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Trinkwasser auf Seeschiffen kann aus zweierlei Herkunft stammen: einerseits aus der Übernahme (Bunkern) von landseitigem Wasser, andererseits aus der bordseitigen Erzeugung mittels Meerwasserentsalzungsanlagen.

Die Qualität landseitigen Wassers ist regional sehr unterschiedlich. Herkunft und Stand der Technik bei der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung variieren[ds_preview] deutlich nach technischen und wirtschaft­lichen Möglichkeiten von Land zu Land bzw. von Hafen zu Hafen. Schon zwischen den hochentwickelten Ländern Europas und Amerikas gibt es Unterschiede in den Grundgedanken zur Wasseraufbereitung und Wasserverwen­dung. In Schwellen- und Drittweltländern ist eine öffentliche Wasserversorgung – vergleichbar zu der in den Industriestaaten – vielfach noch gar nicht realisiert bzw. deren störungsfreier Betrieb aufgrund politischer und infrastruktureller Unsicherheiten nicht dauerhaft gewährleistet.

Der größte Teil des Trinkwassers auf Schiffen wird heute aus Seewasser erzeugt. Die Erzeugung geschieht durch Meerwasserentsalzung. Als Verfahren werden hauptsächlich Verdampfung und Umkehrosmose eingesetzt. Nach der Abtrennung der Salzionen erhält man das sogenannte Frischwasser, ein sehr weiches Wasser, das aufgrund seines geringen Mineraliengehaltes nicht als Trinkwasser geeignet ist. Aufhärtefilter versetzen es wieder mit Calciumcarbonat. Die anschließende Desinfek­tion geschieht mittels UV-Bestrahlung oder Chlorung. Danach liegt in der Regel ein für den menschlichen Gebrauch geeignetes Wasser vor. Dieses ist – verglichen mit dem Wasser aus einer landseitigen öffentlichen Versorgung – »künstlich erzeugt«.

Internationale und nationale Gesetze und Normen

Im Betrieb der Trinkwassersysteme auf Schiffen sind die Regeln der jeweiligen Klassifikationsgesellschaft und die Vorschriften des Flaggenstaates zu beachten. International formuliert wurden minimale Hygienestandards durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die »Guideline to Ship Sanitation«. In den Vereinigten Staaten gelten die Regeln der Gesundheitsbehörde »United States Public Health« (USPH), auch für Fahrgastschiffe, die dortige Häfen anlaufen. In Deutschland gilt die Trinkwasserverordnung (TrinkwV). Danach muss Trinkwasser so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung

der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger nicht erfolgen darf. Diese Anforderung gilt als erfüllt, wenn die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Trinkwasser den Anforderungen der §§ 5–7 entspricht. Damit werden drei wichtige Punkte explizit genannt:

• Es geht nicht nur um Wasser zum Zwecke des Trinkens, der Gebrauch – z. B. Zähneputzen, Duschen oder Kochen – reicht aus, damit die TrinkwV greift.

• Es gilt das Vorsorgeprinzip.

• Es wird auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik verwiesen.

Die allgemein anerkannten Regeln der Technik werden durch fest geregelte Verfahren, welche die beteiligten Kreise der Fachwelt berücksichtigen, regelmäßig fortent­wickelt und fixiert. Dieses geschieht in den sogenannten Arbeitsblättern des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW). Herauszuheben ist hier DVGW-Arbeitsblatt W 291 »Reinigung und Desinfektion von Wasserverteilungsanlagen« und das neue, derzeit noch in der Einspruchspha­-

se (»Gelbdruck«) befindliche DVGW-Arbeitsblatt W 557 »Reinigung und Des­infektion von Trinkwasserinstallationen«. Die Carela-Gruppe mit Sitz in Rheinfelden, zu der die Korinexan Ship & Marine gehört, war als Fachunternehmen im erarbeitenden Projektkreis beteiligt und hat (mit Einverständnis der Betreiber) wichtige Daten zur Ermittlung zielführender Verfahren zur Anlagendesinfektion beigesteuert. In einer zentralen Rolle für die Trinkwasserinstal­lation formuliert das DVGW-Arbeitsblatt W 551 »Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums« Anforderungen an Planung, Betrieb und Wartung. Hier werden auch Vorgehensweise und Bewertung bei Untersuchungen (Probenahme), Desinfektionsmaßnahmen und Sanierungen formuliert.

