmes Schweröl und ab 2015 Gasöl oder schwefelarmes Marine­dieselöl (MDO) zu bunkern.

Als Alternative zum schwefelreduzierten Brennstoff erlauben die IMO und die EU auch eine Entschwefelung der Abgase, wenn diese ebenso wirksam ist. Mit der Abgasentschwefelung müssen die gleichen Schwefeloxid-Konzentrationen wie im Betrieb mit schwefelreduziertem Brennstoff erreicht werden (MEPC.184(59)) [2].

2. Methoden zur Abgasentschwefelung

Die Schiffbauzulieferindustrie hat bereits reagiert: Zurzeit befinden sich auf Seeschiffen einiger umweltbewusster Reeder Verfahren zur Trocken- und Nassentschwe­felung in der Erprobungsphase. Es gibt verschiedene Methoden der Entschwefelung. Die Zulieferindustrie im Bereich der Kraftwerke und Müllverbrennungsanlagen hat dazu seit 1974 Entwicklungen durchgeführt und umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Diese sind zum Teil in die derzeit angebotenen Verfahren der Schiffsbetriebstechnik eingeflossen. In den Landbetrieben wird mit absorptiven Verfahren unter Verwendung von Natriumsulfit sowie sehr häufig auf Kalk basierenden Stoffen gearbeitet. Dabei wird von der überwiegenden Zahl der Verbrennungskraftwerke in einem Waschturm (Absorberturm) Kalkmilch in das Rauchgas eingedüst. Durch chemische Reaktionen werden Schwefeloxide weitgehend absorbiert, als Endprodukt entsteht schließlich Gips.

In der Schiffstechnik werden die obigen Verfahren weitgehend übernommen, weitere Verfahren befinden sich in der Entwicklung bzw. im Laborstadium. Bei den Verfahren mit Kalkgranulat spricht man von der »trockenen« Entschwefelung. Bei der »nassen« Entschwefelung wird im offenen System Meerwasser eingesetzt und in geschlossenen Systemen Frischwasser mit dem Absorptionsmittel Natriumsulfit.

3. Ausgeführte Anlagen

Derzeit sind mehrere Schiffe mit Prototypanlagen zur Abgasentschwefelung in Betrieb, um solche Verfahren unter realistischen Bedingungen zu untersuchen. Hier sollen die »Timbus« und die »Ficaria Seaways« (bis 22. Juli 2011 unter dem Namen »Tor Ficaria«) kurz beschrieben werden. Ausführlichere Informationen sind unter den angegebenen Quellen zu finden.

3.1 »Timbus«

Auf der mit dem »Blauen Engel« ausgezeichneten »Timbus« [3, 4], einem Schiff des Reeders Rörd Braren aus Kollmar (Daten s. Tabelle 1), wurde im November 2009 bei den Motorenwerken in Bremerhaven (MWB) eine Anlage zur trockenen Entschwefelung eingebaut, um diese im Seebetrieb zu testen. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens werden hier gemeinsam vom Reeder, der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) und der Firma Couple Systems in Zusammenarbeit mit MAN Diesel & Turbo Untersuchungen im realen Schiffsbetrieb durchgeführt [5, 6, 7]. Ziel ist, das von Couple Systems angebotene Verfahren »DryEGCS« auch in der Praxis zu erproben.

Das rund 100 m lange Schiff wird von einem 3.840 kW leistenden Viertaktmotor angetrieben und transportiert Zellulose vorwiegend von Schweden nach Deutschland und in die Niederlande. Die Versuchsanlage zur Abgas­entschwefelung befindet sich vor dem Deckshaus (s. Abb. 3, 4). Sie wurde mit 15.000 m³/h für etwa ein Drittel des Nennabgasstromes ausgelegt. Damit sollte im Testbetrieb die SOx-Konzentration erreicht werden, die einem Kraftstoff-Schwefelgehalt von maximal 0,1 % entspricht. Die Ergebnisse (clean gas) zeigen deutlich bessere Werte (Abb. 5). In der TUHH wurde vorher in Zusammenarbeit mit Couple Systems eine Versuchsanlage mit einem Prüfstandsabsorber entwickelt, gebaut und in Betrieb genommen [6]. Damit wird das Verfahren bei verschiedenen Temperaturen, Wasserdampfgehalten und Schwefeloxidkonzentrationen erprobt, um die Abgasentschwefelung im Labor unter kontrollierten Bedingungen wissenschaftlich zu unter­suchen. Das Ziel ist eine schiffsgerechte Anlage zur trockenen Entschwefelung der heute üblichen Schifffahrtsbrennstoffe mit typischen Schwefelgehalten. Bei diesem Verfahren wird ein trockenes Kalkhydrat (Ca(OH)2)

als kugelförmiges Granulat mit einem Durchmesser im Bereich von 2 bis 8 mm eingesetzt. Im Absorber mit mäanderförmigen Schüttungen entsteht im Kreuz-Gegenstrom nach der chemischen Reaktion aus dem schwefelhaltigem Abgas und Kalkhydrat Gips, der sich an Land verwenden bzw. problemlos entsorgen lässt.

3.2 »Ficaria Seaways«

Im Rahmen eines Werftaufenthaltes bei den MWB im Sommer 2009 wurde die »Ficaria Seaways« der Reederei DFDS um 30 m verlängert (Abb. 6). Dabei wurde die interne Rampe umgebaut sowie ein neues Ruder und eine Abgasreinigungsanlage (mit den notwendigen Änderungen an den vorhandenen Abgasleitungen) montiert.

