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In den Dry-Bulk- und Tanker-Segmenten sind Frachten-Termingeschäfte längst Standard. Im Containerbereich liegt der Handel mit den Swap-Produkten noch auf sehr niedrigem Niveau. Spezialisierte Makler verzeichnen aber gute Fortschritte und rechnen infolge der Ratenvolatilität mit einem deutlich steigendem Interesse.

Erst seit dem Jahr 2010 haben Linienree­der, Verlader oder Finanzdienstleister die Möglichkeit, Kurssicherungsgeschäfte für Containerfracht abzuschließen. Durch Verkauf oder[ds_preview] Kauf sogenannter Container Freight Swap Agreements (CFSAs) zu den aktuellen Notierungen lassen sich unerwünschte Spotraten-Schwankungen ausgleichen. Den erhofften kometenhaften Aufstieg hat der Handel bislang aber nicht genommen. Zwar berichten Makler von einem steten Anstieg der Umsätze, doch fristet der Markt zwei Jahre nach Einführung immer noch ein Nischendasein.

Genaue Zahlen sind nicht verfügbar oder werden unter der Decke gehalten, wohl damit Interessenten nicht von vornherein entmutigt werden. So will sich auch der Branchenverband Container Freight Derivatives Association (CFDA), dem alle führenden Makler und Institutionen in dem Markt angehören, nicht mit Aussagen zu Handels­umsätzen aus dem Fenster lehnen. Beim britischen Clearinghaus LCH Clearnet in London, bei dem zahlreiche Marktteilnehmer Konten unterhalten, sollen monatlich im Durchschnitt Swap-Geschäfte für erst 500 Container (je nach Route 20- oder 40-Fuß) abgewickelt werden, heißt es in der Branche.

Gehandelt werden können Frachten auf vier Benchmark-Routen des Shanghai Containerized Freight Index (SCFI), der sich in den letzten Jahren zum wichtigsten Ratenspiegel für Spotverladungen ex Schanghai gemausert hat. Es handelt sich um folgende Fahrtgebiete: Schanghai/Nordwesteuropa, Schanghai/Mittelmeer, Schanghai/US-Ostküste und Schanghai/US-Westküste. Die SCFI-Spotraten dienen gleichsam als Referenzwert bei Abrechnung der Geschäfte.

Grundsätzlich sei die Handelsaktivität bei CFSAs auf einem höheren Sockelniveau als im Vorjahr, sagt Benjamin Gibson, Freight Derivatives Broker bei Clarkson Securities in London: »Ausschlaggebende Faktoren dafür sind die hohe Frachtenvolatilität, die wir gesehen haben, aber auch die gestiegene Anzahl von Marktteilnehmern, die sich mit den Indices und dem Thema Kurssicherung auskennen.« Zu Umsätzen möchte er sich nicht äußern. Einige Kunden würden 20 Container pro Monat handeln wollen, andere 100. Es gebe auch Anfragen für größere Geschäft mit 1.000 Containern, meint sein Kollege David Barnes. Für solche Umfänge ließen sich im aktuellen Markt­umfeld durchaus Handelspartner finden. »Wenn jemand 50.000 Boxen pro Monat absichern möchte, wäre das etwas anderes. Das könnte man sicher nicht auf Anhieb leisten«, so Barnes.

Besonders zu Jahres­anfang und im Frühjahr hat es ein hohes Interesse auf der Käuferseite gegeben, weil sich Verlader und Spediteure angesichts des rasant steigenden Spotmarktes feste Raten im Voraus sichern wollten. »Natürlich ist der Markt aktiver, wenn es ein konkretes Risiko gibt, das ich absichern muss«, verdeutlicht Gibson. Inzwischen jedoch scheint es, als seien die Frachtraten im Fernost-Europa-Verkehr an ihr Limit gestoßen. Nach den offiziellen Ratenanhebungen der Carrier zum Monatsanfang wurden die Frachtpreise im Laufe des Juli durch Angebot und Nachfrage wieder nach unten reguliert. Ende der 28. Kalenderwoche wies der Schanghai-Index für Verladungen nach Nordeuropa eine Spotrate von 1.747 $ pro TEU aus – Tendenz fallend. Auch die Streichung mehrerer Fernost-Abfahrten durch Maersk und die Carrier der CKYH-Allianz deutet auf Überkapazitäten an Stellplätzen hin, die erneut auf die Preise drücken.

