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Das in Polen gebaute Offshore-Errichterschiff »Innovation« von HGO InfraSea Solutions ist Anfang August in Bremerhaven angekommen. Erstes Projekt ist der Windpark »Global Tech 1« in der deutschen Nordsee.

Ende 2010 war die »Innovation« bei der polnischen Crist-Werft in Auftrag gegeben worden: Inzwischen ist das Heavy-lift Jack[ds_preview]-up Vessel, in das die Bremer Reederei HGO InfraSea Solutions – ein Joint Venture von Hochtief und GeoSea – rund 200 Mio. € investiert hat, in Bremerhaven eingetroffen und hat bereits vor ihrer Taufe Anfang September die ersten Testpfähle ins Baufeld gut 100 km nordwestlich von Helgoland verschifft. Dort wurden sie an ausgesuchten Stellen in der Nähe von späteren Turbinenstandorten im Meeresboden verankert, um die geophysikalischen Gegebenheiten vor Ort zu überprüfen sowie Arbeits­gerät und Bauabläufe zu testen. Kurz darauf sollte die Installation der ersten Tripod-Fundamente beginnen. Während der Seatrials seien die Leistungskennzahlen des Schiffes teilweise noch übertroffen worden, berichtet HGO-Geschäftsführer Dr. Carsten Heymann, u. a. bei der Geschwindigkeit (angegeben mit bis zu 12 kn) und der Ladungskapazität (angegeben mit 8.000 t). »Wir sind unheimlich stolz, unser erstes Kranhubschiff jetzt endlich fahren zu sehen«, so Heymann.

Das 147,5 m lange und 42 m breite Errichterschiff (vgl. HANSA 12/2011), das HGO zufolge das weltweit leistungsstärkste seiner Art ist, wurde bereits in der Bauwerft endausgerüstet und weitestgehend mobilisiert, sodass in Bremerhaven nur noch wenige Abschlussarbeiten auszuführen waren, z. B. das Seafastening für die Tripodfundamente sowie Schweißarbeiten.

Zu den besonderen Merkmalen gehört der Hauptkran von Liebherr, der je nach Auslegerlänge bis zu 1.500 t und damit mehr als vergleichbare Arbeitsgeräte auf dem Offshore-Markt heben kann. Es habe zunächst durchaus die Überlegung gegeben, einen kleineren Kran zu verwenden, um das Schiff leichter zu machen, erläutert Heymann. »Ich bin aber froh, dass wir uns für den großen entschieden haben – sonst hätten wir die Fundamente für ›Global Tech 1‹ gar nicht installieren können.« Diese wiegen mehr als 900 t das Stück und müssen in einiger Entfernung zur Kaikante geladen werden. Zwar ist der Grund im Bremerhavener Kaiserhafen eigens ertüchtigt worden, damit das Hubschiff sicher aufjacken kann, doch muss dabei aus statischen Gründen ein Abstand von 24 m zur Kaje eingehalten werden: Ein weniger leistungsstarker Kran würde hier schnell an seine Grenzen stoßen.

Hubinsel »Thor« hilft mit

Geplant ist, dass die »Innovation« jeweils drei Tripods gleichzeitig ins 180 km entfernte Baufeld transportiert und dort installiert. Ab Februar 2013 soll sie bei der Errichtung von »Global Tech 1« von der Hoch-tief-Hubinsel »Thor« unterstützt werden, die derzeit noch im Windpark »Bard Offshore 1« im Einsatz ist. Auch sie soll dann regelmäßig zwischen Baufeld und Bremerhaven pendeln, obwohl sie über keinen eigenen Antrieb verfügt und daher geschleppt werden muss.

Arjen Schampers, Technischer Geschäftsführer der Projektgesellschaft Global Tech 1 Offshore Wind, rechnet im Vergleich zur »Innovation«, die den Windpark nach seinen Angaben in sieben bis acht Stunden erreichen kann, mit einer etwa doppelt so langen Fahrtzeit. Ein Feederkonzept, bei dem die »Thor« im Baufeld bleibt und von Pontons beliefert wird, sei dennoch von Anfang an kein Thema gewesen: »Die Über­gabe der Windenergieanlagen von einem schwimmenden Ponton zur Hubinsel wäre zu gefährlich«, sagt Schampers. »Zudem wä­re das Wetterfenster dann sehr beschränkt.«

Neben den beiden Jack-up-Arbeitsgeräten werden u. a. zwei Kabelleger zur Innerparkverkabelung sowie diverse Crew Transfer Vessels, Guard Vessels, Schlepper und andere Schiffe im Einsatz sein. Dabei wird die logistische Prozesskette vom Zulieferer bis zur Montage auf See vom Institut für Produktion und Logistik (BIBA) der Universität Bremen begleitet, das im Rahmen eines Forschungsvorhabens ein Echtzeitmonitoring des Transports und Umschlags von Komponenten durchführen will.

