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Nicht nur bei den Linienreedereien, sondern auch bei ihren Kunden ist der Expansionsdrang ungebrochen. Die Marktführer unter den Seefracht-Speditionen, die einen Großteil der Ladung bei den Carriern buchen, bauen ihre Position dieses Jahr weiter zielstrebig aus.

Obwohl das Handels- und Verkehrsauf­kommen dieses Jahr langsamer wächst, müssen die Vertriebskräfte der großen Speditionen noch eine Schippe drauflegen[ds_preview]. Die Gewinnmargen der Firmen stehen ange­sichts der stark angezogenen Frachtraten im Containerverkehr unter massivem Druck. Wie immer können die Dienstleister die von den Reedereien geforderten Frachtpreissteigerungen nur mit Verzögerung an die verladende Wirtschaft durchreichen. Um die geringere Profitabilität pro Container wettzumachen, hilft nur mehr Menge. Vor allem die großen Speditionen aus Deutschland und der Schweiz liefern sich weiter einen harten Kampf um Marktanteile.

Branchenprimus Kühne + Nagel gelang es, sein Buchungsvolumen bei den Reedereien im ersten Halbjahr um 8 % auf knapp 1,7 Mio. TEU zu steigern. Hingegen ist das weltweite Containerladungsaufkommen gemäß Branchen­schätzungen nur um 3 bis 4 % gewachsen. Die höchsten Zuwächse seien auf den Exportrouten von Fernost nach Mittelost, Südamerika und Afrika erzielt worden, erklärte Kühne + Nagel im jüngsten Quartalsbericht. Auch im Transpazifikverkehr sei das von dem Marktführer disponierte Ladungsaufkommen gegen den all­gemeinen Trend deutlich gestiegen, hieß es. Schon seit Jahren baut Kühne + Nagel seinen globalen Marktanteil vehement aus.

Einen noch größeren Klimmzug in Bezug auf die Mengen machte die weltweit drittgrößte Seefrachtspedition DB Schenker. Die Deutsche-Bahn-Tochter ist mit einem Volumen­zuwachs von 10,6 % auf 926.100 TEU bislang Spitzenreiter beim Wachstum unter den führenden Anbietern. »Eine positive Entwicklung zeigten dabei insbesondere die Relationen von Europa nach Asien und die innerasiatischen Verkehre«, teilte DB Schenker mit.

Die Nummer zwei – die Deutsche-Post-Tochter DHL Global Forwarding – liegt mit einem Plus von gut 4 % auf 1,38 Mio. TEU am unteren Ende der Spanne, aber wohl ebenfalls noch leicht über dem Durchschnitt. Der Schweizer Konzern Panalpina, der im globalen Seefrachtranking auf Platz fünf rangiert – konnte seine Position ebenso festigen und das Buchungsvolumen um 7 % ausdehnen.

Mit den Mengenzuwächsen konnten die Frachtdienstleister dem Margendruck, der aus den rasanten Frachtanhebungen der Containerlinien seit Jahresanfang resultier­te, entgegenwirken. So stieg die Spotrate pro 40-Fuß-Container (FEU) auf der Route von Schanghai nach Rotterdam laut dem World Container Index innerhalb der ersten sechs Monate im Durchschnitt um mehr als 200 % auf rund 3.500 $ pro TEU. Diese Entwicklung ließ die Rohertragsmarge pro Container-Sendung bei Panalpina um 5 % und bei Kühne + Nagel um 6 % gegenüber dem Vorjahresniveau einbrechen. Den Nettoumsatz (Frachterlöse abzüglich Zoll/Steuer) sowie den Rohertrag (Nettoumsatz abzüglich von Carrier-Fracht und -zuschlägen) aus ihren Seefrachtaktivitäten dürften die Unternehmen mittels Mengenwachstum stabilisiert oder sogar leicht gesteigert haben.

Undurchsichtige Zahlenwerke

Das Reporting der Spediteure ist in den meisten Fällen jedoch zu ungenau. Am detailliertesten gibt noch das Zahlenwerk von Kühne + Nagel Auskunft über spezifische Entwicklungen im Seefrachtsegment. Danach reichte der Volumenzuwachs von 8 % aus, um den Seefracht-Rohertrag marginal auf 630 Mio. CHF (umgerechnet 524 Mio. €) auszudehnen. Da wegen der erhöhten Containerstückzahl aber auch ein deutlich größerer Personal- und Abwicklungsaufwand erforderlich war, um diesen Rohertrag zu realisieren, fiel der operative Gewinn unter das Vorjahresniveau. Der Vorsteuergewinn (EBIT) der Seefrachtsparte bei Kühne + Nagel sank um 12 % auf umgerechnet knapp 154 Mio. € – womit die Firma allerdings immer noch als Spitzenverdiener in der Seefracht zählt.

Zum Teil konnten sich andere, eher kleinere Anbieter dem Margendruck ein Stück weit entziehen, indem sie sich auf bestimm­te, renditeträchtigere Frachtgutarten und Kontrakte konzentrierten oder ihre Produktivität steigerten. Ein bemerkenswertes Resultat konnte in dieser Hinsicht die dänische DSV-Gruppe vorweisen, die siebtgrößte Seefrachtspedition weltweit. Das Unternehmen legte seinen Aktionären für das erste Halbjahr ein Ergebnis (vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf immaterielle Anlagevermögen, EBITDA) von umgerechnet 280 Mio. € nur im Bereich See- und Luftfracht vor – ein Plus von 2,9 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei war das Buchungsvolumen in der Seefracht um 1 % und in der Luftfracht sogar um 3 % gesunken. Generell strebe man zwar Marktanteilsgewinne an – doch nur, wenn das Neugeschäft »positiv zum Ergebnis des Geschäftsbereichs beitrage«, erklärte der Seefrachtspediteur im Halbjahresbericht.