Ratenabschwächung könnte Interesse bei Carriern wecken

Viele Frachtenkäufer halten sich unter diesen Bedingungen bei Swaps eher zurück, weil sie auf weiter fallende Raten spekulieren. Dafür müssten theoretisch umso mehr Linienreeder daran interessiert sein, Frachten-Swaps zu festen Preisen zu verkaufen, wenn sie fallende Spotraten erwarten. Allerdings haben die Linienreeder noch nicht die Flinte ins Korn geworfen, was den »physischen« Frachtenmarkt angeht. Mit Zuschlägen und allgemeinen Anhebungen von 250 bis 350 $ pro TEU wollen mehrere Carrier den Raten im Asien-Europa-Verkehr Anfang August wieder Auftrieb verleihen. Außerdem sind Frachten-Swaps für die Linien ohnehin ein schwergängiges Thema. Die meisten von ihnen seien noch in der Vorbereitungsphase. »Je größer die Organisation, desto schwerer nimmt das ganze Fahrt auf«, stellt Dan Pancheri fest. Der frühere Speditionsmanager arbeitet heute als Derivatemakler bei GFI/ACM in London. »Jetzt, wo der Frachtenmarkt wieder nachlässt, scheint das Interesse bei den größeren Carriern zuzunehmen, sich die im Terminmarkt verfügbaren Raten zu sichern«, hofft er. Sowohl bei Clarkson Securities als auch bei GFI/ACM macht man die Erfahrung, dass ein Großteil der Anfragen und Handelsaufträge für Swaps von Seefrachtspediteuren kommen. »Diese Leute haben wirklich Zeit und Aufwand investiert, um zu ermitteln, wie sie Hedging für ihr eigenes Geschäft, aber auch als Dienstleis­tung für ihre Ladungskunden entwickeln können«, unterstreicht Benjamin Gibson. »Sie haben damit ein Stück weit die Nase vorn in Sachen Kompetenz und Erfahrung.« Cherry Wang, die zusammen mit Dan Pancheri das Container-Swap-Geschäft bei GFI/ACM verantwortet, konstatiert ebenfalls eine stark steigende Nachfrage seitens der kleineren und mittleren Speditionen. »Viele müssen aber noch die entsprechen­den Prozesse einführen. 2012 ist für sie das Jahr der Implementierung«, sagt sie. Positives Feedback, sagen die Makler, bekämen sie auch von großen Einzelhandelsketten in Großbritannien, die viel Ware in Asien beschaffen. Einige hätten bereits Konten beim Londoner Clearinghaus, das als Abwicklungsstelle für den Handel fungiert, eröffnet. »2013 wollen sie dann in die Anwendung gehen«, so Pancheri. Ein Markt, der noch ganz am Anfang steht und gewaltiges Potenzial haben dürfte, ist der Export von Agrarerzeugnissen in den USA. Die Commodity-Händler würden heute bereits alle Facetten ihres Geschäfts durch entsprechende Swaps absichern, da Derivate seit Jahrzehnten nicht mehr wegzudenken sind aus vielen Rohstoffsegmenten. Fracht – ein integraler Bestandteil ihrer Vertriebs- und Absatzstrategie – war bislang die Ausnahme, wohl auch weil es nicht einmal einen Preisindex dafür gab. Auch der Schanghai-Index deckt keine Exportfrachtraten ab den USA ab, sondern nur die asiatischen Exportraten.

