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Die Haftpflichtversicherer in der Seeschifffahrt kamen im vergangenen Jahr wieder stärker unter Druck. Einige schwere Schäden und sinkende Kapitalerträge setzten den Bilanzen zu. Experten warnen, dass die Prämien nächstes Jahr noch stärker anziehen werden.

Noch sind die Ursache und der genaue Schadensumfang des Brandes auf dem deutschen Frachter »MSC Flaminia« mitten im Atlantik nicht[ds_preview] geklärt. Doch die Nachricht vom Tod mindestens eines Besatzungsmitglieds und die Bilder des von dichtem Rauch umhüllten Großcontainer-

schiffs haben die Branche geschockt. Auch für die P&I-Versicherer – vor allem der direkt betroffene Swedish Club – dürfte der Vorfall erneut ein Schlag ins Kontor sein, selbst wenn keine teure Wrackbergung wie etwa im Fall des vergangenen Herbst vor Neuseeland auf Grund gelaufenen Containerschiffes »Rena« droht. Damit könnten wieder die Weichen für ein sehr schadensträchtiges Jahr gestellt sein, nachdem die Ergebnisse der Clubs bereits im Vorjahr stark gelitten hatten.

Beim Marktführer Gard, der sich auch in großem Umfang in der Seekaskosparte engagiert, fiel das Nettoergebnis von 175 Mio. $ im Jahr 2010 auf 51 Mio. $ im vergangenen Jahr ab. Der britische UK P&I Club, der mit einer versicherten Tonnage von mehr als 190 Mio. BRZ ebenfalls zu den ganz Großen zählt, fuhr nur noch 11 Mio. $ nach Steuern ein – gegenüber 61,6 Mio. $ im Vorjahr. Ausschlaggebend für den Gewinneinbruch waren die drastisch gesunkenen Kapital­erträge. Angesichts der Finanz- und Währungsmarkt-Turbulenzen sowie der schwelenden Rezessionsrisiken in zahlreichen westlichen Ländern fiel es den Vereinen viel schwerer, die Rücklagen gewinnbringend anzulegen.

Anlageergebnisse fallen drastisch

So verschlechterte sich das Anlageergebnis beim UK P&I Club von knapp 70 Mio. $ auf nur noch 18,6 Mio. $. Schmälernd auf den Investmentgewinn habe sich neben den Märkten auch die veränderte Anlagestrategie ausgewirkt. So wie viele Wettbewerber hat der Club den Anteil der fest-

verzinsli­chen Wertpapiere gegenüber den schwankungsanfälligeren Aktien erhöht. Zwar sind ihm dadurch mögliche Kurs­gewinne bei Aktien gegen Ende des Berichtszeitraums am 20. Februar entgangen. Langfristig sei der konservativere Anlagemix aber besser geeignet, das ihm anvertraute Kapital zu schützen, erklärte der UK P&I Club.

Auch bei Gard waren stark gesunkene Investmenterträge hauptverantwortlich für den Gewinnrückgang. Zudem verschlechterte sich das technische Versicherungsergebnis, was sich in einer von 94 auf 98 % gestiegenen kombinierten Schadenkostenquote (Verhältnis von Schäden und Verwaltungskosten zu Prämieneinnahmen) ausdrückt. Gard-Vorstandschef Claes Isacson zeigte sich angesichts der erhöhten Volatilität im Schadens- wie auch im Investmentbereich dennoch zufrieden mit dem Ergebnis. »Die Zahlen für 2011 lagen voll im Budget, und wir haben ein gutes Wachstum verzeichnet, das in einer starken Vertragserneuerung gipfelte«, erklärte er.

Beim North P&I Club mit Verwaltungssitz in Newcastle schrumpfte das Ergebnis von 72 Mio. $ auf 1,6 Mio. $ zusammen. Ohne ein leicht verbessertes Anlageergebnis hätte der Verein sogar rote Zahlen geschrieben: So verschlechterte sich die kombinierte Schadenkostenquote von 78 % auf 101,8 %. Offenbar hatte sich North durch die starke Ausweitung seines P&I-Buchs auch deutlich höhere Risiken ins Haus geholt. Die versicherte Tonnage hatte Anfang 2011 einen Satz um 20 % auf 105 Mio. BRZ gemacht. Die Zahl der Schäden über 1 Mio. $ sei im selben Jahr (bis 20. Februar 2012) auf 40 gestiegen, nachdem sie in den beiden Vorjahren nur bei 17 bzw. 24 gelegen habe, erklärte North.