Bei der 2010 in Betrieb genommenen Anlage handelt es sich um ein Hybridsystem, das sowohl mit Frischwasser als auch mit Seewasser betrieben werden kann. Der Nasswäscher reinigt die Abgase des Hauptmotors mit einer Gesamtleistung von rund 21.000 kW [8, 9]. Die dabei angewendete Technologie des Nasswäschers stammt weitgehend von Aalborg Industries (inzwischen von Alfa Laval übernommen) und wurde ursprünglich für Inertgassysteme auf Tankern entwickelt. Das mit Separatoren von Alfa Laval ausgestattete, als »PureSOx« bezeichnete System wurde gemeinsam mit MAN für die »Ficaria Seaways« angepasst. Es handelt sich um eine Hybridanlage, welche abhängig vom Seegebiet als offenes oder geschlossenes System gefahren wird [8].

Beim offenen System werden Ruß und Schwefeloxide vom im Bypass geschalteten Scrubber (Abb. 8) mit Meerwasser ausgewaschen, entsprechend verdünnt und abhängig vom Fahrtgebiet in den zulässigen Grenzen [2] wieder nach außenbords gepumpt. Beim geschlossenen System wird zum Waschen ein Frischwassersystem verwendet. Die Neutralisation erfolgt im Zirkulationstank unter Zugabe von Natronlauge. Im Teilstrom wird das Frischwasser separiert und der Schlamm in einem Schlammtank gesammelt. Die Rückkühlung des beim Waschprozess vom Abgas aufgeheizten Frischwassers erfolgt durch Seewasser.

3.3 Weitere Schiffe mit Abgasentschwefelung

Wärtsilä hat 2011 auf der »Containerships VII« (12.000 kW) eine Anlage zur Flüssigentschwefelung installiert. Ferner wurde für die walisische Graig-Gruppe das Marlin-Design für eine Serie von 2.500-TEU-Containerfeederschiffen gemeinsam von Wärtsilä und Det Norske Veritas (DNV) ent-

wickelt. Die für die Nord- und Ostsee geplante »Marlin Jade« mit 17.600 kW Antriebsleistung wird mit einem Scrubber zur Flüssigentschwefelung ausgestattet und soll 2013 von der Jinhai Heavy Industry in China abgeliefert werden [10].

Der 38.500-dwt-Autotransporter »Tamesis« der Reederei Wilh. Wilhelmsen soll mit einer Krystallon-Abgasreinigungsan­lage (ARS) für den Hauptmotor und die Hilfsdiesel nachgerüstet werden. Dieses Wäschersystem dient neben der Entschwefelung auch der Feinstaubreinigung des produzierten Abgasvolumens der gesamten Motorenanlage mit einer Leistung von 28.000 kW. Der Einbau dieser Anlage ist für das erste Quartal 2013 geplant. Hamworthy, zu dem auch die Krystallon Abgasreinigungssysteme gehören, wurde im Januar 2012 von der Wärtsilä Corporation übernommen und wird nun als Wärtsilä Hamworthy geführt.

3.4 Ergebnisse

Bei der Betrachtung der heutigen Situation am Beispiel eines Containerschiffes in der Südamerikafahrt sind schon jetzt drei Treibstoffe notwendig. Von Südamerika kommend, wird beim Eingang des Englischen Kanals von Schweröl auf schwefelreduzierten Treibstoff (1,0 % S) umgestellt. Nach dem Festmachen, beispielsweise in Hamburg, wird der dritte Brennstoff (Gasöl mit 0,1 % S) verwendet. Für den Reeder stehen bei zukünftigen Neubauten daher Entscheidungen an, abhängig vom Fahrtgebiet für die Brennstoffe Schweröl, schwefelarmes Schweröl und Gasöl entsprechend große Tanks zu planen. Ob die Entschwefelung eine Alternative sein wird, hängt neben den Investitionen sowie den Betriebskosten auch von ihrem Platzbedarf und Handling an Bord ab. Die praktischen Versuche mit der Abgas­entschwefelung auf der »Timbus« und der »Ficaria Seaways« zeigen sehr gute Ergebnisse. Neben der wirtschaftlichen Seite sind auch die technischen Belange der Dieselmotoren mit der Einbindung in die schiffstechnischen Systeme unter Berücksichtigung der Abwärmenutzung zu beachten. Dabei sind die Mehrkosten für schwefelreduzierte Brennstoffe, die Investitionskosten der Entschwefelungsanlage, Kos­ten der Verbrauchsstoffe und der Entsorgung gegeneinander abzuwägen. Hier bietet die vor dem Abgaskessel stattfindende trockene Entschwefelung den Vorteil, dass die Abgase im Abgaskessel wirtschaftlicher genutzt werden können. Zudem gibt es aufgrund der starken Reduktion des Schwefelgehalts weniger Probleme mit der Korrosion der Kesselrohre.

4. Ausblick

Die Ergebnisse der Verfahren zur trockenen Entschwefelung, die seit 2009/10 auf Handelsschiffen erprobt werden, sind insgesamt sehr positiv und zeigen Alternativen zu den teuren Brennstoffen mit sehr geringem Schwefelgehalt auf. Verfahren zur Flüssigentschwefelung befinden sich auf weiteren Schiffen in der Erprobung bzw. in der Planung. Entschwefelungsanlagen werden – wie auch die kommenden Ballastwasser-Aufbereitungssysteme – die Schiffsmaschinenanlagen komplexer gestalten. Um die Schiffsbetriebstechnik auch zukünftig handhabbar zu halten, wird es wichtig werden, diese Anlagen weitgehend zu automatisieren.


Dr. Karl-Heinz Hochhaus