Allerdings plant die US-Aufsichtsbehörde für die Schifffahrt, die Federal Maritime Commission (FMC), künftig Raten-Indices für den US-Export zu veröffentlichen. Dabei sollen spezifische Frachtpreise für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Getreide und Baumwolle abgebildet werden. Die Behörde befindet sich noch in Konsultationen mit Reedern und Verladerverbänden über das Projekt. »Für die US-Exporteure wäre das ein Kinderspiel. Sobald die neuen Indices herauskommen, wird das einen gigantischen Markt öffnen«, prophezeit Wang.

Bei der Ausarbeitung der neuen Commodity-Frachtindices haben die Experten von Clarkson Securities die FMC unterstützt. Benjamin Gibson hält die Voraussetzungen im US-Markt auch deshalb für sehr günstig, weil die Agrarexporteure den Großteil der Seefracht kurzfristig einkauften und die Raten entsprechend volatil seien. »Der US-Markt ist unglaublich spot-orientiert«, sagt er. »Es gibt Dreimonatsgültigkeiten bei den Frachtverträgen, an die sich aber kaum jemand hält. Meist bekommen die Exporteure nur Raten mit einem Monat Gültigkeit.« So groß das Schwankungsrisiko, so groß sei auch das Absicherungsbedürfnis.

Neue Vertragsformen

Auf vielen großen Verkehrsrouten sieht die Realität heute aber noch ganz anders aus: Große Verlader aus Industrie und Handel bevorzugen in der Regel langfristige Frachtabkommen mit Linienreedereien. Dabei werden Frachten und häufig auch Zuschläge für Bunker etc. für bestimmte Verkehrsumfänge für ein Jahr festgelegt. Solche Serviceverträge seien jedoch mit vielen Fallstricken behaftet, meinen Experten wie der britische Transportrechtsanwalt Matthew Gore von der Kanzlei Holman Fenwick Willan. Komme es zu Streitigkeiten, weil sich die Marktraten seit Unterzeichnung der Verträge stark in die eine oder andere Richtung entwickelt haben, ließen sich die darin festgelegten Preis-, Stellplatz- und Mengengarantien nur schwer einklagen. In etlichen Fällen sind Verlader und Linienreeder bereits vom Modell der fest­gelegten Einjahresraten abgewichen und haben nur noch Rahmenabkommen über be­stimmte Stellplatzkontingente und Ladungsmengen geschlossen. Die Frachtraten sind dabei an einen Index gekoppelt, der möglichst das Spotraten-Niveau auf den jeweiligen Routen widerspiegelt, und werden in regelmäßigen Abständen angepasst. Bei der FMC sind dieses Jahr bereits 61 solcher indexbasierten Frachtverträge für die US-Verkehre gemeldet worden. Die Befürworter dieser Vertragsart meinen, dass den Vertragspartnern jeglicher Anreiz genommen werde, Preise nachzuverhandeln bzw. vertragsbrüchig zu werden, weil die Raten ja laufend dem Spot­niveau angepasst werden. »Indexbasierte Verträge sind eine Reaktion auf das Scheitern traditioneller Fixraten-Verträge in Bezug auf Stellplatzsicherheit, Volumen und Preisschutz«, konstatiert die britische Beratungsfirma Drewry in einem Aufsatz. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich viele Kunden und Carrier trotz indexbasierter Preisanpassung weiterhin Kal­kulationssicherheit wünschen, wie sie eigentlich nur durch Fixraten gewährleistet werden kann. Hier setzen die Hoffnungen der Frachtderivatemakler an. Denn durch den Kauf bzw. Verkauf von Frachten-Swaps könnten Carrier und Verlader sich wieder gegen die Schwankung der vertraglich vereinbarten Spotraten absichern. Sie müssten dazu nur ihre physischen Frachtumfänge spiegelbildlich im Terminmarkt »hedgen«.

»Das wäre der logische nächste Schritt«, sagt Derivatemakler Dan Pancheri. Durch eine Verrechnung der Kurssicherungserträge oder -verluste, die dort erzielt werden, mit den tatsächlichen Spotfrachtausgaben oder -einnahmen könnten Reeder und Verlader in einem festgelegten Budget bleiben.


Michael Hollmann