Bei dem deutlich kleineren Club West of England dürfte wohl auch der Investment­ertrag von 2 % nicht ausgereicht haben, um das Ergebnis in den schwarzen Bereich zu hieven. Genaue Zahlen sind erst für August angekündigt, doch das Management gab bereits vorab bekannt, dass die kombinierte Schadenkostenquote trotz einer deutlichen Verbesserung auf 108,7 % immer noch im negativen Bereich liege.

Die Britannia Steam Ship Insurance Association meldete für das am 20. Februar abgeschlossene Geschäftsjahr einen Rückgang beim Gewinn von 52,8 Mio. $ auf nur noch 15,8 Mio. $. Allerdings war der Verein auch seinen Mitgliedern entgegengekommen, indem er auf die Hälfte der eingeplanten Nachschüsse für das Jahr 2009/10 verzichtete, was den Angaben zufolge mit minus 12,8 Mio. $ zu Buche schlug.

Der norwegische Club Skuld wies 2011 einen Überschuss von lediglich 24 Mio. $ nach 65 Mio. $ im Vorjahr aus. Der Gewinn wurde zu ungefähr gleichen Anteilen im Ver­sicherungs- und im Investmentbereich erwirtschaftet. Die kombinierte Schadenkostenquote verschlechterte sich von 89 % auf 96 %. Zwar liest sich die Schadensbilanz in den meisten Fällen besser als in Boomjahren wie 2006/07, als der Seeverkehr auf Hochtouren lief und die Transportkapazitäten bis zum Anschlag ausgereizt waren. Doch der Trend bei der Schadensfrequenz wie auch der durchschnittlichen Schadenshöhe zeigt wieder deutlich nach oben.

Die dicke Rechnung kommt noch

So prophezeit der internationale P&I-Makler P. L. Ferrari & Co. den Reedern heute schon, dass die Schadenskosten zu einem starken Preistreiber für die Haftpflichtversicherung im kommenden Jahr würden. Bei den Großschäden, die ab einer Höhe von 8 Mio. $ auf alle 13 Clubs der International Group umgelegt werden, gab es keine zwei Meinungen. Zwei schwere Havarien – die des griechischen Containerschiffs »Rena« im Südpazifik und der Untergang des Kreuzfahrtschiffs »Costa Concordia« – trieben die sogenannten »Pool Claims« auf einen neuen Spitzenwert.

Es ist kein Zufall, dass die dort beteiligten P&I Clubs finanziell zu den größten Verlierern des Vorjahres zählten. Der in Göteborg ansässige Swedish Club, der sowohl für die Haftpflicht- als auch die Kaskodeckung der »Rena« verantwortlich zeichnet, rutschte trotz eines leichten Investmentgewinns mit 9,3 Mio. $ ins Minus. Auch bei den Routineschäden zeigt die Kurve steil nach oben. Während die durchschnittliche Schadenshöhe um etwa die Hälfte auf 80.000 $ kletterte, stieg die Schadensfrequenz pro Schiff von rund 0,6 auf über 0,8 an. Der Standard Club, der die halbe Haftpflichtdeckung für die »Costa Concordia« bereitstellt, konnte sich dank eines ordentlichen Anlageergebnisses (+47 Mio. $) noch mit 3 Mio. $ knapp in den schwarzen Zahlen behaupten. Schadensforderungen von zusammen 265 Mio. $ hatten zu einem versicherungstechnischen Loch von 44 Mio. $ geführt. Eines verbindet alle Clubs: die zunehmende Kostenlast ihres über die International Group gelenkten gemeinsamen Rückversicherungsprogramms. Noch am Abend des »Costa-Concordia«-Untergangs und kurz nach Anhebung der Kostenschätzung für den Verlust der »Rena« pochten die Rückversicherer auf eine saftige Prä­mien­erhöhung im Volumen von angeblich 40 Mio. $. Einen erheblichen Teil der Kosten schieben die Clubs immer noch vor sich her, weil sie zum Zeitpunkt der Nachverhandlung bereits die amtlichen Rückversicherungs­zuschläge für die Mitglieder veröffentlicht hatten und ein Teil der Prolongationen schon unter Dach und Fach war. Auch auf dem jetzigen Prämienniveau fällt es den Clubs offenbar nicht leicht, ihre Rückversicherer bei der Stange zu halten. So berichtete der Makler Willis über die Rückversicherungsprolongationen Anfang Juli, dass es weiterhin Kapazitätsengpässe für P&I-Deckungen gebe.
Michael Hollmann