Noch schlagen die Logistikkosten bei der Errichtung von Offshore-Windparks mit 20 bis 25 % der gesamten Baukosten zu Buche; das ist deutlich zu viel, sind sich Branchenkenner einig. Die Forscher wollen nun mithilfe der gesammelten Daten und anhand eines entwickelten Planungsmodells Lösungsvorschläge zur Standardisierung und damit Kostenreduzierung erarbeiten. Hochtief Solutions sowie der Logistikdienstleis­ter BLG beteiligen sich an dem Projekt, für das »Global Tech 1« als »Versuchsobjekt« dient.

Zweiter deutscher 400-MW-Park

Das 41 km² große Windfeld mit 80 Areva-T­urbinen der 5-MW-Klasse wird nach seiner für Ende 2013 angestrebten Fertigstellung über eine installierte Gesamtleis­tung von 400 MW verfügen und jährlich umgerechnet 445.000 Haushalte mit Strom versorgen können. Nach dem Projekt »Bard Offshore 1«, das seit März 2010 im Bau ist, wird »Global Tech 1« damit der zweite deutsche Offshore-Windpark dieser Größenordnung sein. Die Tripods werden jeweils zur Hälfte von den Siag Nordseewerken sowie einem Konsortium, bestehend aus Weserwind und Erndtebrücker Eisenwerk (EEW), geliefert. Mit der Errichtung der Fundamente und Anlagen ist Hochtief Solutions beauftragt worden.

Unterdessen machen die aktuellen Probleme bei der Netzanbindung auch vor diesem Windpark nicht halt: Wie andere Bauherren hat die Global-Tech-Projektgesellschaft kürzlich Post von Nordsee-Netzbetreiber Tennet erhalten, in der eine Verzögerung des ursprünglich für Anfang 2013 zugesagten Anschlusses um mehr als ein Jahr angekündigt wurde. Einen großen Vorteil hat das Projekt allerdings im Vergleich zu anderen: Obwohl die für den Netzanschluss vorgesehene Konverterstation »BorWin beta« später als geplant fertig wird, soll der Windpark voraussichtlich schon Strom einspeisen können, sobald die ersten Windener­gieanlagen installiert sind.

Möglich macht dies die bereits existierende Plattform »BorWin alpha«, über die der von »Bard Offshore 1« produzierte Strom an Land geleitet wird und die aktuell noch Kapazitäten frei hat. Man befinde sich in konstruktiven Gesprächen mit Tennet, kurzfris­tig einen Interimsanschluss zu schaffen, so der kaufmännische Global-Tech-Geschäftsführer Dr. Thomas Meerpohl. »Wir rechnen damit, dass Ende des Jahres eine vo­rübergehende Leitung hergestellt wird.« Unabhängig von einer anstehenden gesetzlichen Regelung zur Haftungsfrage behalte man sich allerdings vor, entstehende finanzielle Schäden bei Tennet einzuklagen.

Angesichts der Verzögerungen ist der Bauzeitplan bereits angepasst worden: So hatte die »Thor« ursprünglich schon dieses Jahr die ersten Turbinen installieren sollen. Mit der Verkabelung innerhalb des Windparks wird dennoch wie geplant im Herbst begonnen. Kernstück ist hier das parkinterne Umspannwerk, das in der niederländischen Werft Keppel Verolme gebaut wurde.

Zum ersten Mal wird in einem deutschen Offshore-Windpark eine schwimmfähige Plattform eingesetzt, die sich über die aus der Öl- und Gasbranche bekannte Saug­glocken-Installationsmethode selbst installiert. Die Tragstruktur ist dabei fest am Korpus der Umspannstation montiert und wird erst zum Boden herabgelassen, wenn die Station mithilfe von Schleppern die richtige Position erreicht hat. Die Saug­glocken an den Füßen der Tragstruktur graben sich durch Unterdruck und das Eigengewicht der 9.000 t schweren Plattform in den Boden ein: Danach wird der Korpus bis zu 20 m über den Meeresspiegel angehoben und festgesetzt. Wegen der weiten Entfernung zur Küste soll die Umspannstation ständig bemannt sein. »Bis zu 34 Service- und Montagetechniker werden rund um die Uhr im Schichtbetrieb für einen reibungslosen Ablauf sorgen«, kün­digt Global-Tech-Geschäftsführer Arjen Schampers an.

Ausgezeichnete Finanzierung

Insgesamt hat der Offshore-Windpark, an dem acht Gesellschafter beteiligt sind, ein Investitionsvolumen von 1,6 Mrd. €. Mehr als 1 Mrd. € davon ist fremdfinanziert, und zwar von einem Bankenkonsortium aus 16 internationalen Geschäftsbanken sowie der Europäischen Investitionsbank und der KfW. Für das Finanzierungsmodell ist »Global Tech 1« kürzlich bereits zum dritten Mal von einem Fachmagazin ausgezeichnet worden. Das Projekt habe Maßstäbe in der Kreditfinanzierung von Offshore-Windparks gesetzt, hieß es in der Begründung der jüngsten Würdigung: Es sei bemerkenswert, in einem herausfordernden Marktumfeld wie diesem 18 Banken zusammenzuhalten.


Anne-Katrin Wehrmann