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Mit theoretischen Betrachtungen und der Beschreibung umfangreicher Modellversuche erarbeiten Klaus Römisch und Eckard Schmidt Ansätze zur rechnerischen Erfassung der Kolkvorgänge und zeigen Möglichkeiten zu deren Reduzierung auf

1. Einführung

Wie allgemein bekannt, führen Schiffe beim An- bzw. Ablegen, Operationen mit dem oder den Hauptpropeller/n[ds_preview] nahe der Kaianlagen aus. Außerdem werden zur Unterstützung der Manöver häufig Bug- oder / und Heckstrahler eingesetzt. Im Ergebnis erodieren die propellerinduzierten Strömungen die Hafensohle und erzeugen mehr oder weniger intensive Kolkungen. Zur Sicherung der Stabilität der Kaianlage kann entweder ein Kolkzuschlag in die Bemessung eingeführt oder die Sohle vor der Anlage durch einen Kolkschutz gesichert werden.

Im ersten Fall wird die Kolkbildung akzeptiert und bei der Dimensionierung der Kaianlage berücksichtigt. Von Bedeutung ist dabei zu wissen, welche Größenordnung die Kolkung bei Schiffsbetrieb annimmt. Da insbesondere die Kolkbildung sowohl von hydromechanischen Effekten des Antriebsystems des Schiffes als auch von den geologischen Eigenschaften des Hafenbodens abhängt, muss diese als überaus komplexer Prozess betrachtet werden.

Im Folgenden werden eine Reihe neuer Ansätze zur Kolkberechnung vorgestellt, die auf vereinfachenden theoretischen Betrachtungen beruhen, welche durch empirische Ergebnisse aus Modellunter­suchungen ergänzt werden (vorwiegend nach [1] und [2]).

2. Kolkbildung durch den Hauptantrieb

2.1. Theoretische Betrachtungen

Bei der Diskussion des Kolkproblems, schematisch dargestellt auf Abb. 1, wird vorausgesetzt, dass für den Endzustand des Kolkprozesses die lokale, sohlnahe Propellerstrahlgeschwindigkeit identisch ist mit der kritischen Geschwindigkeit des Materials, aus dem der Kolkboden besteht. Das bedeutet, dass die Kolktiefe solange zunehmen wird, bis durch Verlängerung der Lauflänge des Strahls die lokale Strahlgeschwindigkeit auf den Betrag der kritischen Material­geschwindigkeit des Hafenbodens abgenommen hat.

Entsprechend der vorstehenden Erläuterung kann die Kolk­tiefe in folgender Weise ermittelt werden, wobei betont werden muss, dass es sich dabei stets um die Tiefe des Kolks im Endstadium handelt:

Erster Schritt: Darstellung der Grundgleichungen, vgl. [3]

vkrit, = Bkrit, (1.1)

vSohle  = E (1.2)

Bkrit, = Stabilitätskoeffizient unter Kolkbedingungen, vgl. [2]

= Winkel der Kolkböschung,vgl. [2]

d85 = Korngröße des Materials auf der Kolksohle

‘ = relative Dichte des Sohlmaterials unter Wasser

E = 0,71; empirischer Faktor für Propeller mit nachgeordnetem Ruder, vgl. [3]

D = Propellerdurchmesser

hP = Abstand zwischen Propellerachse und Hafensohle

tkolk = Kolktiefe

v0 = induzierte Strahlgeschwindigkeit des Propellers

vkrit, = Geschwindigkeit in Sohlnähe, bei der das anstehende Sohlkorn unter Einbeziehung der stabilisierenden Wirkung einer Kolkböschung mit dem Winkel in Bewegung gerät

vSohle = propellerinduzierte Strahlgeschwindigkeit in Sohlnähe

Zweiter Schritt: Formulierung des Problems

Die vorausgesetzte Gleichgewichtsbedingung an der Kolksohle führt zu der Beziehung:

vkrit,  =  vSohle

Mit den Gleichungen (1.1) und (1.2) liefert obige Beziehung nachstehenden Zusammenhang:

(hp · tkolk) · Bkrit, · = E · · vo · hp

Bkrit, = Bkrit ·

E · · vo = vSohle, o

vSohle, o  = Geschwindigkeit an der Hafensohle für den Zustand »ohne Kolk«, vgl. [2]

Dritter Schritt: Kolkformel, entwickelt aus vorstehenden Beziehungen.

tkolk  = hp · Ckorr. · (Normalversion) (2.1)

=

(dimensionslose Version) (2. 2)

a = 0,65 (für den Kolk im Endstadium)