Seit Februar 2011 ist die DIN 86290 »Anlagen und Verfahren für chemischen und mikrobiologischen Trinkwasserschutz auf Wasserfahrzeugen und Seebauwerken unter Berücksichtigung von Korrosion und Wasserqualität« in Kraft. Die Abschnitte 7.3 und 7.4 »Anforderungen an die Wasserqualität« tragen den jüngeren Erkenntnissen um die »Biofilmentfernung« nun Rechnung. Neben dem Abschnitt 7.4.2 »Trinkwasserdesinfektion« enthält diese Norm auch einen Abschnitt 7.4.3 »Desinfektion des Trinkwassersystems (Anlagen-Desinfektion)«.

Von der Chlorung zur Anlagendesinfektionsreinigung

Trotz der grundsätzlichen Eignung des an Bord befindlichen Wassers zum Trinken wird von der Besatzung in der Regel Mineral- oder Tafelwasser bevorzugt. Als Grund wird vielfach genannt, das Leitungswasser schmecke und rieche nach Chlor – oder allgemein »chemisch« und nicht natürlich. Hier zeigt sich, dass offenbar weltweit Menschen gleiche oder zumindest ähnliche subjektive Einschätzungen, Vorstellungen und Erwartungen teilen, was die Genießbarkeit von Trinkwasser angeht – weitgehend unabhängig vom zivilisatorischen und kulturellen Hintergrund. Was regional differiert, ist der Verwendungszweck und der tatsächliche Umgang mit dem Trinkwasser.

In Deutschland ist beispielsweise im gastronomischen Bereich ebenfalls »Flaschenwasser« üblich. Es ist aber bei den Bürgern bekannt und wird erwartet, dass man hierzulande das Leitungswasser grundsätzlich trinken kann. Das Trinken von Leitungswasser wurde in den letzten 20 Jahren sogar massiv von Wasserversorgungsunternehmen und Herstellern von Kohlensäuresprudelgeräten (mittels CO2-Druckflaschen) als preiswerte und bequeme Alternative zum »Wasserkisten schleppen« beworben.

Trinkwasser gilt hierzulande als »das bestkontrollierte Lebensmittel« und wird von Experten teilweise als qualitativ hochwertiger als manches Tafelwasser beschrieben. Um diese Akzeptanz von Leitungswasser als Trinkwasser herzustellen, ist die genusstaugliche Reinheit eine wichtige Voraussetzung. Ein Wasser, das nach Chlor riecht und schmeckt, wird auch vom deutschen Konsumenten in der Regel abgelehnt.

Tatsächlich verzichten deutsche Wasserversorgungsunternehmen seit Jahren überwiegend auf eine Chlorung. Möglich wurde dies durch erhebliche Verbesserungen in der Aufbereitungstechnik und durch strikte Hygiene innerhalb der gesamten Prozesskette. Die früher übliche vorsorgliche Desinfek­tion vor der Verteilung wurde in den letzten Jahrzehnten zurückgefahren und ist heute nur noch in begründeten Ausnahmefällen (»Notfallchlorung«) gestattet. Durchgesetzt hat sich die Erkenntnis, dass ein nährstoff- und keimarmes Rohwasser nach Filterung und anderen spezifischen Aufbereitungsverfahren ohne Desinfektion zum Genuss geeignet ist. Bei dieser Aufbereitung nach dem sogenannten »Multibarrierenprinzip« gilt der Grundsatz: Eine Keimvermeidung von Beginn an ist einer Keimabtötung am Ende vorzuziehen.

Notwendig hierfür sind saubere, also hygienisch einwandfreie Anlagen, in denen sämtliche wasserberührten Oberflächen regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden. Warum ist dies notwendig?

