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Deutschlands erste Messe für Offshore-Windenergie, die »Windforce« in Bremen, öffnete Ende erstmals ihre Tore. Hauptthema der viertägigen Veranstaltung waren die Probleme beim Netzanschluss.

Insgesamt 6.000 Besucher an vier Tagen, 268 internationale Aussteller und fast 50 Vorträge bei der parallel stattfindenden Fachkonferenz der Windenergie[ds_preview]-Agentur WAB: Die Veranstalter zeigten sich ausgesprochen zufrieden mit dem Auftakt der »Windforce«, Deutschlands erster Messe für die Offshore-Windenergie. »Unsere Erwartungen wurden mehr als erfüllt«, bilanzierte Jens Eckhoff, Geschäftsführer der eigens gegründeten Offshore Wind Messe- und Veranstaltungs GmbH. Für die kommenden Jahre sei damit ein solider Grundstein gelegt.

Netzanbindung weiter verzögert

Thematischer Mittelpunkt der »Windforce« waren die Probleme bei der seeseitigen Anbindung von Offshore-Windparks an das Stromnetz. Kurz vor der Veranstaltung in den Bremer Messehallen hatten mehrere Bauherren von Windparks zum wiederholten Mal Post von Nordsee-Netzbetreiber Tennet bekommen, in der ihnen eine weitere monatelange Anschlussverzögerung angekündigt worden war. »Wir steuern auf eine dramatische Situation zu«, warnte WAB-Geschäftsführer Ronny Meyer auch mit Blick auf künftige Meereswindparks, denen ebenfalls erhebliche Verzögerungen drohten, sofern die Politik nicht umgehend stabile Rahmenbedingungen schaffe. Verschiedene Inves­toren hatten zuletzt ihre Projekte zurückgestellt, solange die Unsicherheiten nicht ausgeräumt sind und es keine verlässlichen Anschlusstermine gibt. Vor allem die Haftungsfrage müsse schnell geklärt werden, heißt es seitens der Beteilig­ten: Erst wenn geregelt sei, wer bei verspäteten Anschlüssen und bei Netzausfällen für den Schaden einzutreten habe, könne weiter in den Ausbau der Offshore-Windenergie und in die nötigen Netzanbindungen investiert werden.

Die Branche habe schon viele Herausforderungen zu bewältigen gehabt, machte Meyer deutlich – die aktuellen Schwierigkeiten seien jedoch mit den vergangenen nicht zu vergleichen, da mittlerweile in dreistelliger Millionenhöhe in Produktionskapazitäten und Personal investiert worden sei. »Wir haben jetzt schon eine Auftragsdelle«, so Meyer, »und im Moment besteht die Gefahr, dass aus dieser Delle ein ausgewachsenes Auftragsloch wird.« Der WAB-Chef kritisierte vor allem, dass die Bundesregierung bis zur Messe keinen Gesetzentwurf zur Haftungsfrage vorgelegt hatte. Die AG Beschleunigung habe bereits Ende März Lösungsvorschläge auf den Tisch gelegt (s. HANSA 5/12), und damals hätten sowohl Wirtschaftsminister Philipp Rösler als auch der damalige Umweltminister Norbert Röttgen ein entsprechendes Papier bis zur Sommerpause zugesagt. »Wir erwarten jetzt von der Politik, dass sie die von der Industrie gelieferten Lösungen auch schnell umsetzt«, forderte Meyer.

Keine Neuigkeiten aus Berlin

Neuigkeiten hatten sich die »Windforce«-Teilnehmer vom Maritimen Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, erhofft, der seinen Chef und Veranstaltungsschirmherren Philipp Rösler vertrat. Doch auch Otto hatte keinen Gesetzentwurf im Gepäck: Vielmehr verwies er allgemein auf die Studie der Beratungsgesellschaft KPMG vom vergangenen Jahr, die angesichts des geplanten Ausbaus der Offshore-Windenergie erhebliche Potenziale für die deutsche Schiffbauindustrie herausgestellt hatte. Der Fortschrittsbericht der Bundesregierung zu diesem Thema, der ursprünglich 2011 hatte vorliegen sollen, werde nun Ende 2012 präsentiert, berichtete der Maritime Koordinator. »Der Bericht wird aufzeigen, wie diese Potenziale noch besser genutzt werden können.« Ebenfalls in diesem Jahr solle der Masterplan zur seeseitigen Netzentwicklung fertig werden, an dem das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) derzeit arbeite. Die viel­zitierte Regelung zur Haftungsfrage schließlich solle Anfang August im Kabinett beschlossen werden, versprach Otto (siehe Meldung auf S. 9 in dieser Ausgabe).

Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, machte Stefan Thiele, Sprecher der Geschäftsführung von EnBW Erneuerbare Energien, deutlich. Wenn das Gesetz nicht bis zum Herbst in Kraft trete, werde EnBW voraussichtlich das erste Energieunternehmen sein, das wegen der genannten Problematik ein konkret geplantes Projekt vorerst auf Eis legen müsse, berichtete er. Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme von »EnBW Baltic 1« im vorigen Jahr und etwa zeitgleich mit dem angestrebten Baubeginn von »EnBW Baltic 2« will der baden-württembergische Versorger eigentlich am Jahresende die finale Investitionsentscheidung für seinen ersten Nordsee-Windpark »EnBW Hohe See« treffen. Ohne verlässliche Rahmenbedingungen sei das Risiko dafür jedoch viel zu hoch, erläuterte Thiele. »Wir sind nach wie vor optimistisch, was dieses Geschäftsfeld angeht. Wenn das Nordsee-Projekt jetzt aber kippt, weil die Haftungsfrage nicht geklärt ist, habe ich Sorge, dass bei den Aktionären und Shareholdern auch die Stimmung kippt.« Zwar könne die Entscheidung zum Investieren zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, doch sei dies mit erheblichen Kosten verbunden – unter anderem weil dann die schon abgeschlossenen Verträge mit den Lieferanten wieder neu verhandelt werden müssten.