Ckorr. = korrektiver Beiwert gemäß Gleichung (3)

B =

Bkrit = 1,25 (für Propeller mit Ruder, vgl. [3])

2.2. Vergleich mit den Ergebnissen aus Modellversuchen

Für den Vergleich stehen den Autoren zwei Serien von Modellversuchen zur Verfügung. Die Randbedingungen der beiden Serien sind in Tab. 1 zusammengestellt (siehe unten). Der Vergleich der theoretischen Ansätze, Gleichung (2.1) bzw. (2.2), zeigen die Tendenz:

• Für geringe Strahlbelastung, B/Bkrit = 1 … 1,8 zeigen die Versuche etwas niedrigere Kolktiefen als die Berechnung gemäß Gl. (2.2).

• Diese Tendenz ist umso stärker ausgeprägt, je geringer die Korngröße ist. Für grobes Steinmaterial ist diese Tendenz nicht zu beobachten.

• Bei intensiver Strahlbelastung, B/Bkrit > 2,0, sind Versuchsergebnisse und Berechnung in guter Übereinstimmung.

Zur Anpassung der Berechnung an die Versuchsergebnisse wurde ein Korrekturbeiwert Ckorr. eingeführt. Aus vergleichenden Betrachtungen wurde für den Korrekturbeiwert nachstehender Ansatz gefunden, der im Bereich B/Bkorr. = 1,1 … 2,2 gültig ist:

Ckorr. = 17 · (3)

Die Übereinstimmung zwischen Messungen und Berechnung mit Kolkformel, Version (2.2), zeigt Abb. 2. Bei Anwendung der Kolkformel ist Folgendes zu beachten:

• Die Formel (2.1) bzw. (2.2) beschreibt einen Kolk, der durch einen Propellerstrahl erzeugt wird, der im stationären Zustand arbeitet (Schiff im Stand). Außerdem stellt der berechnete Kolk den Endzustand nach längerer Einwirkung dar.

Darüber hinaus wird in diesem Fall vorausgesetzt, dass hinter dem Propeller ein Ruder angeordnet ist, vgl. Abb. 1, und dass das Ruder in mittiger Position steht (Ruderwinkel = 0°).

2.3. Einfluss von Schiffsmanövern und Ruderwinkel, > 0°,

auf die Kolkbildung

Neben den vorstehend genannten stationären Bedingungen wurden im Rahmen der Versuchsserien an der TU Braunschweig [2] Tests mit manövrierenden Schiffen (An- und Ablegemanöver) durchgeführt. Aus dem Ergebnis dieser Tests, Details vgl. [2], lassen sich folgende Aussagen ableiten:

• Kolkbildung bei manöverierenden Schiffen: Bei an- oder ablegenden Schiffen reduziert sich die Kolktiefe auf 44 % des nach

Gl. (2.2) berechneten Wertes.

Es gilt:

Cman. = = 0,44 (4)

• Einfluss des Ruderwinkels auf die Kolkbildung: Durch die Strahllenkung infolge eines gelegten Ruders wird die Kolkbildung je nach Ruderwinkel reduziert, wie nachstehender Ausdruck ausweist:

CR =  =  ( = Ruderwinkel in [°]) (5)

Zur Erfassung dieser beiden Effekte bei der Kolkberechnung sind die Beiwerte Cman. und CR jeweils als Faktoren in die Kolkformel einzufügen.

Da insbesondere bei An- bzw. Ablegemanövern, die ohne Schlepperassistenz ausgeführt werden, stark mit dem Ruder gearbeitet wird, sind beide Effekte bei der Kolkberechnung zu berücksichtigen. Das erfolgt zweckmäßigerweise dadurch, dass die Beiwerte als Produkt Cman.,  = Cman. · CR   0,3 in die Rechnung eingefügt werden. Dabei ist vorauszusetzen, dass ein energisches Rudermanöver ausgeführt wird, d. h. der Ruderwinkel ist mit  = 40° anzusetzen.

2.4. Kolkformel für praktische Anwendung

Unter Einbeziehung der vorstehend erörterten Beiwerte nimmt die Kolkformel folgende Form an:

tkolk = hp · Ckorr. · Cman., · (2.1, a)

Als Beispiel wird für ein Containerschiff (Länge  280 m, Breite  32 m, Tiefgang = 12 m), welches mit eigener Kraft ein Ablegemanö­ver ausführt, in Abb. 3 die Kolkentwicklung auf der Basis der Gl. (2.1, a) berechnet. Bei einer vorausgesetzten Hafentiefe von 14 m beträgt die Flottwassertiefe 2 m. Das Schiff ist mit einem Propeller von 8 m Durchmesser und nachgeordnetem Zentralruder ausgerüs­tet. Der Abstand der Propellerachse von der ungestörten Hafensohle beträgt hP = 6 m. Die Körnung der Hafensohle wird im Bereich von d85 = 0,002 … 0,5 m variiert.