Lebensraum Trinkwasser

Trinkwasser ist nicht steril. Das muss bzw. soll es auch gar nicht sein. Trinkwasser als natürliche Ressource enthält durchaus Leben und kann mikrobiologisch als nährstoffarmes Substrat beschrieben werden. Jede wasserberührte Oberfläche wird binnen kürzester Zeit besiedelt. Es bildet sich ein sogenannter Biofilm aus Mikroorganismen und sogenannten EPS (extrazelluläre polymere Substanzen) – ein Sammelbegriff für eine Matrix aus organischen und anorganischen abgelagerten Wasserinhaltsstoffen. Der Begriff Biofilm beschreibt dabei grundsätzlich alles von einer ersten Besiedelung im Nanometerbereich bis hin zum mehrere Millimeter dicken »biologischen Rasen«, wie er in der Abwassertechnik bekannt ist. Eine minimale Besiedelung kann toleriert, ein »Bio­schleim« auf den Oberflächen muss jedoch vermieden werden, da ein solcher Schleimfilm auch pathogenen Keimen wie Krankheitserregern einen Lebensraum und Schutz vor Desinfektionswirkstoffen bietet.

Das Wachstum von Biofilmen hängt ab von Nährstoffangebot, Temperatur und hydrodynamischen Bedingungen. Nährstoffe sind im Wasser selbst vorhanden oder werden von außen eingetragen – auch durch ungeeignete, weil verstoffwechselbare Inhaltsstoffe von Tankbeschichtungen oder ungeeignetes Rohrleitungsmaterial. Ungünstige hydrodynamische Bedingungen wie eine lange Verweilzeit oder gar Stag­nation des Wassers in Tanks und wenig benutzten Entnahmestellen fördern das Wachstum und führen zur Aufkeimung und Ungenießbarkeit des Trinkwassers.

Auch auf Seeschiffen sind die Tanks und das Trinkwassernetz nicht frei von Biofilmen. Trotz der eingangs beschriebenen Erzeugungsverfahren finden Mikroorganismen ihren Weg ins System – sei es durch gebunkertes Wasser, unsaubere Schläuche, Undichtigkeiten oder durch menschliche Kontamination bei Wartungsarbeiten. Auch über die Entnahmestellen wie Wasserhähne und Duschköpfe kann es zur Besiedelung entgegen der Fließrichtung kommen: Mikroorganismen durchwandern den Biofilm auf der Suche nach Nährstoffen in alle Richtungen und sind gut davor geschützt, mit dem Wasserstrom ausgespült zu werden. Dementsprechend gibt es auch auf Schiffen immer wieder Fälle von Verkeimungen des Trinkwassers.

Ursachenbekämpfung durch Anlagendesinfektion und Reinigung

Der Zusatz von Chlor als Hypochlorid oder Chlortabletten ist die wohl gängigste Methode, um Verkeimungen rasch zu bekämpfen. Dabei werden jedoch Biofilme nicht entfernt und unter Umständen nicht einmal vollständig abgetötet. Um dies zu erreichen und die Trinkwasseranlage dadurch erfolgreich, d. h. wesentlich nachhaltiger, zu desinfizieren, hat Carela die Methode der Basisdesinfektion und Reinigung entwickelt. Hierzu wird die Trinkwasser­anlage für einen kurzen Zeitraum als solche außer Betrieb genommen und mittels des Trinkwassers wird eine wässrige Desinfektionslösung hergestellt, die stark oxidierend und denaturierend auf Biofilme wirkt, ohne jedoch Tank- und Rohrleitungswerkstoffe zu beschädigen. Durch Betätigung sämtlicher Entnahmearmaturen wird diese Desinfektionsreinigungslösung in das gesamte System eingebracht und dabei an jeder Entnahmestelle der Nachweis geführt, dass die Lösung in ausreichender Konzentration ansteht und einwirkt. Nach der entsprechenden Einwirkzeit von einer Stunde wird die Lösung mit Trinkwasser ausgespült. Dieses Prozedere wird zweimal wiederholt. Nach dem letztmaligen Ausspülen mit sauberem Trinkwasser steht die Anlage wieder als Trinkwasseranlage zur Verfügung.