Dass das politische Ausbauziel von 10 GW installierter Leistung bis 2020 nach jetzigem Stand nicht mehr zu erreichen ist, hat das Marktforschungsinstitut Windresearch kürzlich in einer Studie belegt. Im Rahmen der Messe präsentierte Geschäftsführer Dirk Briese nun weitere Zahlen, die die Differenz zwischen Wunsch und voraussichtlicher Wirklichkeit noch einmal vergrößerten. Das errechnete »Best-Case«-Szenario kommt zwar bis 2020 punktgenau auf die gewünschten 10 GW, allerdings halten die Marktforscher dies für praktisch ausgeschlossen: Als Prämissen hatten sie dafür unter anderem angenommen, dass die Netzausbauproblematik sofort gelöst wird, die Kosten in allen Bereichen um 30 % gesenkt werden und die nötige Infrastruktur, insbesondere der Häfen, in den kommenden zwei bis drei Jahren steht.

Die bereits vor einigen Monaten für die Studie durchgerechneten beiden anderen Szenarien – das als wahrscheinlich eingeschätzte Referenzszenario und das »Worst-Case«-Szenario – mussten laut Briese angesichts der erwähnten Tennet-Briefe noch einmal nach unten korrigiert werden: So kommt die Ausbauprognose im Referenz­szenario jetzt für die nächsten acht Jahre nicht mehr auf knapp 8 GW, sondern nur noch auf gut 7 GW. Sollte gar das »Worst-Case«-Szenario eintreten, könne es passieren, dass Errichter von Windparks künftig keine Finanzierung mehr zustande bekämen. Briese: »Das würde dann auch heißen, dass es an dieser Stelle nicht weitergeht und Ressourcen in andere Länder abwandern.« Allzu schwarz wollte der Windresearch-Chef dann aber doch nicht malen. Wenn es gelinge, die Probleme zu lösen, habe die Branche eine hervorragende Ausgangsposition mit frühen Projekten in großen Küstenentfernungen und Wassertiefen, betonte er.

Frühzeitig um Schiffe kümmern

Wer einen Offshore-Windpark bauen und betreiben will, braucht Schiffe – und zwar nicht nur Errichterschiffe, sondern auch Kabelleger, Schlepper, Crew Transfer Vessels (CTVs) und anderes mehr. EnBW beispielsweise hatte beim Bau von »EnBWBaltic 1« insgesamt 89 verschiedene Schiffe im Einsatz, wie Teamleiter Dirk Dollmann auf der Fachkonferenz berichtete. »In der Bauphase hatten wir so ziemlich jedes CTV in Betrieb, das je auf der Ostsee gefahren ist.«

Schiffsmakler Philippe Schönefeld von den auf Spezialtonnage für Offshore-Windprojekte spezialisierten German Renewables Shipbrokers riet dem Publikum daher, sich rechtzeitig um die benötigten Schiffe zu kümmern – wobei »rechtzeitig« im Fall der Errichterschiffe etwa zwei bis drei Jahre vor dem geplanten Einsatz bedeute. »Richtig erfolgreich wird man nur mit dem richtigen Schiff«, machte Schönefeld klar. Besonders knapp werde es demnächst bei den Serviceschiffen, da die benötigten Einheiten auf dem deutschen Markt nicht in ausreichendem Maß verfügbar seien. Schon jetzt seien beispielsweise bei Schleppern, Pontons und CTVs steigende Charterraten zu verzeichnen. Weil jedes einzelne fehlende Schiff den Projektfortgang gefährden könne, müsse auch hier die Tonnage mindestens ein Jahr im Voraus gesichert werden.

Damit der Bedarf gedeckt werden kann, werden beim Bau von deutschen Meereswindparks künftig wohl vermehrt Schiffe aus anderen Ländern eingesetzt. Die hiesigen Schiffbauer und Reeder beklagen, dass es für Offshore-Spezialfahrzeuge noch keine international gültigen Sicherheitsstandards gibt und dass die deutschen Vorschriften besonders streng sind. Um Wettbewerbsverzerrungen auszuräumen, haben sich Werften, Klassifikationsgesellschaften, Schiffseigentümer, Verbände und Bundesministerien zusammengeschlossen und eine Initiative bei der IMO gestartet. Die internationale Seeschifffahrtsorganisation habe ihre Unterstützung zugesagt und werde die Vorschläge jetzt weiterentwickeln, berichtete Wolfgang Hintzsche vom Verband Deutscher Reeder. Allerdings werde es zwei bis drei Jahre dauern, bis es verbindliche Regularien gebe. »Bis dahin brauchen wir dringend eine Übergangslösung«, forderte Hintzsche: »Zumindest für die deutsche Fahrt in der deutschen AWZ.«


Anne-Katrin Wehrmann