Wird vorausgesetzt, dass die propellererzeugte Sohlgeschwindigkeit im Bereich von 5 bis 8 m/s liegt (typisch für Schiffe der o. g. Größenordnung), liefert die Grafik die folgenden Kolktiefen:

• Große Steine (d85 = 0,50 m)

Kolktiefe, tkolk = 0,2 … 1,0 m

• Steine (d85 = 0,10 m)

Kolktiefe, tkolk = 1,8 … 4,0 m

• Kies und Sand (d85 = 0,01…0,002 m)

Kolktiefe, tkolk = mehr als 10 m

Zu den angegebenen Kolktiefen gilt es zu betonen, dass es sich dabei um Werte handelt, die dem Endzustand eines Kolks entsprechen, d. h. die erst nach rund 90 bis 100 Einzelmanövern zu erwarten sind.

3. Kolkbildung infolge von Bug- bzw. Heckstrahler

3.1. Geschwindigkeitsfeld, induziert durch Bug- bzw. Heckstrahler vor Kaianlagen

Die Bug- und Heckstrahler werden mehr und mehr zur Verbesserung der Manövrierfähigkeit eines Schiffes eingesetzt. Der während eines Ablegemanövers erzeugte Strahl ist direkt auf die Kaiwand gerichtet und wird nach Auftreffen auf die Wand, ausgehend vom Staupunkt, allseitig umgelenkt. Verantwortlich für die Kolk­erzeugung vor der Kaiwand ist der Strahlanteil, der nach unten zur Sohle gerichtet ist, vgl. Abb. 4.

Die durch den Strahler erzeugte sogenannte induzierte Geschwindigkeit v0,B kann nach [2] mit folgendem Ansatz berechnet werden:

v0,B = 1,15 · (6)

PB = Leistung des Strahlers [kW]

DB = Durchmesser des Strahlers [m]

0 = Dichte von Wasser [t/m³]

Gemäß einem Vorschlag in [4] wird die für die Erosion vor der Kaiwand maßgebende Sohlgeschwindigkeit nach Gl. (7) berechnet.

(7)

L = Abstand zwischen Kaiwand und Austrittsöffnung

des Strahlers [m]

L = Faktor, abhängig von den Verhältnissen L/DB

und hP,B/DB, siehe Abb. 5

3.2. Kolkbildung vor einer Kaiwand

infolge der Bug- oder Heckstrahler

Umfangreiche Modellversuche zeigen, dass bei der Bewertung der Kolkbildung infolge operierender Strahler zwei Stadien der Tiefenentwicklung zu unterscheiden sind. In einem ersten Stadium entwickelt sich die Kolktiefe sehr intensiv mit zunehmender Strahlbelastung. Bei weiterer Erhöhung der Strahlbelastung geht die Tiefenentwicklung in ein Stadium mit moderaterem Zuwachs über.

Diese generelle Tendenz ähnelt der für den Heckpropeller erkannten Kolkentwicklung (siehe Abb. 3) wobei es für den Strahlerkolk infolge der mehrfachen Umlenkungsprozesse nicht ohne Weiteres gelingt, die Kolkbildung in einem geschlossenen Ausdruck zu formulieren. Stattdessen konnten aus den vorliegenden Modellmessungen [2] und insbesondere [4] empirische Ansätze für die beiden Entwicklungsstadien abgeleitet werden.

Außerdem zeigte sich, dass der Einfluss des manövrierenden Schiffs gegenüber dem stationären Belastungszustand ähnlich dem Heckpropeller durch einen Beiwert Cm = 0,3 erfasst werden kann.Die Kolkformeln für die beiden Stadien in der Form tkolk, B/d85 = f(B/Bkrit, B) zeigen nachstehende Ausdrücke:

1. Stadium: Gütig für: 1,0 > (B/Bkrit, B) > 1,4

(8.1)

2. Stadium: Gültig für: (B/Bkrit B) < 1,4

(8.2)

B = Stabilitätsbeiwert,

vSohle, B/(d85 · g · ‘)0,5

Bkrit, B = 1,20; siehe [3]

‘ = Relative Dichte unter Auftrieb des Sohlmaterials

Cm = Manöverbeiwert; = 1,0 für stationäre Belastung

= 0,3 für Manöverbelastung

3.3. Maßnahmen zur Reduzierung der Kolkbildung

Unabhängig davon, dass durch die Abdeckung der Sohle vor einer Kaiwand mit einer Schutzschicht (beispielsweise Steinschüttung, Matten- oder Verguss-Systeme) eine unerwünschte Kolkung zu vermeiden ist, kann durch entsprechende Gestaltung der Kaiwand die Kolkbildung generell reduziert werden, vgl. [5, 6].