Anwendungsfall: Beanstandung von Geruch und Geschmack

Auf mehreren neuen Containerschiffen der Flotte einer deutschen Reederei klagte die Besatzung über ein nicht genießbares Trinkwasser. Beanstandet wurden Geruch und Geschmack des Wassers. Beides wurde als organisch-chemisch, »wie nach Farbe« beschrieben.

Die Trinkwässer waren mikrobiologisch ohne Beanstandung, in der chemischen Analyse des Gesundheitsamts Hamburg wurde jedoch ein erhöhter Gehalt an Kohlenwasserstoffen festgestellt. Das Wasser entsprach somit nicht den Anforderungen der Trinkwasserverordnung, denn die dortige Forderung nach Genusstauglichkeit und Reinheit sowie die Anforderungen nach § 6 »Chemische Anforderungen« waren nicht erfüllt.

Die Aufgabenstellung war daher zunächst nicht eine Desinfektion der Tanks oder des Trinkwassersystems, sondern Ursachenforschung und anschließende nachhaltige Beseitigung dieser Erscheinungen durch ein geeignetes Reinigungsverfahren. Inspektoren der Reederei äußerten die Vermutung, dass die Ursache der Probleme in der Beschichtung der Tanks zu finden sein könnte. Die Recherche zur verwendeten Tankbeschichtung und den Verarbeitungsvorschriften des Herstellers lieferten den Experten der Korinexan Ship & Marine fol-

gende Hinweise:

• Es handelt sich um eine zweistufig aufgebrachte Beschichtung, sowohl die Grundierung als auch das Coating sind laut dem Hersteller für Trinkwassertanks ge-

eignet.

• Der Hersteller ist ein international renommiertes Markenunternehmen.

• Die Zulassungen für den Einsatz in Trinkwassertanks sind vorhanden: Certification Australian Water Quality Centre.

• Herstellerseitig wird auf die Notwendigkeit fach- und sachgerechter Verarbeitung unter den jeweiligen örtlichen Bedingungen verwiesen.

• Wichtig sind dabei insbesondere Oberflächenvorbehandlung, Verarbeitungstemperatur und Trocknungszeit.

Eventuelle Fehler bei der Verarbeitung bzw. Herstellung der Oberflächen in der Werft konnten nicht definitiv ermittelt werden. Allerdings ist grundsätzlich folgender Zusammenhang vorstellbar:

• Möglicherweise diffundieren noch Lösemittelreste (Kohlenwasserstoffe / CKWs) aus den Coatings ins Wasser.

• Das Problem trat regelmäßig auf, wenn die neuen Schiffe auf ihrer Reise in wärmere Regionen gelangten (z. B. Suez).

• Einbausituation / Einbaulage der Tanks: direkt an der Außenwandung der Schiffe.

• Einfluss der Außentemperaturen (Wasser und Luft); Klima, Jahreszeit, Witterung scheinen eine Rolle zu spielen, daher tritt das Phänomen nicht schon in der Werft bzw. bei der Übergabe auf.

• Der Dampfdruck von Stoffen – wie beispielsweise auch CKWs – ist stark temperaturabhängig.

Aufgrund dieser Indizien konnte auftragnehmerseitig ein Konzept zur Behandlung der Tankoberflächen ausgearbeitet werden. Zur Verwendung kamen Spezialprodukte und leichtes Spezialequipment aus eigener Herstellung der Korinexan Industrial Services. Anschließend wurde gemeinsam mit dem Auftraggeber ein detaillierter Ablaufplan für den Reinigungsprozess erstellt, wodurch ein einwandfreier Ablauf gewährleistet war. Im Zuge der Gesamtmaßnahme war eine anschließende Desinfektion aller Oberflächen mittels Korinexan-Spezialprodukt erforderlich.

Im Ergebnis waren die bakteriologischen und chemischen Analysewerte in Ordnung und es gab seitens der Crew hinsichtlich Geschmack und Geruch des Trinkwassers keine Beanstandungen mehr.


Dipl.-Ing. Chem. Volker Wöhrmann