Beim Marktausblick für das zweite Halbjahr decken sich die Einschätzungen der Gesellschaften insofern, als alle ihre Wachstumsprognosen für den Containerverkehr nach unten angepasst haben. Die Erwartungen für das globale Ladungswachstum im Vollcontainerbereich liegen jetzt bei lediglich 3–4 %, nachdem Kühne + Nagel im April noch von +5 % ausgegangen war.

Mittelfristig kann die Seefrachtspedition laut einer aktuellen Studie wieder mit ordentlichen Zuwächsen rechnen, vor allem getragen durch Verkehre mit den Schwellen- und Entwicklungsländern. So prophezeit die britische Beratungsfirma Transport Intelligence (TI) in ihrem Report »Global Freight Forwarding 2012« der Branche bis 2015 durchschnittliche Zuwächse von 8,6 % pro Jahr, und zwar nicht bezogen auf die Volumina, sondern auf die Frachtumsätze.

Für die Überseespedition würde es die Rückkehr auf den Wachstumspfad bedeuten, nachdem die globalen Umsätze nur im Bereich See nach Schätzung von Transport Intelligence im Jahr 2011 um 4,1 % gesunken sein sollen. Zwar sei das Ladungsaufkommen erneut angewachsen, doch hätten die stark gesunkenen Frachtraten an den Umsätzen gezehrt. Auf der Rennstrecke von China nach Europa habe sich das durchschnittliche Frachtniveau im Laufe des Vorjahres in etwa halbiert.

Asien und Afrika mit hohem Seefrachtpotenzial

Für sprudelnde Erlöse in der Seefracht sorgen laut der Studie in den kommenden Jahren Asien, Afrika und Südamerika mit jährlichen zweistelligen Zuwachsraten. Das ist keine neue Erkenntnis und deckt sich auch mit den Ergebnissen einer Vorgängerstudie von Transport Intelligence aus dem vergangenen Jahr. Allerdings fällt auf, dass die Prognosen zum Teil deutlich angehoben wurden, wodurch sich auch die Rangliste der Wachstumsregionen verändert hat. Der asiatisch-pazifische Raum steht mit prognostizierten Zuwächsen von durchschnittlich 16,1 % in der Seefracht weiterhin auf Platz eins. Für Afrika (jetzt Platz zwei) und Südamerika (Platz drei) wurden die Schätzungen indes deutlich angehoben – auf +14,1 % und +13,2 % – während sich der Ausblick für den Mittleren Osten von +13,2 auf +12,8 % verschlechtert hat. Dahinter folgen Nordamerika mit einem Seefracht-Steigerungspotenzial von 10 % pro Jahr und Eu­ropa mit nur +6,8 % auf dem letzten Platz.

Dabei weist die Studie auf interessante Möglichkeiten im Handel mit Entwicklungs- und Schwellenländern hin, die bislang nur geringen Anteil am Containerverkehr haben. So wächst der See-Export vom Oman in die EU-Staaten laut Übersicht seit 2007 um durchschnittlich 46 % pro Jahr. Auf der Route Marokko–USA taxiert TI das Wachstum der Seefrachterlöse auf 44 %, und im Verkehr von der EU nach Paraguay werden durchschnittliche Steigerungen von 40,6 % verzeichnet. Auch arabische Staaten wie Katar, die VAE, Saudi-Arabien und Kuwait weisen beträchtliche Zuwächse auf und verdienen damit die Aufmerksamkeit in den Vertriebsnetzen der Spediteure und Reeder.

»Diese Staaten haben sich auf eine Di­versifizierung außerhalb des Energiesektors durch die Steigerung der Nicht-Öl-Exporte konzentriert«, konstatieren die britischen Marktforscher. Bemerkenswert ist ferner die gewachsene Bedeutung der Seefrachtexporte aus den EU-Staaten in die Türkei, die mit knapp 28 Mio. t/Jahr das zweitgrößte »Schwellenland-Fahrtgebiet« (ex EU oder USA) hinter China darstellt.

Was Frachtpreis und Stellplatzverfügbarkeit auf den großen Überseerouten angeht, schwören die britischen Experten die Leser auf erneute Wechselbäder ein. So sei nicht auszuschließen, dass sich die Kapazitäts­engpässe im Containerverkehr bis Mitte des Jahrzehnts massiv zuspitzen, weil die Reeder aufgrund der schlechten Ertragslage kaum noch Schiffe bestellen. Ausgehend vom bestehenden Auftragsbuch an Vollcontainerschiffen sowie dem wahrscheinlichen Verkehrswachstum gemäß Welt-BIP-Prognose könnte sich bis 2015 ein Delta von über 8 % zwischen Nachfrage- und Kapazitätswachstum entwickeln.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Schifffahrt drohe »ein brutaler Rückgang beim Wachstum der Containerflotte«, warnt TI. Zudem müsse die Zu-

kunft mancher Linienreederei angesichts der angespannten Liquiditäts- und Finanzlage mit einem Fragezeichen versehen werden. Einige Carrier wiederum würden gezielt in anderen Geschäftsfeldern außerhalb der Schifffahrt investieren, wie z. B. in der Kontraktlogistik, um sich weitere Standbeine aufzubauen.


Michael Hollmann