Dazu gehören:

• Neigung der Kaiwand,

• Anordnung von Strahllenkern am Fuß der Kaiwand.

Geneigte Kaiwand:

Die Wirkung beruht darauf, dass beim Auftreffen eines Strahls auf eine geneigte Wand eine Veränderung der nach oben (zum Wasserspiegel) bzw. nach unten (zur Sohle) umgelenkten Wassermengen erfolgt. Die nach oben umgelenkte Teilmenge vergrößert sich, je nach Wandneigung, während die zur Sohle umgelenkte Teilmenge sich entsprechend verringert. Nach [10] gilt dazu folgende Beziehung:

= (9)

QSohle = Zur Sohle umgelenkte Wassermenge für Wandneigung

bzw. für  = 0°

C = Abminderungsbeiwert bei Wandneigung

Der Einfluss des reduzierten Sohlstrahls bei Wandneigung auf die Kolkbildung wurde durch Modelluntersuchungen [7] quantifiziert. Im Ergebnis der Untersuchungen [7], [6] ergibt sich für die Beding­ungen hP,B/DB = 1,5…2,2 und L/DB =~4 …8 die nachstehende Abhängigkeit:

= /1 + · ) · C (10)

= 0,005 für L/DB = 4

= 0,0125 = 8

= Wandwinkel gemäß Definition auf

Abb. 7 in [°]

Strahllenker:

Strahllenker sind speziell geformte Elemente, vgl. Detail in Abb. 7, die den zur Sohle gerichteten Wandstrahl so lenken sollen, dass er von der Sohle weg gerichtet wird und so zur Reduzierung der Kolkbildung beiträgt. Diese Elemente, vorzugsweise in Beton ausgeführt, werden am Fußpunkt der Kaiwand (senkrecht oder geneigt ausgeführt) angeordnet.

Modellversuche [8] zeigten bei geneigter Wand mit Strahllenker – der Form gemäß Abb. 7 – eine deutliche Reduktion der Kolkbildung, wie der Abb. 8 zu entnehmen ist. Mit dieser Anordnung können Reduktionen der Kolktiefe auf 22 % ( = 0°) bis 6 % ( = 20°) der Maximaltiefe (Kolk bei senkrechter Wand ohne Strahllenker) erreicht werden.

4. Zusammenfassung

Der vorliegende Artikel befasst sich mit dem Problem der Kolkbildung vor Kaianlagen, die durch den erzeugten Strahl von Schiffspropellern und Bug- bzw. Heckstrahlanlagen hervorgerufen werden. Derartige Kolkungen treten insbesondere dann auf, wenn Schiffe mit eigener Maschinenkraft an- und ablegen. Beruhend auf theoretischen Betrachtungen und umfangreichen Modellversuchen werden Ansätze zur rechnerischen Erfassung dieser Kolkvorgänge erarbeitet. Geeignete Grafiken zeigen die Beziehungen der maßgebenden Eingangsgrößen und deren Einfluss auf die Ergebnisse. Für ein ausgewähltes Beispiel werden die zu erwartenden Kolktiefen für unterschiedliche Korngrößen des Sohlmaterial (d85 = 0,002 bis 0,5 m) erörtert.

Außerdem werden technische Möglichkeiten der Kolkreduzierung, nämlich die Anordnung einer geneigten Kaiwand mit und ohne Strahllenker, dargestellt. Die Wirkung bezüglich der Reduktion der Kolktiefe dieser Maßnahmen wird anhand von Modellversuchen aufgezeigt und quantifiziert.

Verfasser:

Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Römisch, i. R.

Beethovenstraße 24, 01705 Freital

Klausroemisch@gmx.de

Dr.-Ing. Eckard Schmidt

Knabe Enders Dührkop Ingenieure GmbH

Gasstraße 18, Haus 4, 22761 Hamburg

E.Schmidt@KED-Ingenieure.de

Klaus Römisch, Eckard Schmidt